Blickpunkt:Film

Kino

Festivalleiter [Thorsten Schaumann](/person/thorsten-schaumann) spricht über das Selbstverständnis der [Hofer Filmtage](/company/internationale-hofer-filmtage), die ab 22. Oktober ihre 58. Ausgabe begehen. Deren Motto ist Good Things Happen in Cinema. Schaumann, der seit 2016 in Leitungsfunktion beim auf unabhängiges und junges Kino spezialisierten Festival an Bord ist, springt dafür zurück zu seinen Anfängen und die einzigartige Atmosphäre dort und wirft einen Blick aufs Programm.  

Als Praktikant (!) beim Weltvertrieb Bavaria Film International durfte ich damals als Unterstützung zum Film Festival nach Cannes. Gerade mal 5 Wochen in der Filmbranche, das war ein richtig fettes Ding. U.a. bestand meine Aufgabe darin, zu checken, welche Einkäufer:innen in die Marktvorführung des von uns betreuten Filmes „[Jenseits der Stille](/movie/jenseits-der-stille)“ von Caroline Link gingen. Am Eingang zum Kino sah ich einen Mann mit eindeutig wiedererkennbarer Frisur und Brille. Als er mich sah, streckte er seine Hand aus und begrüßte mich mit den Worten: „Hallo, ich bin der Heinz, wer bist du?“ Ich stellte mich als Prakti von der Bavaria vor. Umgehend präsentierte er mich dem gesamten Fachpublikum, das in das Kino ging, mit „…and by the way, this is Thorsten, he is selling the movie.“ Dies war somit meine erste unvergessliche Begegnung mit den Internationalen Hofer Filmtagen, eben nicht in Hof, aber dafür in Cannes. 

Und dann wollte ich, auch wenn Deutschland nicht mein Verkaufsterritorium war, unbedingt einmal zu den Internationalen Hofer Filmtagen. Es war Ende der Neunziger für eine Nacht. Dabei erinnere ich mich an die hektische Aufregung, das Gewusel vor und in den Kinos, wo sich im Zigarettendunst das Publikum stapelte. Ich war sofort mittendrin in dieser Film-Familie. Es war einfach großartig.

Viele Jahre später nach dem plötzlichen Tod von [Heinz Badewitz](/person/heinz-badewitz_8) fuhr ich als ein Drittel Auswahlkuratorium mit Linda Söffker und Alfred Holighaus zum 50. Filmtage-Jubiläum 2016 nach Hof. Im darauffolgenden Jahr bin ich als künstlerische Leitung der Internationalen Hofer Filmtage eingestiegen. 

Im Laufe meiner Jahrzehnte langen Arbeit als Weltvertriebler und späterer Film-Einkäufer (bei der Pay-TV Plattform Sky Europe) habe ich viele Filmfestivals jedes Jahr von Berlinale, Cannes, Venedig, Toronto, New York, Los Angeles, Tokio, u.v.m. besucht. Doch in Hof spüre ich immer diese unfassbare Filmtage-Leidenschaft von vielen Menschen, egal ob im Team, auf der Straße oder im Kino. Mittlerweile in der dritten Generation leben sie die Filmtage mit Herz und Leidenschaft als Familienfest, bei dem das Kino im Mittelpunkt steht. Ohne roten oder blauen Teppich wird entspannt die Premiere eines Filmes an der Bratwurstbude gefeiert. Danach geht es natürlich wieder ins Kino. In der Nacht wird dann das Sozialleben heftig zelebriert. Doch am nächsten Morgen treffen sich alle wieder im Kino. Außer am Samstag, wenn Filmschaffende gegen Hofer:innen Fußball spielen. 

Dieses Gefühl des familiären Zusammenseins vereint jedes Jahr wieder die Branche, das Publikum und Kino-Interessierte sowie die, die es noch werden wollen. Generationsübergreifend, niederschwellig, mit oder ohne Filmerfahrung. Dabei ist die überregionale Ausstrahlung der Filmtage enorm, was mir bei meinen früheren Festivalreisen immer wieder erzählt wird. Das ist wirklich mehr als besonders.

Filmfestivals haben weitreichende Aufgaben. Durch ihre Kuratierung von Filmen in der ganzen Breite, der Kontextualisierung und das Zusammenbringen von Menschen, sind sie ein Angebot für Vielfalt und Vermittlung im gesellschaftlichen sowie politischen Diskurs. Sie sind ein wesentlicher Bestandteil der Filmwirtschaft für die Auswertung und Promotion. Viele Filme würden ohne Festivals kaum oder gar keine Visibilität bekommen. 


