Blickpunkt:Film

**Liebe [Sinah Swyter](https://www.blickpunktfilm.de/person/sinah-swyter), Ihr Herzensprojekt [Disko 76](https://www.blickpunktfilm.de/tvshow/disko-76) geht in den Release. Zeit für einen Rückblick: Wie fing alles an?**




Vor vier Jahren wollte RTL den Bereich Eigenproduktion mit hochwertigen Serien für [RTL+](https://www.blickpunktfilm.de/company/rtl-television) im fiktionalen Markt stärken und Originals produzieren. Einer der Pitches kam von der UFA Fiction: Es war die Idee des Produzenten und damaligen Geschäftsführers Benjamin Benedict zu "Disko 76".

**Wie kamen Sie zu dem Projekt?**

"Disko 76" hat mich vier Jahre lang in mei­ner UFA-Karriere von der Producerin zur Produzentin begleitet. Es ist lange gereift.

**Was waren Ihre Parameter bei der Entwicklung?**

Mir war es wichtig, die Geschichte nicht handlungsgetrieben, sondern über die Figuren zu erzählen, sodass man sie wirklich miterleben kann. Vielleicht kann sich nicht jeder mit allen identi­fizieren, aber ich möchte, dass man die Figuren nachvollziehen kann, dass man sie interessant findet. Sie müssen nicht alles richtig machen, sie dürfen fehlbar sein, damit sie authentisch sind.

**Wie Doro, gespielt von Luise Aschenbrenner, die das Auf und Ab der Geschichte aus der Ich-Perspektive erzählt und auch Fehler machen darf?**

 Ja, ich kann mit der Figur Doro sehr viel anfangen und finde sie faszinierend, übrigens wird sie von Luise großartig ge­spielt, und sie erfüllt alle diese Kriterien. Sie folgt zu Beginn der Geschichte ihrem ersten Impuls, indem sie sagt, sie sei schwanger, um sich für einen kurzen Moment Luft in der Ehe und Familien­ planung zu verschaffen. Dann verselb­stständigt sich ihre Notlüge. Ich finde es spannend, so einer ambivalenten Haupt­figur zu folgen und auch ihre Geschwister sowie Freund:innen relativ gleichwertig zu erzählen. Mit verschiedenen Liebes­geschichten, in denen sich die Figuren mal dafür, mal dagegen entscheiden.

**Theoretisch könnte man solche Geschichten in jedem Setting erzählen. Sie erzählen die Zeit der 70er Jahre. Warum war Ihnen gerade hier diese dramaturgische Struktur so wichtig?**

Ich muss vorausschicken, dass ich diese Zeit und die Musik, in der in den 70er Jahren in Westdeutschland
die Disko aufkam, als sehr vielfältig empfinde. Das hat mich gefesselt. Da gab es eine gesellschaftspolitische Strenge und gleichzeitig viele Dinge, die so gegensätzlich waren und trotzdem nebeneinander existierten, etwa die Rolle der Frau in der Ehe neben einer aufkommenden Frauenbewegung. Wir erzählen von Doros Schwester, die Pilotin werden will, was damals nicht möglich war. In anderen Ländern war das selbstverständlich. Dieses »sich daran abarbeiten« zu erzählen und gleichzeitig die Nähe zu heute zu haben – denn so lange sind die 70er Jahre noch nicht her –, das finde ich faszinierend.

**Erreicht man mit diesen Themen auch ein junges Publikum?**

Es war wichtig, genau diese gesellschaft­liche Härte zu erzählen, ohne dass man das Gefühl hat, das sind alles antiquierte Figuren. Die Themen bewegen jede Generation. Es geht um Identitätssuche. »Wer bin ich?«, »Wer will ich sein?«, »Weiß ich schon, wer ich sein will oder wo will ich hin?«. Diese Fragen stehen nicht selten im Konflikt mit der älteren Gene­ ration, damals wie heute und ich finde, das sind einerseits zeitlose Themen und andererseits Themen, mit denen man ganz konkret diese Zeit erzählen muss. Außerdem besteht unser Hauptcast zum großen Teil aus einem sehr jungen Ensemble, und auch die moderne und schnelle Erzählweise werden hoffentlich ein junges Publikum ansprechen.

