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Im Gespräch: Wolfgang Kusior, Weltbild

Mit seinen stationären Outlets, dem Onlineshop und natürlich dem Kataloggeschäft gehört Weltbild zu den Big Playern im Kaufhandel. DVD&VideoReport sprach mit Programmleiter Wolfgang Kusior über das Erfolgsrezept, Entwicklungen am Markt, DVD-Preisstrategien und das zunehmende Piraterieproblem.

klb24.04.2003 08:40
Wolfgang Kusior
Wolfgang Kusior

DVD&VideoReport: Weltbild wird, wie kürzlich bekannt gegeben, 200 Leute neu einstellen. Die Geschäfte laufen also blendend?

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Wolfgang Kusior: Richtig, die Geschäfte laufen in allen Bereichen blendend. Dies betrifft auch den stationären Bereich. Wir sehen zwar bei der VHS einen leichten Rückgang, jedoch nicht so dramatisch wie am Gesamtmarkt. Hier fängt der Mid-Order-Bereich sicherlich einiges auf. Außerdem bieten wir auch noch ein sehr breites VHS-Angebot von Titeln, die noch nicht auf DVD erhältlich sind. Und dementsprechend hoch ist hier die Nachfrage. Auch wenn der Anteil bei Weltbild plus und beim E-Commerce von DVD höher ist, erreichen wir über den Katalog noch immer unsere größte Zielgruppe.

D&V: Ist gerade die Verknüpfung von Multichannel-Retailing das Erfolgsrezept von Weltbild?

Kusior: Sicher sind wir durch verschiedene Absatzkanäle gut aufgestellt, wobei der klassische Katalog noch immer unser Schwerpunkt ist. Ein wichtiger Punkt: Wir fahren bei allen Vertriebsschienen identische Preise und treten mit einer einheitlichen Corporate Identity auf.

D&V: Ist für Weltbild bei Video der Backkatalog oder sind Neuheiten wichtiger? Familienorientiertes Programm

Kusior: Ich würde hier keine Gewichtung vornehmen. Beide Bereiche sind für uns zentral. Wir sind nicht, wie es früher immer dargestellt wurde, der Backprogrammvermarkter. Wie jedes moderne Handelsunternehmen sind auch wir ein Toptitelvermarkter. Aber wir setzen auch auf ein fundiertes Backprogramm. Wenn man nur die Titelzahl betrachtet, bieten wir ein ausgewähltes Programm, das aber alle Bereich abdeckt. Die Konzentration ist hier natürlich auf unsere Unternehmensphilosophie ausgerichtet, sprich die Kernzielgruppe Familie bzw. familienorientiertes Programm.

D&V: Mit "Harry Potter und die Kammer des Schreckens" wurde gerade der wichtigste Titel des Jahres für Family Entertainment veröffentlicht. Welche Preisstrategie fahren Sie hier?

Kusior: Wir bieten die DVD für 22,95 Euro und die VHS-Kassette für 14,95 Euro.

D&V: Sind das also die derzeit vorherrschenden Marktpreise für einen Toptitel? Und welche Preisentwicklung sehen für den DVD-Gesamtmarkt allgemein?

Kusior: Bei den DVD-Preisen gibt es bei Neuerscheinungen derzeit eine leichte Tendenz nach oben, die für uns mit Umsatzrückgängen verbunden ist, sobald man die Preisschiene 19,99 Euro überschreitet. Auf der anderen Seite orientiert sich der Markt beim Backprogramm immer stärker auf die Preisgruppe 9,99 Euro. Ich halte diese Entwicklung zu zwei Preisschienen von 9,99 Euro einerseits und über 22,99 Euro andererseits für verhängnisvoll. Dafür gibt es zwei Gründe: Beim Backprogramm wird ohne Differenzierung der Programme nur unter dem Aspekt von schneller Frequenz der Preis auf 9,99 Euro gesenkt. Die Folge ist, dass man nicht mehr über diese Preisschiene gehen kann. Andererseits führen Preisstellungen über 22,99 Euro zu einer deutlichen Kaufzurückhaltung und - für uns allerdings positiv - zu steigenden VHS-Anteilen. Wenn der Preisunterschied der beiden Trägermedien bei einer Neuheit zu weit auseinander geht, wird häufig wieder auf die VHS zurückgegriffen. Und das nicht nur bei Kinderprodukten, wie oftmals irrtümlicherweise unterstellt wird. Die Schere geht bei DVD zu weit auseinander, und es gibt zu wenig Differenzierung. Einen Aspekt muss man darüber hinaus berücksichtigen: wenn ich Verkaufspreise von 24,95 Euro für eine Neuheit feststelle und die Preise im Hardwarebereich bei 69 bzw. 79 Euro liegen, kann dies der Endverbraucher nicht mehr nachvollziehen.

