Blickpunkt:Film

Blickpunkt:Film: Was sind die wesentlichen Programmtrends im deutschen TV für 2001?

Jan Mojto: Ich sehe zwei Trends: Zum einen konzentrieren sich die Sender neben deutschen Serien und Movies verstärkt auf qualitativ besonders hochwertige Formate. Ein Beispiel dafür ist "Der Tunnel", eine komplett deutsche Produktion, die im Januar auf [SAT.1](/company/sat1-satellitenfernsehen) läuft. Der Vierteiler "Les Misérables" mit Veronica Ferres, Gérard Depardieu und [John Malkovich](/person/john-malkovich), der ebenfalls im Januar auf Sat 1 läuft, ist wiederum eine große internationale Produktion. Auch der Zweiteiler "[Die Kreuzritter](/tvshow/die-kreuzritter)" mit Armin Mueller-Stahl und Uwe Ochsenknecht, der zurzeit in der marokkanischen Wüste gedreht wird, hat internationales Vermarktungspotenzial. Zum anderen sehe ich einen verstärkten Trend hin zu günstigen Formaten: Neben Shows - in diesem Bereich haben wir uns auch schon in der Vergangenheit betätigt - sind es Reality-Soaps, die wir in Zukunft innerhalb neu geschaffener Strukturen bei Kirch Media selbst produzieren. Ein erster Schritt ist "Taxi Orange". Das Format, das Kirch Media international vertreibt, wird in Deutschland voraussichtlich auf Sat 1 ausgestrahlt.

BF: Welche Rolle soll ab dem kommenden Jahr die Entertainment-Produktion bei Kirch Media spielen?

JM: Gut gemachte und günstig produzierte Entertainment-Formate sind heute wichtige Inhalte nicht nur fürs Fernsehen, sondern auch fürs Internet. Wir werden bei Kirch Media Show-formate produzieren und breit gefächert Unterhaltungsformate entwickeln. Ich möchte die Situation mit dem Einstieg der Kirch-Gruppe in den Sportrechtehandel vergleichen. Auch hier hat sich die Kirch-Gruppe, die bis dahin hauptsächlich im Fiction-Bereich aktiv war, in einem viel versprechenden neuen Inhalte-Markt konsequent engagiert. Heute gehören die Sportrechte mit ihren zahlreichen Verwertungsmöglichkeiten zu einem wichtigen Standbein von Kirch Media. Eine ähnliche Entwicklung erwarte ich im Bereich der Unterhaltungsformate.

BF: Wird sich die Entertainment-Produktion auf die eigene Senderfamilie beschränken?

JM: Nein. Wir liefern Programme an alle. Wichtig ist, dass wir die Projekte entwickeln, von denen wir überzeugt sind, dass sie im Markt Erfolg haben. Damit uns das gelingt, müssen wir eng mit unseren Kunden, die Senderfamilie ist einer davon, zusammenarbeiten und deren Wün-sche genau kennen. Kirch Media wird künftig nicht nur ein reiner Rechtehändler sein, sondern als Dienstleister immer mehr Servicefunktionen übernehmen; für die [ProSiebenSAT.1](/company/prosiebensat1-media-se) -Familie, aber auch für andere.

BF: Wo liegen die Schwerpunkte im Fiction-Bereich?

JM: Es werden große Geschichten sein, die die Kirch Media für den nationalen und internationalen Markt produziert oder koproduziert. Das heutige Bedürfnis nach großen Stoffen, teilweise historischen, ist die Reaktion auf zu viele, ähnliche Programme im fiktionalen Bereich. Hinzu kommt aber, dass auch Schauspieler - neben den Stoffen der entscheidende Faktor für den Erfolg einer fiktionalen Produktion - Lust haben auf solche Programme, das heißt, auch in einem Kostümfilm oder in einem aufwändig gemachten Mehrteiler zu spielen. Durch populäre Besetzung werden diese Filme - durch den Titel bereits zugkräftig - für den Zuschauer noch interessanter. Um einige Beispiele zu nennen: "[Dune](/tvshow/dune-der-wuestenplanet-3-teile)", nach dem Erfolgsroman von [Frank Herbert](/person/frank-herbert) mit [Uwe Ochsenknecht](/person/uwe-ochsenknecht), "[Les misérables](/tvshow/les-miserables-gefangene-des-schicksals)", eine Adaptation des Romans von [Victor Hugo](/person/victor-hugo) mit [Veronica Ferres](/person/veronica-ferres), oder die aufwändige Verfilmung der Bibel mit [Johannes Brandrup](/person/johannes-brandrup) als Apostel Paulus. Alles dies sind Titel, die in fast allen europäischen Ländern und teilweise auch in Amerika ausgestrahlt werden. Die Schauspieler, die man bis dahin nur in Deutschland kannte, werden auch international bekannt und bekommen so ein breites Betätigungsfeld. [Tobias Moretti](/person/tobias-moretti) z.B. - durch "Kommissar Rex" in vielen Ländern bekannt - bekommt heute Angebote aus allen europäischen Ländern. Ähnlich ist es bei [Katharina Böhm](/person/katharina-boehm), [Armin Mueller-Stahl](/person/armin-mueller-stahl) und einigen anderen. Nächstes Jahr beginnen wir mit der auf vier Jahre ausgelegten Produktion "Imperium". Sie wird in zwölf Teilen von großen Ereignissen, Figuren und Schicksalen aus dem alten Rom erzählen, aus einer Welt vor 2000 Jahren zwar, die der unseren aber gar nicht so unähnlich war. Neue Projekte stehen auch mit [Gérard Depardieu](/person/gerard-depardieu) an, mit dem wir u.a. den "Glöckner von Notre Dame" drehen werden; wir bereiten einen Vierteiler über Napoleon und eine Neuverfilmung des Klassikers "Sturmhöhe" vor. Im Kinobereich werden wir die Zusammenarbeit mit US-amerikanischen Produktionsunternehmen verstärken: Am 3. November startet "[The Legend of Bagger Vance](/movie/die-legende-von-bagger-vance)" in den amerikanischen Kinos, ein Film mit [Will Smith](/person/will-smith) und [Matt Damon](/person/matt-damon), an dem wir maßgeblich beteiligt sind. Mit Antonio Banderas und Angelina Jolie produzieren wir den Film "Original Sin".

