Blickpunkt:Film

Verleih

VideoWoche: In München werden mehr als 50 Automatenvideotheken hauptsächlich von [Cinebanken](/company/videoverleihsysteme-cinebank) betrieben. Wie hat diese Entwicklung die Münchner Videothekenszene verändert?


Talat Aktas: Es gab in München in den letzten Jahren ein relativ homogene Struktur: [monte video](/company/monte24) und [World of Video](/company/world-of-video-zentrale) als marktführende Ketten, und Läden die der [emp](/company/emp-entertainment-medien-partner) zuzurechnen sind, sowie natürlich einige unabhängige Videotheken. Von einzelnen Ausnahmefällen abgesehen, hat nach dem Verschwinden der US-Kette Blockbuster, die hier neben Berlin einige Standorte hatte, das Miteinander gut funktioniert. Jeder hatte sein Gebiet abgesteckt und man kam sich nicht in die Quere. Die bestehenden Videotheken hatten das vorhandene Potenzial im wesentlichen ausgeschöpft. Diese Struktur hat sich in den letzten Monaten dramatisch gewandelt: Übertrieben gesagt, sind jetzt an fast jeder Ecke Automatenbetriebe zu finden. Das erzeugt einen ruinösen und aggressiven Wettbewerb an dem nur einer gewinnen kann, der Hersteller und Vertreiber der Automaten. Der Videothekar und die Betreiber der Automaten werden sozusagen in den Kampf geschickt. Bestes Beispiel die World-of-Video-Filiale in Unterschleißheim, die in einer Entfernung von 500 Metern einen Cinebank-Automaten als unerwünschten Nachbarn begrüßen durfte. Die World-of-Video-Filiale, die als Mitbewerber noch monte video im Ort hat, reagiert natürlich sehr aggressiv mit Zeitungswerbung, Flyern und einem Preiskampf von 0,49 Euro. Der Automatenbetreiber, beziehungsweise Existenzgründer hat natürlich nicht mit dieser Reaktion gerechnet, welche für uns selbstverständlich ist. Ich hoffe, dass dies nicht flächendeckend auf andere Gebiete übertragen wird. Hier lobe ich die Standortpolitik von [Videostore](/company/videostore-entertainment), die ihren Existenzgründern davon abrät, sich in der Nähe von bestehenden Videotheken zu setzen.


VW: Das hört sich nach Besitzstandswahrung an, so nach dem Motto: "Wie waren schon immer hier, und jetzt darf kein anderer …"


TA: Mich stört nicht, dass in München überhaupt Automatenläden eröffnet werden, sondern dass sie häufig in unmittelbarer Nähe, teilweise ein Hausblock nebenan bei bereits bestehenden Videotheken, ihren Standort aufgemacht haben. Jeder vernünftige Geschäftsmann, der sich ein bisschen mit Standortpolitik beschäftigt hat, weiß, dass jede Videothek ein gewisses Einzugsgebiet mit einer entsprechenden Anzahl an Einwohnern benötigt, um existieren zu können. Wenn zehn Meter neben einer normalen Ladenvideothek ein Automatengeschäft aufmacht - wie auf der Münchner Leopold-, Eintracht, Plinganser-, Lindwurm und Thalkirchner Straße geschehen -, kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Was soll das? Das sind extreme Fälle, aber ich könnte noch viele Beispiele für eine völlig unsinnige Standortpolitik seitens der Automatenbetreiber nennen. Ich kenne sogar Gebiete, wo mehrere Automatenläden alt eingesessene Videotheken quasi in die Zange genommen haben. Die Abstände betragen oft nur wenige Hundert Meter. Das ist nicht gesunder Wettbewerb, sondern ein klassischer Fall von Verdrängungswettbewerb. Übrigens werden neue Automatenläden, die diese Art von Standortpolitik betreiben, nicht von der Filmförderungsanstalt gefördert. Zu recht, wie ich finde.


VW: Die von Ihnen genannte Videothek auf der Leopoldstraße hat zugemacht. Wegen des Automatengeschäfts?


TA: Ich kannte weder den Betreiber, noch kann ich beurteilen, ob diese Videothek professionell geführt wurde. Ich werde also nicht die Schlagzeile liefern: "Automat treibt Videothek in die Pleite!". Natürlich schließen auch Videotheken, ohne dass ein Automat in der Nähe war. Aber man kann sich zumindest vorstellen, dass der Automat in zehn Meter Entfernung das Überleben der Videothek nicht einfacher gemacht hat.


VW: Sie sind selbst Inhaber einer monte-Filiale in München. Können Sie zumindest Umsatzrückgänge aufgrund von Automatenbetrieben feststellen?


TA: Auch das wäre eine unredliche Feststellung. Es gibt einfach zu viele Faktoren, die Monat für Monat darauf Einfluss nehmen, ob man mit einem Plus oder Minus abschließt. Jedenfalls finde ich es unsittlich, aggressiv und sehr überheblich, wenn vor meinem eigenen Geschäft Handzettel für einen neuen Automatenbetrieb verteilt werden. So nach dem Motto: "Jetzt lernst du mich kennen!" Dies ist keine feine Art und nicht in Ordnung. Ich fahre auch noch nicht jeden Sonntag durch München, um Kunden in Automatenvideotheken zu finden, zu fotografieren und beim Ordnungsamt eine Anzeige wegen Verstoßes gegen das Sonn- und Feiertaggesetz zu erstatten.



VW: Nun könnten die Automatenvertreiber einwenden, dass Sie und ihre Kollegen das Automatengeschäft nicht selbst in die Hand genommen haben, um diese Konkurrenzsituation gar nicht erst entstehen zu lassen...


