Blickpunkt:Film

Seit Juli dieses Jahres ist [Dieter Krauß](/person/dieter-krauss) Vorstandsmitglied der [AG Filmfestival](/company/ag-filmfestival-verband-der-filmfestivals-in-deutschland). In seinem Gastbeitrag spricht der ehemalige Geschäftsführer der Film- und Medienfestival gGmbH Stuttgart über die Dimension des [TeleVisionale](/company/televisionale-film-und-serienfestival-baden-baden)-Verlustes für Baden-Württemberg.

Die TeleVisionale fand in 2024 zum letzten Mal in Baden-Baden statt und wechselt 2025 nach Weimar. Von der Verlegung kann sowohl die facettenreiche Kulturstadt als auch dieses einzigartige Filmfestival profitieren. „Vom Austausch mit der Kulturstadt Weimar und dem Land Thüringen erwartet sich die Akademie als Veranstalterin eine produktive Weiterentwicklung des Festivals“, so [Hans-Jürgen Drescher](/person/hans-juergen-drescher), Präsident der [Deutschen Akademie der Darstellenden Künste](/company/deutsche-akademie-der-darstellenden-kuenste). Es ist es aber auch eine Entscheidung gegen Baden-Baden! Dies führt bei genauerer Betrachtung zu einer exemplarischen Bewertung, dass die Kulturpolitik immer noch nicht das Spektrum
gesellschaftlicher und branchenbezogener Wirkungsmechanismen von Filmfestivals innerhalb einer vor allem kulturell legitimierten Verantwortlichkeit der öffentlichen Hand begriffen hat. Was bedeutet dieser Wegzug für Baden-Württemberg? Was wird diesem Musterländle fehlen, das einst als junges Filmland mit den Initiativen von Lothar Späth und [Christoph Palmer](/person/dr-christoph-e-palmer) so kraftvoll gestartet ist, 1991 mit der Gründung der Filmakademie in Ludwigsburg, 1995 mit der [MFG Filmförderung](/company/mfg-medien-und-filmgesellschaft-baden-wuerttemberg), 1999 mit der ersten umfangreichen Filmkonzeption? 1989 kam die heutige TeleVisionale als Baden-Badener Tage des Fernsehspiels nach Baden-Württemberg. 2000 wurde daraus das Fernsehfilmfestival Baden-Baden. Die laufenden Anpassungen an die dynamischen Entwicklungen im deutschsprachigen TV- und Streamingbereich führten im Jahr 2022 mit der Leitungsübernahme durch [Daniela Ginten](/person/daniela-ginten) und [Urs Spörri](/person/urs-spoerri_f) zur Umbenennung TeleVisionale. Es war in dieser Zeit in Baden-Württemberg mit Ausnahme des Internationalen Trickfilm-Festivals Stuttgart (ITFS) für die Animation das einzige Filmfestival, bei dem die Filmschaffenden im Land in gemütlicher, fast familiärer Atmosphäre alle wichtigen Protagonisten und Multiplikatoren, Sendervertreterinnen und –vertreter, Produzentinnen und Produzenten, etc. kennenlernen und treffen konnten.

Das war vor allem für den Nachwuchs im Land eine wichtige Vernetzungsplattform, die dem Standort fehlen wird. Weitere Aspekte, die diese Kontaktmöglichkeiten so einzigartig machen: Mit dem Verzicht auf Ticketerlöse ist die TeleVisionale das einzige Filmfestival in Deutschland, bei dem das Publikum diese Kosten sparen kann. In den Finanzierungsdiskussionen der TeleVisionale mit der Politik war das
sicher immer wieder ein Knackpunkt. Dabei sei aber deutlich auch an das Postulat von [Hilmar Hoffmann](/person/hilmar-hoffmann) „Kultur für alle“ erinnert! Kostenfreie Zugänge für Kulturangebote sollte längst Teil der Perspektiven zukünftiger Kulturpolitik sein. Die staatlichen Museen in England machen das schon seit über zwei Jahrzehnten beispielhaft vor!