BF: Wie hoch sind die Investitionen in Emotion und Evision?

JM: Bei Emotion, also im Bereich der internationalen Kinoproduktion, beteiligt sich die KirchMedia in den kommenden drei Jahren an rund 30 großen amerikanischen Filmen. Unsere Investitionen betragen dabei rund eine halbe Mrd. US-Dollar bei einem Gesamt-Produktionsbudget von ca. 1,5 Mrd. US-Dollar. Momentan drehen wir die Action-Komödie "Bandits" mit [Bruce Willis](/person/bruce-willis) in der Hauptrolle. Im Bereich der internationalen Fernsehproduktion, also in Evision, beträgt das Gesamtvolumen der Investitionen, an denen wir uns beteiligen, bis Ende 2000 rund 80 Mio. Euro. Für die Jahre 2001 bis 2004 beteiligen wir uns an Produktionen mit einem Gesamtvolumen von rund 130 Mio. Euro, dabei sind z.B. rund 47 Mio. Euro für die schon erwähnte Reihe "Imperium" geplant.

BF: Wie waren Sie bei der Mipcom mit der Resonanz zufrieden?

JM: Die Mipcom war bezogen auf das Käuferinteresse die erfolgreichste Messe, die unsere internationale Vertriebstochter Beta je hatte. Wir haben gesehen, dass auch rein deutsche Produktionen mit deutscher Besetzung und deutschem Regisseur international erfolgreich sein können, wenn sie gut gemacht sind. "[Der Tunnel](/tvshow/der-tunnel_b)" wird auf jeden Fall in Spanien und Italien zu sehen sein, in unseren wichtigsten Märkten also, auf zwei großen Sendern. Weitere Länder haben großes Interesse gezeigt, z.B. Frankreich, Japan und verschiedene osteuropäische Länder. Aber auch die neuen Folgen von "Kommissar Rex" oder "Helicops" waren wieder gefragt, neues Interesse gibt es aus Brasilien, Panama, Griechenland und Russland.

BF: Welche Chancen haben kleine Sender, sich noch in der deutschen TV-Landschaft mit zwei großen Familien zu etablieren?

JM: Die Chancen sind sehr gering, wenn sie allein stehen und ein weiteres Vollprogramm bieten wollen. Es ist sicher noch Platz für Spartenkanäle. Wie viel Anlaufzeit sie brauchen, wage ich nicht abzuschätzen. Ich würde allerdings nicht von zwei, sondern von vier großen Playern in Deutschland sprechen. Sie dürfen die Öffentlich-Rechtlichen in Anbetracht ihrer Marktanteile und ihre Finanzausstattung hier nicht vergessen. Neuen Inhalteanbietern, die nur im klassischen Fernsehmarkt aktiv werden wollen, setzen zudem die knappen Übertragungskapazitäten zurzeit noch fast natürliche Grenzen. Ich glaube, künftig haben die Inhalteanbieter Erfolg, die ihre Inhalte auf möglichst vielen Verteilwegen effektiv auswerten können. Das klassische Fernsehen ist da ein Medium von vielen. Neue Verteilwege wie breitbandige Kabel und UMTS entwickeln sich rasch, neue Wettbewerber wie Telekommunikations- und IT-Unternehmen sind im Markt bereits heute aktiv. Die Chancen neuer Anbieter hängen dabei nicht nur von ARD, ZDF, Bertelsmann und Kirch-Gruppe ab.

BF: Welche Bedeutung hat das Pay-TV bei der künftigen Marktentwicklung?

JM: Das Pay-TV ist neben Kino, Video, Free-TV und Internet ei-ne wichtige Verwertungsstufe für Filme und Sport. Für diesen Markt gilt das eben Gesagte: Nur wer Inhalte auf möglichst vielen Verteilwegen und Verwertungsstufen auswerten kann, wird langfristig als Medienunternehmen erfolgreich sein. Die Kirch-Gruppe hat daher das Pay-TV stetsals einen logischen und unerlässlichen Teil ihrer umfassenden Inhalteauswertung verstanden. Daran wird sich auch in den nächsten Jahren nichts ändern. Darüber hinaus wird die Kirch-Gruppe zusätzlich konsequent in neue, komplementäre Medienmärkte investieren.

Jan Mojto über neue Kirch-Programmstrategien