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VW: Wer sind die Gründungsunternehmen der MHE AG und welchen Personen bilden den Vorstand?


Frank Hartings: Die [Medien-House Entertainment AG](/company/medien-house-entertainment-ag) (MHE) haben die Video Aktuell GmbH, die EBE- Videothekenservice GmbH, die De Lo Ra Video GmbH und die DHS-Media Unterhaltungs-, Hard- und Software Verleih und Verkaufs GmbH gegründet. Alle vier Firmen sind ehemalige DVR-Kooperationspartner und halten Anteile an der AG. Der Vorstand der AG besteht aus Vorstandsvorsitzendem Jean-Cyril Neis, geschäftsführender Gesellschafter von Video Aktuell, sowie Heinrich Eidam (EBE), Walter Brand (DHS) Roland Deboy (DHS) und meiner Person (DHS). Den Aufsichtsrat bilden Herold Stegmann (DHS), Lothar Löw (De Lo Ra) und der Rechtsanwalt Michael Wengler.


VW: Werden den Vorstandsmitgliedern Aufgabengebiete zugewiesen?


Jean-Cyril Neis: Bereiche wie Finanzen und Filmeinkauf, der sich wiederum in die Bereiche Spielfilm-, Games- und DVD-Einkauf untergliedert, werden im Augenblick kanalisiert und den Vorständen zugewiesen.


VW: Ab wann wird die AG funktionsfähig sein?


JCN: Aufgrund der Kündigungsfrist endet die Mitgliedschaft im [DVR](/company/dvr-deutscher-video-ring) offiziell am 30. April 2001. Um den DVR vor keine logistischen Probleme bezüglich des Filmeinkaufs zu stellen, sind wir an einem ordentlichen Abschluss der DVR-Mitgliedschaft interessiert. Die normale Tagesarbeit wird voraussichtlich im März beginnen, damit die ersten Filme für April und Mai bestellt werden können.


VW: Warum haben Sie den DVR verlassen?


JCN: Als Gründungsmitglieder des DVR waren wir lange Zeit in strategische Planungen mit eingebunden. Es war sinnvoll, dass Entscheidungen auf Mitglieds- und Beiratsebene übertragen wurden. Zuletzt hatten wir das Gefühl, keine Heimat mehr im DVR zu haben, weil wichtige Entscheidungen nur noch von zwei Personen getroffen wurde. Wir hatten keinen Einfluss mehr auf die strategischen Planungen des DVR, beziehungsweise auf die Art und Weise, wie sie umgesetzt wurden.


VW: Mit den "zwei Personen" meinen sie DVR-Geschäftsführer [Karl Jorde](/person/karl-jorde) und Klaus Peter Weber?


JCN: Ja.


VW: Inwieweit haben die Vorgänge um Wolfgang Klenk Ihre Austrittsentscheidung beeinflusst?


JCN: Ich hatte in der Vergangenheit wenig mit Wolfgang Klenk zu tun, habe ihn jedoch als korrekten Geschäftsmann kennen gelernt. Allerdings stehe ich in der Pflicht, Schaden von meinen Geschäften abzuwenden und wir alle möchten nicht in einen Sog hineingerissen werden.


VW: Sie befürchten aufgrund der Berichterstattung in den Medien einen konkreten Imageverlust?


JCN: Ja. Es hat Vorfälle in unseren Videotheken gegeben, wo Kunden Filialleiter massiv bedrängt haben. Das ging so weit, dass Kunden gesagt haben: "Was seid ihr denn für Verbrecher?". Deswegen sehe ich die Fortführung des Namens Deutscher Video Ring als problematisch an. In der Vergangenheit habe ich immer wieder vermieden, gegenüber unseren Händlern Stellung zu beziehen. Jetzt bin ich an einem Punkt angelangt, an dem ich Rede und Antwort stehen muss.


FH: Trotz dieser Entwicklung wollen wir an dieser Stelle der Belegschaft des DVR einen Dank aussprechen, insbesondere [Andreas Gabb](/person/andreas-gabb), der immer ein sehr partnerschaftliches Verhältnis zu uns gepflegt hat. Wir haben jahrelang an einem Strang gezogen und es hat großen Spaß gemacht. Der DVR war immer ein kompetenter Ansprechpartner. Wir, die wir zum Teil seit 15 Jahren im DVR Mitglieder waren, sind auch sehr stolz auf das, was der DVR in der Vergangenheit geleistet hat. Umso mehr bedauern auch wir, dass jetzt jeder seiner eigenen Wege gehen muss.