**Wenn man an den Dancefloor der 70er Jahre denkt, fällt einem nicht als erstes die Stadt Bochum als Schauplatz ein. Warum spielt die Serie ausgerechnet dort?**

Wir bewegen uns in einer Art fiktivem Realismus. Wir wollten wahrhaftig erzählen, ohne einen Dokumentarfilm
zu machen. Es ist immer noch eine fiktionale Serie mit viel Überhöhung und Dramatisierung. Bochum bietet uns die Kulisse, um bodenständig zu erzählen. Der Weg zur Disko ist noch weit, aber der Kontrast zwischen Kohlenstaub und Diskoglamour ist an sich sehr reizvoll. Außerdem haben wir einen sehr west­ deutschen Blick gewählt, und da liegt der Ruhrpott als Blaupause doch sehr nah. Uns war es auch wichtig, den Genera­tionenkonflikt in einer ganz normalen Familie zu erzählen. Nicht etwa den einer Akademikerfamilie, sondern den einer ganz normalen Familie mit ihren Sorgen, Nöten und Wünschen dieser Zeit.

**Das scheint gut gelungen zu sein. "Disko 76" hat auf dem Serienmarkt der Berlinale viel Anerkennung erfahren. Was war an dem Ansatz so richtig?**

"Disko 76" ist keine typische historische Dramaserie, die klassisch erzählt ist und Gefahr läuft, angestaubt zu wirken. Stattdessen ist die Serie trotz des histo­rischen Bezugs innovativ und verbirgt nicht ihren heutigen Blick auf die 1970er. Den Disko­klub, den die Geschwister gründen, könnte es so auch heute noch geben. "Disko 76" erzählt mit viel Tempo und schnellen Schnitten. Besonders ist auch die metafiktionale Ebene, der magische Realismus, mit der Doros Tag­träume erzählt werden. Die Dramedy überrascht in der Tonalität, die sich im Laufe der Serie auch noch mal verändert. Mit RTL hatten wir einen Partner, mit dem wir uns sehr frei im Genre bewegen konnten. Wir haben zwar eine klare Hauptfigur, aber die anderen Charaktere werden dennoch ausführlich miterzählt. Ich glaube, das macht die Serie so be­ sonders. Und dann gibt es natürlich noch eine Menge gute Musik aus dieser Zeit.

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SINAH SWYTER
»Disko 76« hat die Produzentin über ihre Karriere bei der Ufa Fiction hinweg begleitet

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**An welche Zielgruppen denken Sie?**

Die Sehgewohnheiten sind gerade bei Serien anders und ich glaube, genau damit und mit unseren jungen Darstel­ ler:innen kann ein junges RTL-Publikum etwas anfangen. Gleichzeitig können sich diejenigen, die in dieser Zeit auf­ gewachsen sind, mit der Geschichte verbinden. Ich könnte mir vorstellen, dass ein Austausch innerhalb der Generation stattfindet. Es ist immer
eine Floskel zu sagen, ›das ist Family Entertainment, das die Generationen verbindet‹, aber in diesem Fall stimmt es.

**Wie beschreiben Sie die Bildsprache?**

Einerseits gibt es eine gewisse Wärme und Zugänglichkeit, andererseits wirkt die Disko clean und kühl. Unser Kamera­ mann Felix Poplawsky hat eine ganz eigene Ästhetik in Zusammenarbeit mit der Regie gewählt, die 70er Jahre sind eben nicht typisch braun und orange.

**Was wäre ein Publikumserfolg, über den Sie sich freuen würden?**

Ich würde mir wünschen, dass es ein Momentum gibt, wo generations­übergreifend Jung und Alt zusammen schauen, von 14 bis 60 Jahren und gerne darüber hinaus. Die Serie entwickelt eine starke Sogwirkung. Die Folgen haben ein Pacing, bei dem man dranbleibt und sich sehr gut unterhalten fühlt. Wenn das gelingt, ist das eine große Freude für uns. Wir konnten auf der Berlinale erleben, dass die Branche und auch das Publikum Disko 76 großes Potenzial für den internationalen Markt zutraut. Das ist sehr spannend für uns.

**Und zu guter Letzt – wo wurde gedreht?**

In Berlin und Budapest. Da das Bochum der 70er heute so auch nicht mehr anzu­ treffen ist und wir viel Industrie gesucht haben, konnten wir in Budapest viel mit Außenaufnahmen arbeiten. Budapest bietet sich auch mit dem Fördersystem für eine Finanzierung an.

**Wann heißt es also genau Daumendrücken für den Release?**

Wir schauen gespannt auf den ersten Sendetermin am 28.03.2024 auf RTL+ und am 1. April um 20.15 Uhr auf NITRO.






Dance-Feeling der 70er Jahre im Pott