TA: Da kommen wir zum Kern der Sache. Wir hätten schon längst Automaten in unsere monte-Filialen integriert, wenn die Rechtslage eindeutig wäre. Es war von Anfang an klar, dass eine Sonn- und Feiertagsöffnung problematisch werden würde. Jetzt hat, wie wir alle wissen, das Bayerische Innenministerium anweisen lassen, dass Automatenbetriebe sonn- und feiertags nicht mehr öffnen dürfen. Wir tragen für unsere monte-Geschäfte und die Angestellten die darin arbeiten, Verantwortung. Automaten in alle Filialen zu integrieren, wäre wirtschaftlich unverantwortlich. Aus diesem Grund würde ich mir auch nicht vorwerfen lassen, wir hätten irgendeine Entwicklung verschlafen. Ich weiß, dass es Vertreter von Automatenvertrieben gibt, die sagen, dass wir Stammvideothekare nicht genug vorausgeschaut haben, um zu erkennen, dass Automaten eine interessante Dienstleistung sein können. Das ist eine verquere Logik. Ich kann nicht viel Geld in etwas investieren, ohne zu wissen, ob es überhaupt legal ist. Sollte es juristisch möglich sein, sonn- und feiertags zu verleihen, würden wir uns sofort wieder mit diesem Thema beschäftigen. Wir haben schon Angebote von seriösen Automatenherstellern für unsere Läden erstellen lassen, die es uns erlauben, falls sich die Rechtssprechung ändern sollte, innerhalb von vier bis sechs Wochen zwei Drittel unserer Läden mit einem Automaten zu bestücken.


VW: Und wie schätzen Sie den strategischen Nachteil ein, dass Ihre Geschäfte nicht 24 Stunden am Tag geöffnet sind?


TA: Das war nie der Knackpunkt. Die Nachtöffnung der Automaten schmerzt uns nicht, da viele Videotheken um 24 Uhr beziehungsweise ein Uhr nachts erst schließen. Es geht nur um die Sonntagsöffnung. Das ist der strategische Nachteil, den wir nicht zulassen können, und der natürlich aus der aggressiven Standortpolitik resultiert. Die Nachtöffnung hat generell zwei Seiten: Den Umsatz, der zwischen 24 Uhr und zehn in der Früh erzielt werden kann, halte ich nicht für besonders gravierend. Auch von daher wäre die Anschaffung in wirtschaftlicher Hinsicht zu überprüfen. Wahr ist aber auch, dass in dieser Zeit Kundenschichten erreicht werden, die herkömmliche Videotheken nur wenig nutzen. Für mich steht außer Frage, dass der Automat als Instrument der Kundenbindung auch seine Vorteile hat.


VW: Also kein Plädoyer gegen Automaten an sich...


TA: Auf gar keinen Fall. Ein Automat in zwei Kilometer Entfernung wäre für den jeweiligen Stadtteilbereich eine Bereicherung und würde bei mir nicht einmal ein Schulterzucken auslösen. Die Pläne für eine Kombination von Videothek und Automat liegen bereits in der Schublade und sind prinzipiell schon unter Dach und Fach. Um es klipp und klar zu sagen: Ich sehe sehr genau die Vorteile des automatischen Ausleihens. Zum Beispiel für Frauen, die sich niemals in einer Videothek einen Erotikfilm ausleihen würden und die Anonymität eines Automaten zu schätzen wissen. Ich bin aber auch der Meinung, dass traditionelle Videotheken niemals von Automatenvideotheken mehr oder weniger komplett ersetzt werden können. Automaten leisten keine Beratung und keine Betreuung. Insofern betrachte ich Automaten als eine ergänzende Dienstleistung. Nicht mehr und nicht weniger.


VW: Wie wird es in München konkret weitergehen?


TA: Ich gehe davon aus, dass die Automatenbetreiber, solange es diese Rechtssprechung gibt, ihre Geschäfte an Sonn- und Feiertagen schließen müssen. Dies wird natürlich speziell von den Videotheken, die fast im gleichen Haus einen Automaten haben, kontrolliert und geahndet. Dabei sehe ich eine Gruppe als die Hauptverlierer: Das sind die Existenzgründer, denen man vorgegaukelt hat, sie würden ein Riesengeschäft machen, indem sie ihren Standort in der Nähe von bestehenden Videotheken eröffnen. Ohne die Sonn- und Feiertagsöffnung werden sie enorme Probleme bekommen. So weit hätte es nicht kommen müssen, wenn sie nicht so aggressiv vorgegangen wären. Unverständlich ist mir auch, dass sich Automatenbetriebe sogar gegenseitig Konkurrenz machen, indem sie in unmittelbarer Nähe Standorte besetzt haben: Zum Beispiel in Sendling, wo es in einem Umkreis von zwei Kilometern vier Automaten und drei Videotheken gibt. Das macht alles unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten keinen Sinn. Es gibt Ketten und Gruppen, die diesen Wettbewerb aufgrund ihrer jahrelangen Erfahrung und gesunden Einschätzung des Verleihmarkts durchstehen. Auch andere wirtschaftlich gesunde Videotheken, die das katastrophale Jahr 2003 überlebt haben, werden ihren Standort verteidigen können. Die Existenzgründer dagegen verfügen nicht über das Kapital, um den Wettbewerb, den sie selbst angezettelt haben, zu überstehen. Allein gelassen werden sie auch von den Automatenherstellern, die die Frage nach der Sonn- und Feiertagsöffnung - " Darf ich aufmachen?" - nicht beantworten können. Und sollten wir tatsächlich irgendwann selbst Automaten installieren, würden die Betreiber erst recht in eine schwierige Lage geraten.

Talat Aktas, monte video, zu Automatenbetrieben in München