Blickpunkt:Film

In der Culture-Clash-Komödie [„She Said Maybe“](/movie/she-said-yes) erfährt die in Deutschland aufgewachsene Mavi, dass sie Teil einer türkischen Familiendynastie ist. Im Interview spricht Drehbuchautorin [Ipek Zübert](/person/ipek-zuebert) darüber, was den Film, der am 19. September bei [Netflix](/company/netflix) startet, so persönlich für sie macht.

**Sie haben selbst türkische Wurzeln – wie persönlich war „She Said Maybe“ für Sie?**

**Ipek Zübert:** Ich bin Berlinerin, aber meine Eltern kommen beide aus unterschiedlichen Orten in der Türkei. Der Film ist wahnsinnig persönlich für mich: In meinem ersten Gespräch mit Sasha Bühler und Ramona Raabe war die Geschichte meiner Mutter die Inspiration, die als 18-Jährige aus einer wohlhabenden Familie in der Türkei als Gastarbeiterin nach Berlin kam. Diese Erfahrung von zwei Welten und Identitäten sind sehr persönlich. Das war sozusagen der Keim der Geschichte.

**Aber sie wollten keine autobiographische Geschichte erzählen, oder?**

**Ipek Zübert:** Nein. Was ich ganz großartig finde: Der Film erzählt zwar eine Familiengeschichte, aber auch eine wahnsinnig romantische Geschichte. Es ist die Story einer Frau, die sich selbst noch mal neu findet. Das sind Aspekte, die so viel Freude machen; ich glaube, das hat viel mehr Spaß gemacht, als die Geschichte meiner Mutter zu erzählen *(lacht)*. So hatte ich die Möglichkeit, zu erzählen, was mich, Menschen meiner Generation und Personen mit aber auch ohne Migrationshintergrund beschäftigt. In unterschiedlichen Phasen des Lebens gibt es ganz verschiedene Fragen, die man sich stellt. Und wenn man dann noch an einem Ort ist, wo man plötzlich ganz neue Dinge über sich selbst erfährt, ist das natürlich toll.

![„She Said Maybe“ (Credit: Netflix)](https://s3.eu-central-1.amazonaws.com/zone.busch.store.image/397a0f31-9767-4fa0-9178-dfa9832e8b9d.jpg)

**Passend dazu zeigen Sie auch drei Generationen im Film: die Hauptfigur, ihre Mutter und ihre Großmutter.**

**Ipek Zübert:** Genau, in allen Projekten von mir, bilde ich immer ab, was ich gerade als wichtig empfinde. Und das sind in diesem Fall Generationen, Zugehörigkeit, Identität. Wie kommen diese Generationen zusammen? Was für Missverständnisse und Geschichten gibt es? Welche Wege können wir gehen, um uns näherzukommen? Für diese Fragen waren die verschiedenen Frauen perfekt: Jede von ihnen meint, dass sie alles richtig macht. Aber dann kommen sie zusammen und merken, dass ihr Weg vielleicht nicht der einzig mögliche bzw. richtige ist.

**Sie haben in der Vergangenheit gesagt, dass Frauenfiguren oft sehr einseitig dargestellt werden. Was war Ihnen bei „She Said Maybe“ diesbezüglich besonders wichtig?**

**Ipek Zübert:** Die Vielschichtigkeit jeder Persönlichkeit. Oft sieht man eine Person und denkt, man weiß genau, wie sie tickt. Im Laufe des Films erfährt man aber, dass bei den einzelnen Charakteren so viele Dinge dazu geführt haben, dass sie sich auf eine bestimmte Art entwickelt haben. Wenn man Mavi sieht, denkt man vielleicht, ihr Leben ist so perfekt – aber das heißt eben nicht, dass sie nicht auch Konflikte kennt. Wie sie Konflikte löst oder an Situationen herangeht, zeigt, dass sie eine unglaublich starke Frau ist, die man am Anfang unterschätzt. Es macht so viel Spaß ihr dabei zuzusehen und auch seine eigenen Vorurteile zu hinterfragen.

**Und die Zuschauenden lernen auch ganz andere Aspekte der Türkei kennen.**

**Ipek Zübert:** Darüber freue ich mich sehr: Der Film entführt uns in eine Welt, die viele so vielleicht gar nicht kennen. Wer weiß schon, dass die Türkei auch diese sehr glamouröse Seite hat? Wir haben also nicht nur die Frauen anders erzählt, sondern laden auch in eine neue Welt ein, mit der wir die Zuschauer überraschen.

