Anzeige
Event-Produktion

Gabriela Sperl zu „Herrhausen“: „Für alle Beteiligten ein unglaublicher Kraftakt“

Nach jahrelanger Recherche und komplexen Dreharbeiten läuft der international preisgekrönte Mehrteiler „Herrhausen - Der Herr des Geldes“ nun im Ersten und in der Mediathek. Wir sprachen mit Produzentin Gabriela Sperl über dieses ambitionierte und fordernde Projekt, das zu den großen Programmhöhepunkten in diesem TV-Herbst zählt.

Ulrich Höcherl02.10.2024 14:10
Gabriela Sperl zu „Herrhausen“: „ Für alle Beteiligten ein unglaublicher Kraftakt“
Produzentin Gabriela Sperl wurde für „Herrhausen - Der Herr des Geldes“ bereits mit dem Bernd Burgemeister Fernsehpreis ausgezeichnet Mathias Bothor

Nach jahrelanger Recherche und komplexen Dreharbeiten läuft der international preisgekrönte Mehrteiler „Herrhausen - Der Herr des Geldes“ nun im Ersten und ist darüberhinaus in der Mediathek zu finden. Wir sprachen mit Produzentin Gabriela Sperl über die lange Odyssee dieses ambitionierten und fordernden Projekt, das zu den großen Programmhöhepunkten in diesem TV-Herbst zählt.

Anzeige

Wie stolz sind Sie, dass Ihr Projekt „Herrhausen“ jetzt endlich in der Mediathek zu sehen ist und im Ersten gesendet wird?

GABRIELA SPERL: Ich bin sehr glücklich, dass wir am Ende der Reise angekommen sind, die wirklich lang und beschwerlich war und für alle Beteiligten ein unglaublicher Kraftakt. Insofern freue ich mich, dass die Öffentlichkeit es jetzt sehen kann und bin natürlich sehr gespannt. Wir hatten schon ein paar Möglichkeiten, es zu zeigen und waren da immer sehr beglückt. Jetzt schauen wir mal, ob die Zuschauer das Programm finden und ob sie es mögen.

Über die Jahre haben sie sehr viele schwierige und fordernde Projekte realisiert von „Stauffenberg“ über „Die Flucht“ bis „Mogadischu“ oder „Tannbach“. War „Herrhausen“ eines der schwierigsten in der Umsetzung?

GABRIELA SPERL: Es war eine große Herausforderung, weil wir sehr genau und sehr lange recherchiert haben. Es ist einer der wenigen spektakulären, unaufgeklärten Morde. Man hat nie irgendwelche Täter gefunden, geschweige denn, sie vor Gericht gestellt. Es ist erstaunlich, dass es 35 Jahre später immer noch schwer ist, an Akten zu kommen, teilweise findet man sie gar nicht. Wir haben bei der Stasi-Unterlagen-Behörde überhaupt nichts finden können. Da gab es den Namen Herrhausen nicht. Wir wissen, dass die Akten des Kanzlers sehr früh abgeholt wurden. Und Herrhausen gab es nicht. Deswegen haben wir über Monate recherchiert, weil wir es für auffällig hielten, dass der Name dort nicht existierte. Wenn es ihn zehn oder 20 Mal gegeben hätte, hätten wir nicht so lange gesucht, aber dass es ihn gar nicht gibt, einen Menschen, der den militärisch-industriellen Komplex aufgebaut hat, mit Gorbatschow Verträge geschlossen und gemeinsam mit Kohl Milliarden in die Sowjetunion transferiert hat, da war uns klar: Hier wurden Akten geschreddert und Spuren gesäubert. Wir haben dann schließlich Inhalte von vielen Akten gefunden, aber die Akten dazu gab es nicht.

Warum haben Sie gerade dieses Thema gewählt? Was hat Sie daran fasziniert?

GABRIELA SPERL: Weil das Attentat drei Wochen nach dem Mauerfall, der für uns alle so ein unglaublicher Glücksmoment war, wie ein Schlag war. Ich war überzeugt, dass die Welt jetzt besser, offener, freier für alle wird. Ich habe mich damals schon gefragt, wie es möglich ist, dass die RAF, die sonst bei den Leuten geklingelt und sie erschossen hat, ein technisch so hochkomplexes Attentat verüben kann. Die dritte Generation war Kostgänger der DDR. Die wurden von dort zum Training in den Nahen Osten geschickt. Aber wie sollten die so ein Attentat ohne fremde Hilfe auf die Beine stellen? Insofern hat mich das immer interessiert. Und nachdem „Black Box BRD“ erschien, dachte ich, eigentlich müsste man jetzt die Geschichte Herrhausens fiktional erzählen. Und dann hat es nochmal zehn Jahre gedauert, und mit Hilfe von Christer von Lindequist, hatten wir dann die Unterstützung von Traudl Herrhausen und ihrer Tochter. Eine lange Odyssee.