Als wegweisende Weiterentwicklung vor allem für den Nachwuchs zeigte sich in 2000 mit der Initiative der damaligen MFG-Geschäftsführerin [Gabriele Röthemeyer](/person/gabriele-roethemeyer_2) und der Einführung des Wettbewerbs um den MFG Star. Die diesjährige Jurorin [Doris Dörrie](/person/doris-doerrie) hat sehr eindringlich darauf hingewiesen, wie wichtig dieser Programmteil für den Nachwuchs ist, für die Sichtbarkeit, für den Austausch sowohl mit dem jungen als auch dem etablierten Fachpublikum. Mit dem Wegzug der TeleVisionale verschwindet dieser Wettbewerb aus Baden-Baden. Was passiert mit diesem MFG Star
überhaupt? Wird er weiterbestehen? Gibt es in Weimar einen MDM Star?
So wichtig dieser Wegzug der TeleVisionale für die östlichen Bundesländer ist, so schmerzhaft ist das für Baden-Württemberg, wo die frühere Aufbruchsstimmung als junges Filmland eh schon real bestenfalls in eine Stagnation mündete: Laut [FFA](/company/ffa-filmfoerderungsanstalt)-Statistik hat sich das Fördervolumen der MFG von 13,7 Mio. Euro in 2010 auf lediglich 16,37 Mio. in 2023 erhöht. Bayern verzeichnete im gleichen Zeitraum einen Anstieg von 28,09 Mio. auf 42,29 Mio., die MDM von 12,5 Mio. auf 19,18 Mio., Berlin-Brandenburg von 30,86 Mio. auf 47,46 Mio. Erschwerend kommt bei der MFG die zwar folgerichtige Fokussierung auf Animation und VFX hinzu. 

Dadurch werden einige Millionen der Fördermittel gebunden und andere Filmgattungen zusätzlich eingeschränkt. Ergebnisse daraus sind einerseits eine inzwischen ausgedünnte Produzentenstruktur außerhalb der Animation und
andererseits bildet die Filmakademie in Ludwigsburg mit Ausnahme der animationsbezogenen Studiengänge weit überwiegend für andere Standorte aus. Das war von den Gründungsvätern anders gedacht: die Filmakademie sollte natürlich auch befruchtend und stimulierend auf die Weiterentwicklung des Filmlandes Baden-Württemberg einwirken. „Trotz aller Bemühungen konnten wir nicht die notwendigen Mittel aufbringen, um das gemeinsame Sehen der nominierten Filme zu ermöglichen. Das war der Auslöser für uns, uns nach Alternativen umzusehen, um die Zukunft des Festivals zu sichern.“ Diese Aussage von Co-Leiterin Daniela Ginten lässt die tieferliegenden Gründe für den Umzug erahnen, was auch schon Monate vorher
gerüchteweise die Runde machte. Dazu Arne Braun, Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg (MWK) in einer Pressemitteilung: „Die Landesregierung bedauert die Entscheidung der Festivalverantwortlichen (…) Das Land hat als größter Fördermittelgeber in den vergangenen Monaten zusammen mit den Partnern vom SWR, der Medien-
und Filmgesellschaft Baden-Württemberg (MFG) und der Stadt Baden-Baden alle Hebel in Bewegung gesetzt, um (…) attraktive Angebote zum Verbleib am Standort zu machen.“
Die Verkürzung der TeleVisionale von fünf auf drei Tage wurde schon weit vor dem Festival 2024 beschlossen. Filmfestivals brauchen einen sehr frühzeitigen Vorlauf zur Sicherung der Finanzierung. Hier helfen keine selektiven, kurzfristigen Förderentscheidungen. Während z.B. Drehstarts von Filmprojekten an die Schließung der Finanzierung angepasst werden, ist das bei Filmfestivals nicht
möglich. Filmfestivals brauchen verlässliche Terminierungen zur ausreichenden Vorbereitung von Organisation, Programmierungen, etc. – und vor allem um alles für eine Publikumswirksamkeit zu tun! In der Fortschreibung der Filmkonzeption Baden-Württemberg des MWK wurde im Februar 2020 als Ergebnis festgehalten, dass die Festivallandschaft evaluiert werden soll. Die Ergebnisse liegen nun seit kurzem vor. Der Doppelhaushalt des Landes für 2025 und 2026 ist aber bereits final.
Lichtblicke für die Filmfestivals im Land sind somit erst wieder mit dem darauffolgenden
Doppelhaushalt 2027/2028 zu erwarten. Noch davor, im Frühjahr 2026, wird der Landtag neu gewählt….

Abschließend trotz der für Baden-Württemberg verlorenen TeleVisionale und mit einem Blick über diesen Tellerrand die versöhnlichen Worte von Festivalleiter Urs Spörri vor der diesjährigen TeleVisionale: „Wir hoffen, dass wir jetzt gemeinsam noch einmal ein interessantes und spannendes Festival in Baden-Baden feiern werden. Und wir freuen uns darauf, alle, die die TeleVisionale lieben, am neuen Standort 2025 wiederzusehen“ 2024 ist das hundertprozentig gelungen; das wird ihnen auch 2025 gelingen. Wir sehen uns also alle in Weimar 2025!

Dieter Krauß

Schmerzlich für Baden-Württemberg: Der Umzug der TeleVisionale als Beispiel für Defizite in der Kulturpolitik