![Beritan Balcı und Meral Perin in „She Said Maybe“ (Credit: Netflix](https://s3.eu-central-1.amazonaws.com/zone.busch.store.image/af5aab95-5dc1-42e5-9a76-94105a589370.jpg)

**Auf der anderen Seite zeigen Sie im Film aber nicht nur die reiche Familie, sondern auch ein sehr einfaches Dorf.**

**Ipek Zübert:** Absolut, aber diese Geschichte gibt es genauso auch in Deutschland. Hier gibt es auch Menschen, die aus kleinen Orten kommen und dann in die Großstadt ziehen. Ich fand es aber fantastisch, dass wir das, was es wirklich gibt – zum Beispiel auch dieses Dorf – in unserem Film zeigen konnten. Die Bewohner haben ihren eigenen Blick auf die Menschen aus der Stadt. Ich habe zum Beispiel in der Türkei eine Nachbarin, die denkt, ich könnte gar nicht kochen, weil ich Städterin bin. Das heißt also, ich persönlich kenne beide Welten und hatte das Glück, sie hier endlich erzählen zu können.

**Culture Clash-Komödien spielen viel mit Klischees – wie hält man die Balance zwischen Klischees und Realität?**

**Ipek Zübert:** Ich finde, besonders schön ist es, wenn man mit Klischees spielt, um sie dann zu brechen. Man hat oft ein bestimmtes Bild von einer Figur oder einer Kultur und es war eine schöne Herausforderung, zu überlegen, wie man die Zuschauenden hier überraschen kann.

**Der Film steht durchaus im Kontrast zu Ihren anderen Projekten, die oft ernstere Themen angesprochen haben. Warum wollten Sie jetzt eine eher leichte Sommerkomödie schreiben?**

**Ipek Zübert:** Das ist in der Zusammenarbeit mit Netflix entstanden, wo wir einen großartigen kreativen Austausch hatten. Wir hatten alle Lust, den gleichen Film zu erzählen. In dem Film werden auch ernsthafte Themen angesprochen, die aber auf eine leichte Art zugänglich gemacht werden. Und ich hoffe auch, dass romantische Filme wieder groß werden. Gerade wenn man sich die Welt aktuell anschaut, möchte man vielleicht auch einfach mal in so eine Welt entführt werden. Mein Ziel war es, Menschen groß zu unterhalten und dazu einzuladen, Spaß zu haben.

![Beritan Balcı und Serkan Çayoğlu in „She Said Maybe“ (Credit: Netflix)](https://s3.eu-central-1.amazonaws.com/zone.busch.store.image/b94e19fa-93d4-422c-9117-986afa44d2e4.jpg)

**Vor einigen Jahren sagten Sie in einem Interview, dass Sie eigentlich auch wieder eine große Sehnsucht nach dem Kino haben. Wieso ist der Film jetzt für einen Streamer entstanden?**

**Ipek Zübert:** Ich gehe immer noch total gerne ins Kino. Aber ich weiß nicht, ob jemand mir die gleichen Möglichkeiten für einen Kinofilm eingeräumt hätte, die ich jetzt von Netflix bekommen habe. Ich wünsche allen Kreativen, dass sie in den Genuss kommen, diese Erfahrung zu machen, dass Menschen da sind, die so an sie glauben. Klar könnte „She Said Maybe“ auch im Kino laufen, aber Netflix hat es überhaupt erst möglich gemacht, dass dieser Film existiert. Dieses Erlebnis, zusammen einen Film zu schauen, ist für mich das Stärkste. Natürlich gibt es Filme, die einfach auf die Leinwand gehören, aber auch gemeinsam auf der Couch einen Film zu schauen, ist ein verbindendes Erlebnis. Kino steht in Deutschland, aber auch weltweit großen Herausforderungen gegenüber. Und die Skepsis des deutschen Zuschauers gegenüber dem deutschen Film ist immer noch groß; diese Hürde ist, glaube ich, im Kino noch größer. Ich hoffe aber, dass das, was bei Netflix investiert wird – wodurch gezeigt wird, was der deutsche Film kann – auch dafür sorgt, dass vielleicht wieder mehr Filme aus Deutschland auch im Kino laufen.

**Gibt es abgesehen davon noch etwas, was sie gerne an der Branche ändern würden?**

**Ipek Zübert:** Ich würde uns allen mehr Zuversicht, mehr Mut und Wohlwollen wünschen. Es gibt viele neue Möglichkeiten, aber wir stehen auch vor vielen Herausforderungen. Und ich glaube, das schaffen wir nur, indem wir gemeinsam an einer Vision arbeiten. Unsere Geschichten können Menschen berühren und Welten verändern – deshalb: weitermachen.

*Das Gespräch führte Lea Morgenstern.*


Ipek Zübert zu „She Said Maybe“: „Der Film ist wahnsinnig persönlich für mich“