Oliver Masucci als Herrhausen und Julia Koschitz als seine Frau Traudl (ARD Degeto/rbb/hr/swr/Sperl Film)
Oliver Masucci als Herrhausen und Julia Koschitz als seine Frau Traudl (ARD Degeto/rbb/hr/swr/Sperl Film)

Was hat Sie dabei mehr interessiert, die damit verbundene RAF-Geschichte oder die Innensicht der Bankenwelt, in der Herrhausen auf Intrigen und Widerstände traf?

GABRIELA SPERL: Die Vielzahl der Widerstände, die sich in dieser Welt aufgetan hat, kannte ich natürlich nicht. Mich hat nur gewundert, wieso es einen politischen Mord kurz nach dem Mauerfall gab, der einfach nie vernünftig aufgeklärt wurde. Das war mein erster Ansatz. Durch die Recherche haben wir viele Dinge herausgefunden, die dabei zusammenspielten, dass dieser Schuldenerlass für die Dritte Welt die amerikanischen Banken in eine Krise gestürzt hätte, und dass er mit dem Kredit an Gorbatschow alle herkömmlichen Freund-Feind Grenzen überschritten hat. Die Welt war damals in zwei Blöcke geteilt, die einen waren die Freunde und die anderen die Feinde. Das Traurige, aber auch Brisante für uns heute ist, dass der Film über damals wie ein Blick in unsere Zeit heute ist. Die Welt ist wieder geteilt, und es gibt wieder Freund und Feind. Wer sagt, man muss mit Russland Frieden schließen, der wird gleich politisch in eine bestimmte Ecke gestellt. Es ist wieder in dieser Art zugespitzt, und vielleicht kann der Film helfen, dass wir offener auf das Jetzt schauen.

Bezieht sich die schwierige und langwierige Umsetzung des Films vor allem auf die Recherchen oder auch auf die Finanzierung dieses Projekts?

GABRIELA SPERL: Die Finanzierung stand eigentlich sehr schnell. Wir hatten den RBB mit Martina Zöllner gefragt, dann kamen rasch die Degeto mit damals Christine Strobl und Sascha Schwingel dazu. Und dann gab es die langen Jahre der Recherche. Als wir soweit waren, waren Christoph Pellander und Thomas Schreiber da, die das Projekt gestützt und gegreenlighted haben. Claudia Luzius war immer eng an unserer Seite, dazu kamen der HR mit Jörg Himstedt, Patricia Vasapollo und Michael Schmidl vom SWR. Inzwischen hatten sich die Preise stark nach oben entwickelt. Dann kam es 2022, als wir ein geschlossenes Budget hatten, zu einer weiteren Preissteigerung von circa 20 Prozent. Das war außerdem ein Jahr, in dem extrem viel gedreht wurde. Das heißt, wir mussten auf dem Markt statt normaler Gagen plötzlich viel mehr zahlen, weil die Nachfrage so groß war. Und wegen des Ukrainekriegs verlangten Vertragspartner, seien es Autovermietungen oder Motivgeber, plötzlich oft fast das Doppelte. Kurz vor Drehbeginn hatten wir plötzlich keine geschlossene Finanzierung mehr, weil wir acht Wochen vorher Südafrika verloren haben, die Förderung dort hatte kein Geld mehr: Die Energiepreise waren so gestiegen, dass man sich kurzfristig entschloss, nur noch eigene Projekte, aber keine fremden mehr zu finanzieren, trotz erfolgter Zusagen. Dadurch haben wir viel Geld verloren, weil dort bereits vorbereitet und für uns gebaut wurde. Danach mussten wir in kürzester Zeit einen anderen Ort finden. Das war Belgien. Weil nur noch Wochen blieben, um alles umzuswitchen, - es passierte Ende Juli, und wir wollten im September drehen, - haben wir viel mehr Personal gebraucht und mussten verschieben und überall aufstocken.

Und wie haben Sie das gelöst?

GABRIELA SPERL: Naja, wir hatten einfach sehr viel Glück, dass wir die richtigen Leute gefunden haben, um das logistisch zu schaffen. NRW hat uns geholfen, und auch die Degeto hat uns schließlich mehr Geld gegeben. Aber wir sind natürlich mit einem Gap aus der Geschichte rausgegangen, und man muss jetzt sehen, wie man den füllen kann.

Das Team von dem auch hier preisgekrönten „Herrhausen“ bei der Premiere beim Festival Series Mania in Lille (Arnaud Loots / ALOOTS)
Das Team von dem auch hier preisgekrönten „Herrhausen“ bei der Premiere beim Festival Series Mania in Lille (Arnaud Loots / ALOOTS)

Wie stark sind Sie in die konkrete Umsetzung involviert gewesen, in die Besetzung, die Inszenierung und den Schnitt des Films?

GABRIELA SPERL: Eigentlich waren wir da alle auf täglicher Basis tief involviert, und es war großartig, wie Pia Strietmann sich da rein geworfen hat. Auch Thomas Wendrich stand bis zum Ende der Dreharbeiten immer parat, weil Dinge angepasst werden mussten. Es war für alle, auch für die, die im Umfeld beteiligt waren, für X-Filme, für Till Derenbach, wirklich eine riesige gemeinsame Kraftanstrengung. Das war es dann auch im Schnitt, weil wir gesehen haben, dass sich die Komplexität der Geschichte besser erzählt, wenn wir die Stränge verschränken. Das hat der Geschichte eine ganz andere Dynamik gegeben. So gab es in jeder Phase bis zu den letzten Umdrehungen immer Aufregungen und Anstrengungen. Es war eine Belastung für alle Beteiligten, deswegen ist es großartig, jetzt dieses Werk präsentieren zu können.