Weg von der algorithmisierten Geschmacksvereinheitlichung, hin zur Vielfalt. 
Das bedarf einer verantwortlichen, vor allem finanziellen Unterstützung von allen Seiten. Als Filmfestival arbeiten wir uns von Jahr zu Jahr. D.h. für jedes Jahr Aufstellung von Budget und Finanzierungsplan, Abstimmung mit allen Beteiligten – ganz ohne Netz und Boden, was das darauffolgende Jahr bringt. Und natürlich benötigen wir da immer ein mehr, Stichwort leistungsgerechte Bezahlung des Teams. Für dieses Jahr sind wir in der glücklichen Lage, großen Zuspruch von Seiten der geldgebenden Seite bekommen zu haben. Dafür sind wir sehr dankbar. Planungssicherheit über mehrere Jahre besteht jedoch als Forderung. Aber erst mal bleibt: No risk, no fun.

In diesem Sinne entwickeln wir die Internationalen Hofer Filmtage stetig weiter. Das sind zum einen Filme, die wir auf unserer HoF on Demand Plattform deutschlandweit und für Akkreditierte anbieten. Die Kommunikation läuft über die klassische Pressearbeit und Social Media mit steady und mobilen Teams. Unser Festivalzentrum, die Bürgergesellschaft in Hof, ist mehr denn je Produktion für alle Talk Formate. Über unseren HoF Streamingkanal auf unserer Webseite wird rund um die Uhr über das Festivalgeschehen berichtet, davon viel live. Das Publikum entscheidet, wann und wo sie Filme schauen. Da müssen wir auf allen Kanälen präsent sein. Wir wollen ja nix verstecken. Im Gegenteil: schaut bitte alle, was es für tolle Filme gibt. Natürlich ist das Filmeschauen am schönsten im Kino Hof. Aber es gibt Menschen, die aus den verschiedensten Gründen nicht nach Hof kommen können. Mit den digitalen Angeboten bieten wir barrierefrei die Möglichkeit, bei den Filmtagen teilzunehmen. Und die Filmschaffenden werden noch reichweitenstärker mit ihren Filmen gesehen.

Dazu gehören in diesem Jahr der Mix aus Spiel-, Dokfilm von kurz bis lang, national und international mit bekannten und upcoming Filmstimmen. Insgesamt 143 Filme werden gezeigt. Viele Indie-Underground Projekte sowie erste lange Filme warten auf ihr Publikum. 

Hierzu zählen auch die Künstler:innen [Harriet Maria](/person/harriet-maria-meining) und [Peter Meining](/person/peter-meining). Mit ‚Zukunft denken‘ zeigen sie ihre drei Kurzfilme „Falter“, „Der Kopf der Katze“ sowie „Eden 3030“. Im Kino erzählen sie über ihre Arbeit und es gibt ein Gespräch mit Gästen über Kryonik sowie zukünftige Welten.

Unsere Hommage ist dem erst kürzlich verstorbenen [Howard Ziehm](/person/howard-t-ziehm) gewidmet. Er war als Pornoproduzent und -regisseur ein echter Rebell gegen die Prüderie einer Generation, die das Thema Sexualität völlig unter den Teppich kehrte. Wo Gewalt und Blut akzeptierte Standards auf der Leinwand sind, gilt es Ziehms Arbeit, u.a. mit der Sci-Fi Komödie “[Flesh Gordon](/movie/flesh-gordon)“, als Zeitdokumente neu zu diskutieren. 

Mit der | 8 | 16 | 35 | HoF Classics auf Film Reihe zelebrieren wir das analoge Kinoerlebnis. Wenn der Projektor läuft, gibt es ein Wiedersehen u.a. mit „The Intruder“ von [Roger Corman](/person/roger-corman), „[Terror 2000](/movie/terror-2000-intensivstation-deutschland)“ von [Christoph Schlingensief](/person/christoph-schlingensief) sowie „[The Virgin Suicides](/movie/the-virgin-suicides)“ von [Sofia Coppola](/person/sofia-coppola). 

Mit HoFXR widmen wir uns neuen filmischen Erzählweisen. Ein echtes Highlight ist die immersive VR Installation „Duchampiana“ von Lilian Hess, die nach ihrer Weltpremiere bei den Internationalen Filmfestspielen Venedig erstmalig in Deutschland in Hof vorgestellt wird. Und die VR Experience „Emperor“ mit einer Reise in das Gehirn.

Am Dienstag, dem 22.10. wird es konkret, wenn wir mit dem Dokumentarfilm „[Zeppelin oben rechts](/movie/zeppelin-oben-rechts)“ von [Olli Duerr](/person/olli-duerr) eröffnen. Der Dokumentarfilm begleitet Künstler:innen des inklusiven Ateliers23 in Gießen und ist eine wahre Inspirationsquelle für unser Leben.

„Good things happen in cinema”. Unter diesem Motto feiern wir die Kraft des Kinos sowie die Magie des Augenblicks und der Gemeinsamkeit. Es sind die unerwarteten Begegnungen, die emotionalen Momente, die uns zum Lachen, Weinen oder Staunen bringen. Hier geschehen die guten Dinge, zu denen wir alle bei den 58. Internationalen Hofer Filmtagen einladen.

Alle Infos zum Programm und dem Zeitplan:  www.hofer-filmtage.com

Thorsten Schaumann zu den Hofer Filmtagen: Good Things Happen in Cinema