Blickpunkt:Film

Blickpunkt:Film: Im Film bricht eine Rattenplage über Frankfurt herein, beim Dreh in Tschechien standen Ihnen jedoch "nur" ca. 800 Ratten zur Verfügung. Wie schwierig war es, daraus Hunderttausende zu machen?


Jörg Lühdorff: Die Postproduktion war sehr aufwändig. Was bei "[Jurassic Park](/movie/jurassic-park)" noch eine Sensation war, ist zwar heute für das Fernsehen machbar und sogar erschwinglich. Es kostet jedoch noch immer viel Zeit - zumindest im eng gestecken Rahmen des normalen Fernsehbetriebs. Die Postproduktion hat etwa sechs Monate in Anspruch genommen und ein Achtel des Budgets gekostet.


BF: Was war die größte Herausforderung?


JL: Die Ratten zu vervielfältigen, also das Compositing, und außerdem die eigentlich putzigen Ratten fies aussehen zu lassen. Die Köpfe mussten komplett im Computer animiert werden. Es gibt auch noch keine fertigen Programme, mit denen man Fellstrukturen im Computer erschaffen kann. Das heißt, vorhandene Programme mussten weiterentwickelt werden. Das bedeutete für uns, dass die [SZM Studios](/company/prosiebensat1-produktion) vor Drehbeginn nicht sagen konnten, ob sie es tatsächlich schaffen würden. Aber sie haben mit Pablo Bach als Zuständigem für Animation-VFX eine große technische Leistung erbracht.


BF: Welchen Einfluss hatte der Einsatz digitaler Effekte während der Dreharbeiten?


JL: Der Schwierigkeitsgrad wurde dadurch erhöht. Wir hatten die ganze Zeit Experten von SZM vor Ort, um jede Szene mit visuellen Effekten zu planen. Jede einzelne Kameraeinstellung musste genau durchgesprochen werden. Wir mussten schon vorher den Schnitt festlegen und so z.B. eine Szene drehen, in der eine Ratte faucht, ohne dass sie wirklich fauchte. Dieses Arbeiten mit unfertigen Elementen war eine zusätzliche Herausforderung, weil sich alle Beteiligten vorstellen mussten, wie es aussehen könnte.


BF: Sie mussten also Ratten inszenieren, die gar nicht da waren?


JL: Ja. Das war auch während des Drehs mit den Schauspielern schon die Schwierigkeit. Wir haben mit zwei Teams gedreht: Die A-Unit arbeitete mit den Schauspielern, die B-Unit mit den Ratten. Wir hatten einen Zwei-Schichten-Betrieb.


BF: War auch die organisatorische Arbeit mit den Ratten kompliziert?


JL: Ja. Es waren sehr viel Papierkram und tierärztliche Gutachten nötig, um die Ratten ein- und ausführen zu dürfen. Es durften auch nur genauso viele aus- wie eingeführt werden. D.h. abends wurden die Ratten durchgezählt und wir waren erleichtert, dass alle wieder da waren.


BF: Jetzt drehen Sie gerade wieder eine Art Katastrophenfilm: "[Der Wannsee-Mörder (AT)](/movie/der-wannsee-moerder)", eine Produktion der Stream Films AG im Auftrag von [SAT.1](/company/sat1-satellitenfernsehen).


JL: Das ist kein Katastrophenfilm, sondern ein klassischer Thriller und vom Aufwand her nicht vergleichbar. Und das, obwohl wir unter, über und auf dem Wasser drehen.


Ein Achtel des Budgets für die Postproduktion


BF: Was hat Sie daran gereizt?


JL: Die Produzenten [Martin Ganz](/person/martin-ganz) und [Robert Stiemerling](/person/robert-stiemerling) - beide waren früher bei SAT.1 für internationale Koproduktionen zuständig, "Der Wannsee-Mörder" ist das erste Projekt ihrer neuen Firma - haben mir das sehr gute Drehbuch von [Tim Krause](/person/tim-krause) angeboten. Mich hat das Genre gereizt. Der Film weist Parallelen zum Slasher-Genre auf, hat aber eine psychologische Ebene, die es ermöglicht, die Figuren ernster zu nehmen als sonst üblich.


BF: Warum drehen Sie in Tschechien und nicht am Wannsee?


JL: In Tschechien kann ich den gesamten Dreh deutlich besser kontrollieren, kann mehr Aufwand betreiben. Eine zentrale Location ist für uns der Segelclub am See. Wir haben uns viele deutsche Clubs angesehen, sie entsprachen aber nicht meiner Vorstellung.


BF: Was kommt danach?


JL: Ich plane ein Projekt für den Winter. Die [Ziegler](/company/ziegler-film)-Produktion "Vom Ende der Eiszeit" im Auftrag des [NDR](/company/norddeutscher-rundfunk-ndr) wird wahrscheinlich in Litauen gedreht. Das wird auch nicht ganz einfach, bei minus 20 Grad, ist aber eine sehr spannende Geschichte.


BF: Ein schlichtes Kammerspiel wäre Ihnen wohl zu langweilig?


JL: Im Gegenteil. Mir macht der technische Aufwand Spaß, aber mindestens genauso schwierig ist es, Figuren gut zu zeichnen. Ich wünschte, es käme eine Geschichte, bei der ich sage, da reichen ein Raum und zwei Schauspieler, und es ist spannend.

Regisseur Jörg Lühdorff zu "Ratten" auf Pro Sieben