Stand Oliver Masucci als Hauptdarsteller von Anfang an für Sie fest?

GABRIELA SPERL: Oliver Masucci stand für mich schon fünf Jahre, bevor wir es dann gemacht haben, fest. Ich habe zu ihm immer gesagt: Du bist mein Herrhausen. Er hat immer gewartet, wurde dann auch älter. Er trägt diesen Film, großartig. Auch die anderen SchauspielerInnen sind hervorragend. Ich kann hier nur jede, jeden loben. Es ist ein großartiges Ensemble, das wir da gemeinsam mit Simone Bär, die uns sehr fehlt, versammeln konnten. Und die alle leidenschaftlich dabei waren.

Pia Strietmann ist als Regisseurin spät dazugekommen. Was gab hier den Ausschlag?

GABRIELA SPERL: Mit Pia wollte ich schon immer arbeiten, aber wir kamen zeitlich nie zusammen. Hier sind wir zunächst in einer anderen Konstellation gestartet, der vorgesehene Regisseur steckte aber in einem anderen Projekt fest. Da dachte ich mir, jetzt frage ich einfach mal nach! Und wir hatten großes Glück, denn Pia wurde gerade ein anderes Projekt wegen der Finanzierung verschoben, und dadurch ergab sich endlich die Möglichkeit zusammenzuarbeiten.

Warum ist „Herrhausen“ in der Mediathek ein Vierteiler und bei der linearen Ausstrahlung ein Zweiteiler?

GABRIELA SPERL: Das hat mit den Gepflogenheiten und wohl auch mit der Historie innerhalb der ARD zu tun. Die großen Eventprogramme, beispielsweise „Der Fall Barschel“, wurden immer als Zweiteiler gesendet. Wir haben immer gesagt, dass der Stoff viel zu umfangreich ist und wir mehr Zeit brauchen. Die bekamen wir auch. Aber es entstand diese etwas beschwerliche Zwitterposition, dass wir nun eine vierteilige Miniserie haben und einen linearen Zweiteiler, der wesentlich kürzer ist.

Und welcher Fassung geben Sie den Vorzug?

GABRIELA SPERL: Der Vierteiler, die Serie, ist für mich „state of the art“, der Zweiteiler passt sich den Gegebenheiten des vorgegebenen Sendeschemas an.

Wenn Sie nach den vielen Jahren Arbeit daran auf die fertige Produktion blicken, ist es der Film geworden, den Sie sich zu Beginn vorgestellt haben?

GABRIELA SPERL: Der Blick darauf verändert sich ja immer. Was jetzt vorliegt, - und das haben wir auch gesehen, als wir im internationalen Wettbewerb beim Festival Series Mania in Lille gelaufen sind, - ist für mich ein herausragendes Stück Fernsehen, ein „Werk“ geworden. Wir haben es auch kürzlich, auf dem Filmfest Kitzbühel, und am Montag in Frankfurt für die Deutsche Bank, nochmal auf großer Leinwand gezeigt und viele begeisterte Reaktionen und Rückmeldungen bekommen. Die viele Mühe und das viele Geld haben zu etwas geführt, das man so im täglichen Geschäft gar nicht machen kann, weil normalerweise Filme dazu finanziell heute überhaupt nicht mehr ausgestattet sind.

Was erhoffen Sie sich für die Rezeption dieses Films?

GABRIELA SPERL: Ich erhoffe mir zuallererst, dass möglichst viele Menschen diesen Film finden und sehen. Wir hatten beim Teamscreening in Berlin auch Kids der Generationen Stiftung eingeladen. Viele junge Menschen kamen ins Kino. Die Gründerin und Leiterin der Stiftung, Claudia Langer, hat von ihnen großartiges Feedback bekommen, und die ZuschauerInnen haben, neugierig gemacht, hinterher zu recherchieren begonnen. Das hat mich besonders gefreut, weil ich hoffe, dass auch junge Menschen diesen Film finden. Die Älteren kennen Herrhausen und werden den Film auf jeden Fall finden. Das ist schon anders bei der Generation um die 30 und jünger, die davon nichts mehr wissen. Insofern hoffen wir, dass wir auch die Jüngeren erreichen, denn der Film bietet spannende Unterhaltung, aber zugleich auch die Möglichkeit, etwas zu lernen. Wir hoffen hier auch auf Word of Mouth. Je mehr Menschen darüber reden, desto mehr werden ihn sehen. Das wünsche ich mir. Und ich möchte an dieser Stelle allen nochmal von Herzen danken, die so lange, über Höhen und Tiefen hinweg, mit uns gekämpft haben.

Das Gespräch führte Ulrich Höcherl

Anzeige