VW: Ist der ehemalige DVR-Gesellschafter Karl-Dieter Kneupper an der MHE beteiligt?


JCN: Herr Kneupper ist weder direkt noch indirekt an der AG beteiligt. Es ist auch nicht geplant, ihn auf irgendeine Weise ins Boot zu holen. So weit mir bekannt ist, hat der DVR die Geschäftsbeziehung zu Kneupper, der noch Ware für seinen deutschen Geschäfte vom DVR bezogen hat, zum 30. April gekündigt.


VW: Warum haben Sie sich nicht einer bestehenden Gruppe angeschlossen?


JCN: Wir haben über diese Frage lange kontrovers diskutiert. Um aktiv am Marktgeschehen teilnehmen zu können und den Markt künftig zu formen, haben wir dann entschieden, eine eigene Gesellschaft zu gründen.


VW: Wieso haben Sie die Rechtsform Aktiengesellschaft gewählt?


FH: Eine AG ist zweckmäßig, um strategische Partner besser einbinden zu können. Bei anderen Rechtsformen wäre das nicht so. Als Aktiengesellschaft kann man einfacher gegenseitige Beteiligungen eingehen, sowohl Beteiligungen unsererseits bei anderen als auch umgekehrt. Als AG haben wir den größtmöglichen Handlungsspielraum. Kein Thema ist dagegen, zum jetzigen Zeitpunkt an die Börse zu gehen.


VW: Inwieweit steht Ihre Gruppe anderen Videothekenbetreibern offen? FH: Aufnahmen von anderen Händlern stehen wir sehr offen gegenüber, weil wir natürlich daran interessiert sind, dass unsere AG wächst. Händler können auf dem Weg einer Beteiligung an der AG zu uns kommen oder ganz normal über die MHE Ware bestellen, ohne an der AG beteiligt sein zu müssen. Voraussetzung dafür ist, dass keine gegenseitigen Marktberührungen bestehen und dass der jeweilige Partner nicht allzu klein ist: Er sollte eine interessante Umsatzgröße mitbringen, um für alle Mitglieder von Nutzen zu sein, damit wir ordentliche Stückzahlen erreichen, aber auch, um den Markt entscheidend beeinflussen zu können. Wir haben bereits Anfragen anderer Händler, die bei einer Mitgliedschaft den Filialbestand, der derzeit bei etwa 100 Videotheken liegt, deutlich anheben würde. Es gibt allerdings noch keine Entscheidungen.


VW: Sind auch weitere DVR-Partner willkommen?


JCN: Auch bisherige DVR-Partner sind herzlich willkommen, aber ich möchte ausdrücklich betonen, dass wir keine gezielten Abwerbungsversuche starten.


VW: Welche Art von Selbstverständnis hat die AG?


JCN: Primär verstehen wir uns als Dienstleistungsunternehmen für Videotheken, was sowohl die Warenbeschaffung betrifft, aber auch das Setzen neuer Impulse für den Markt. Wir wollen uns jedoch nicht nur als Einkaufsgemeinschaft definieren. Meine Erfahrung ist, dass ein Gruppenzusammenhalt nicht ausschließlich durch das gemeinsame Einkaufen entsteht. Ziel einer jeden Gruppe muss sein, strategische Maßnahmen umzusetzen. Ich schließe nicht aus, dass unsere Planungen beispielsweise in einem eigenen Lizenzgeschäft münden. Als Gruppe muss man auch Einfluss auf Branchenthemen jedweder Art nehmen, ich nenne nur die Problematik um Auswertungsfenster und -garantien.


VW: Welche Dienstleistungen können Sie ab April anbieten?


JCN: An erster Stelle ist hier der gesamte Spielfilmeinkauf mit dezentraler Belieferung und zentraler Fakturierung zu nennen. Auch im Spielebereich werden wir dezentral liefern können. Den Hardcorebereich decken wir über die MJP GmbH ab. Sobald unsere Strukturen stehen, werden wir die gesamte Palette rund um das Thema Film anbieten. Dass wir eine eigene Kundenzeitschrift und überregionale Marketingaktivitäten in Angriff nehmen werden, versteht sich von selbst. Langfristig wollen wir MHE als Markennamen etablieren, das bedeutet auch ein einheitliches Erscheinungsbild der Geschäfte. Ziel ist, einen einheitlichen Media House Entertainment-Store zu formen. Natürlich wird jeder Partner vorerst seinen eigenen Namen behalten und unser Logo als eine Art Dachlogo existieren. Die Gesellschafter sind jetzt gefordert, eine Umstellung schnellstmöglich vorzunehmen, obwohl wir wissen, dass das einige Zeit dauern wird. Die finanziellen Mittel dafür werden nicht unerheblich sein.