D&V: Und bei VHS?

Kusior: Diese Problematik schlägt sich natürlich entsprechend auf VHS durch. Teilweise entwickeln sich hier Szenarien, die für den Gesamtmarkt katastrophal sind. Damit meine ich Ausverkaufspreise von 1,99 und 2,99 Euro, die dieses Medium total entwerten.

D&V: Wo sehen Sie hier einen Lösungsansatz?

Kusior: Preisdifferenzierung. Bei der DVD sollte jede Preisgruppe zwischen 12,99 und 19,99 Euro besetzt sein. Hier macht sich die Industrie meiner Ansicht nach zu wenig Gedanken, welche Wertigkeit ein Produkt aus der Sicht des Endverbrauchers hat. Wenn es ein Titel ist, den der Käufer nur einmal sehen will, muss eine andere Preisstrategie gefahren werden als bei Titeln, die sich der Filmfreund mehrmals ansieht. Diese verschiedenen Zwischengruppen fahren wir auch bei unserem Katalogprogramm.

D&V: Beim Thema Weltbild und Preise muss man natürlich noch eine Geschichte aus der Vergangenheit aufgreifen. Weltbild musste für den Preis von 14,99 Euro für "Der Herr der Ringe" jede Menge Kritik einstecken. War mit dem heutigen Wissen dieser Preis die richtige Strategie?

Kusior: Das muss man differenziert sehen. Ein leicht nach oben abweichender Preis wäre sicher der richtigere und vernünftigere Weg gewesen. Ohne ins Detail zu gehen, würde ich diese damalige Preisaktion als eine Art Notwehr bezeichnen. Im Gegensatz zu den anfänglichen Befürchtungen hat dieser Preis für den Gesamtmarkt aber sehr positive Aspekte gehabt. Denn nach dieser Aktion haben wir am Gesamtmarkt bei Topthemen endlich eine deutliche Preisstabilisierung erreicht. Insofern hat es sich auf jeden Fall gelohnt, und wir haben viel erreicht.

D&V: Können Sie dann die massive Kritik, die bis zur Einschaltung des Kartellamtes seitens der HAMM reichte, nachvollziehen?

Kusior: In dieser massiven Form konnte und kann ich die Kritik nicht nachvollziehen. Vor allem muss man berücksichtigen, dass es auch schon vorher diverse und zum Teil auch massive Preisaktionen verschiedener Mitbewerber gab - ohne hier Namen zu nennen. "Herr der Ringe" war natürlich das Thema des vergangenen Jahres, und daher schlugen die Wellen besonders hoch. Die Reaktion der HAMM halte ich durchaus für legitim.

D&V: Die Elektrofachmärkte, allen voran Media-Saturn, waren auch im vergangenen Jahr bei DVD mit weitem Abstand Marktführer. Wie kann Weltbild hier die Phalanx durchbrechen?

Kusior: Weltbild orientiert sich nicht primär an den Elektrofachmärkten. Mit unserem familienorientierten Programm erreichen wir eine andere Zielgruppe. Darüber hinaus gewichten wir beide Formate gleich und haben daher einen anderen Kundenstamm. Ich sehe diese Marktvorherrschaft der Elektrofachmärkte auch nicht so dramatisch. Als ein Beispiel nenne ich hier nur Amazon.de. Ich denke, es gibt genug verschiedene Wege, unsere Produkte an den Endverbraucher zu bringen. Und jeder soll sich auf seine Stärken konzentrieren. Mit dem Kataloggeschäft, den Weltbild-Plus-Läden und der Onlinebestellmöglichkeit decken wir verschiedene Vertriebswege ab. Ich bin mir sicher, dass VHS auf jeden Fall in den nächsten drei, vier Jahren ein wichtiger Bereich bleiben wird.

D&V: Bei DVD stellt sich noch eine andere Frage: Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach das Bonusmaterial für den Verkaufserfolg?

Kusior: Nach unseren Erfahrungen ist der Titel das entscheidende Verkaufskriterium. Wir haben auch versucht, eine Vanillaversion mit wenig Bonus und einem deutlichen Preisvorteil und daneben eine in puncto Bonusmaterial hochwertigere anzubieten. Das Ergebnis war eindeutig: Die günstigere Vanillaversion wurde deutlich mehr nachgefragt.

D&V: Inzwischen setzen ja auch viele Anbieter auf zwei DVD-Versionen. Ist dies also der richtige Ansatz?