VW: Wie funktioniert die Kommunikation innerhalb der Gruppe?


JCN: Für die Tagesarbeit sind wir elektronisch so vernetzt, dass es nicht zwingend notwendig ist, die Aschaffenburger Zentrale regelmäßig zu besuchen. Auslieferungs- und Stammdaten sind auf diese Weise jederzeit abrufbar. Natürlich ersetzt das nicht die persönliche Kommunikation bei wichtigen Entscheidungen.


VW: Wer wird für den Spielfilmeinkauf zuständig sein?


FH: Für den Filmeinkauf wird Roland Deboy zuständig sein, der aufgrund seiner 18-jährigen Erfahrung in der Videobranche über eine große Kompetenz verfügt. Langfristig werden wir für diesen Bereich zusätzliches Fachpersonal einstellen.


VW: Wie beurteilt die Industrie Ihr Auftreten?


JCN: Wir sind so lange am Markt, dass uns jeder kennt, obwohl wir innerhalb des DVR nie besonders in Erscheinung getreten sind. Inzwischen sind wir bei der Industrie gelistet und man kennt dort unseren Bedarf. Insgesamt glauben wir, dass die Industrie uns begrüßt, weil sie kein Interesse daran haben dürfte, dass nur zwei große Einkaufsgruppen bestehen. Deswegen machen wir uns über mangelnde Unterstützung seitens der Industrie überhaupt keine Sorgen.


VW: In Ihrer ersten Pressemitteilung haben Sie erklärt, dass ein Ziel der AG Beteiligungen an anderen Unternehmen sein werden. Können Sie uns mehr dazu sagen?


JCN: Wie Sie wissen, ist die Medienbranche heutzutage ein sehr weites Feld. Jeder, der auch nur im entferntesten über ein Produkt verfügt, das wir in Videotheken vermarkten können, ist für uns potenziell interessant. Wir werden im Einzellfall darüber nachdenken, ob eine strategische Verbindung sinnvoll ist oder nicht. Jedenfalls sollte man bei dieser Frage branchenübergreifend denken.


FH: Unser größtes Potential sind unsere Kunden und deren Adressen. Für die Zukunft gilt es, dieses Kundenpotenzial als Argument für die Kooperation mit anderen Anbietern zu nutzen, die nicht unbedingt aus der Videobranche kommen müssen. Viele Unternehmen haben große Probleme, genügend Abonnenten oder Kunden zu bekommen. Daher lassen sich strategische Allianzen knüpfen, denn der Ausbau des Point-of-Sale ist ein wichtiger Punkt, um weitere Medienprodukte zu vermarkten. Dafür wollen wir positioniert sein. Fest steht, dass wir uns insbesondere neuen Medien - Stichworte sind Internet, E-Commerce, Video on Demand - nicht verschließen werden. Ich bin davon überzeugt, dass Videotheken auch in der Zukunft ihren Platz in der Medienwelt haben werden.


VW: Sie hätten auch keine eigene Gruppe gegründet, wenn Sie nicht an diesen Markt glauben würden?


JCN: Vor einem Jahr waren alle sehr pessimistisch, was das Thema Internet betraf. Das ändert sich allmählich. Ich bin überzeugt, dass die Leihbranche mindestens die nächsten zehn bis 15 Jahre Bestand haben wird, wenn auch in anderer Form. Bevor keine brauchbaren Hardware-Lösungen vorhanden sind, die einen Film vom Computer, beziehungsweise dem Internet, oder anderen Datenträger auf den Fernsehbildschirm transportieren, wird eine Branche, deren wichtigstes Geschäftsfeld das Ausleihen diverser Medien ist, funktionieren.


VW: Sind Sie als Gruppe bereit, sich mit anderen Marktteilnehmern an einen Tisch zu setzten, um übergeordnete Themen zu besprechen?


JCN: Selbstverständlich, ansonsten könnten wir uns nicht auf die Fahnen schreiben, dass wir den Markt strategisch formen wollen. Sollte beispielsweise das Thema Sonntagsöffnung in einem Bundesland auf der Tagesordnung stehen, in dem wir vertreten sind, wären wir sofort bei der Sache.

Im Gespräch: Jean-Cyril Neis und Frank Hartings, MHE