Kusior: Auf jeden Fall ist das der richtige Ansatz. Diese Versionen sollten jedoch zeitgleich angeboten werden, da viele Endverbraucher ansonsten diese Strategie, durchaus berechtigt, als Abzocke betrachten. Wenn verschiedene Veröffentlichungszeiträume genutzt werden, sollten diese zumindest im Vorfeld angekündigt werden.

D&V: Sind für die Zielgruppe von Weltbild Sammelboxen und Special Extended Editions überhaupt interessant?

Kusior: Wir haben durchaus auch Käufer für diese Produkte und bieten im ersten Schritt diese speziell ausgestatteten Versionen auch an.

D&V: Beim Katalog haben Sie nur Platz für ein begrenztes Angebot. Sind diese Versionen also prädestiniert für das Onlinegeschäft?

Kusior: Sicherlich werden diese Produkte im Internet stärker nachgefragt als im Katalog. Aber unser Kerngeschäft ist der Katalog, und folglich müssen wir sie auch hier anbieten.

D&V: Welche Rolle spielen Exklusivdeals mit der Industrie oder Sonderaktionen für Weltbild?

Kusior: Für uns sind Sonderaktionen mit gewissen Add-ons zur DVD weniger interessant, da letztlich der Film nachgefragt wird. Wenn es um Exklusivität im weitesten Sinne geht, sieht die Sache freilich anders aus. Selbstverständlich haben wir ein Interesse daran, Produkte nur bei uns exklusiv zu vermarkten; dies ist aber sehr vom Titel und Thema anhängig. Zeitlich begrenzte Sonderaktionen nutzen natürlich auch wir bei beiden Formaten.

D&V: Nach welchen Kriterien gliedert sich der Katalog?

Kusior: Wir unterteilen hier in verschiedene Bereiche. Der erste Teil ist immer Aktualität auf einer großzügigen Darstellungsform. Beim aktuellen Katalog folgen dann Spezialseiten nur mit DVD. Dies können aber auch Preisangebote sein. Hinterher kommt meist eine Genreorientierung nach Action, Science-Fiction, Kino der Gefühle, deutscher Klassiker bzw. Wunschprogramm sowie Kindertitel. Im gesamten Katalog haben wir etwa 20 Seiten, im Herbstgeschäft natürlich deutlich mehr.

D&V: Welche Entwicklungen sehen Sie in naher Zukunft für den Gesamtmarkt im Allgemeinen?

Kusior: Ich befürchte, dass die Preis- und Programmpolitik der Industrie dazu führt, dass wir dieselbe Situation wie vor einigen Jahren bei der VHS erleben: eine schlechte Kaufintensität. Bei einer zu erwartenden Intensität von zwei bis drei DVDs pro Jahr wird sich der momentane Boom in Stagnation und Rückschritt verwandeln. Panikattacken mit Verkaufspreisen von 4,99 bis 9,49 Euro werden diese Entwicklung nicht aufhalten, sondern die Ertragslage des Handels weiter verschlechtern.

D&V: Wie negativ könnte sich das zunehmende Phänomen Piraterie für den Gesamtmarkt auswirken? Droht der Home-Entertainment-Branche ein ähnliches Schicksal wie der Musikindustrie? Piraterie bedroht nicht Gesamtmarkt

Kusior: Ich halte die Piraterie in Form der privaten Nutzung für absolut kein Problem. Die dramatisierende Darstellung in der Presse ist für mich eher schon eine Ausrede für die sinkende Kaufintensität. Es wird sicher von Freaks gebrannt und aus dem Internet heruntergeladen. Sobald der Film aber mit einer vernünftigen Ausstattung und einem realen Preis vorliegt, wird er gekauft. Es konnte zu jeder Zeit bei allen Formaten kopiert werden, und das wurde auch schon immer getan. Selbst wenn diese Kopien hochwertiger sind, ersetzen sie nicht das Original und bedrohen daher nicht den Kaufmarkt.

D&V: Nicht einmal die immer vielfältigeren Möglichkeiten für Piraten und die zunehmende Ausstattung mit DVD-Brennern machen Ihnen Sorgen?

Kusior: Wie viele Titel verkaufen wir hervorragend, obwohl Sie schon längst im Fernsehen im Free-TV liefen? Der Deutsche besitzt eine Sammlermentalität und will den Titel in einer schönen Form verfügbar haben und ins Regal stellen. Sicher wird ein geringer Teil des Geschäfts verloren gehen, eine Bedrohung für den Gesamtmarkt sehe ich aber auf gar keinen Fall.

D&V: Herr Kusior, vielen Dank für das Gespräch.

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