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Survivalthriller und Satire

REVIEW KINO: „Eden“ von Ron Howard

Oscar-Gewinner Ron Howard feierte mit dem Survival-Thriller mit satirischen Touch Weltpremiere in Toronto. Hier lesen sie die Besprechung zu „Eden“, den Leonine am 3. April bundesweit startet. Zum ausgezeichnetem Ensemble zählen Jude Law, Daniel Brühl und Ana de Armas

Chris Schinke20.03.2025 23:00
Eden
Auf der Suche nach Eden: Jude Law, Daniel Brühl und Vanessa Kirby Leonine

Wer den Beschluss fasst, eine einsame, abgelegene Insel zu seinem Domizil zu erklären, wie es der von Jude Law gespielte deutsche Philosoph Friedrich Ritter getan hat, der kann es sich leisten, gesellschaftliche Gepflogenheiten und zivilisatorische Mindeststandards über Bord zu werfen. Splitterfasernackt und zahnlos steht der Autor kühner Manifeste schon mal vor seltenen Besuchern in seinem Galapagos-Exil, der Insel Floreana. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Dore (Vanessa Kirby) hat es den exzentrischen Weltendeuter zwischen den Weltkriegen in die Wildnis verschlagen. Zwar wirkt die tropische Landschaft üppig, doch die raue Natur, unerbittliche Klimaverhältnisse, eine feindselige Tierwelt und große Entbehrungen prägen das off-the-grid-Dasein des eigensinnigen Paares, dessen radikale Sinnsuche und Abkehr von Zivilisation bald schon unbedarfte Nachahmer auf den Plan ruft. Daniel Brühl und Sydney Sweeney als Heinz und Margret, ein Paar mit deutlichem Altersunterschied, beschließt den endzeitlichen europäischen Verhältnissen ebenfalls den Rücken zu kehren. Auf die harschen Bedingungen des Insellebens scheinen sie zunächst nicht eingestellt, doch zur Überraschung des Intellektuellenpaares schlagen sich die Neuankömmlinge samt Nachwuchs überraschend gut. Schnell beginnen ein Intrigenspiel und ein Machtkampf um die spärlichen Ressourcen der Insel. Und bald tauchen weitere Einwanderer auf, welche die Gewohnheiten des europäischen Festlandes nicht hinter sich lassen wollen.

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Regiehandwerker und Oscar-Gewinner für „A Beautiful Mind“, Ron Howard, inszeniert mit „Eden“ einen flirrenden Survival-Thriller, beruhend auf der wahren Geschichte einer Auswanderergruppe, die in Zeiten des großen Umbruchs zwischen zwei Weltkriegen auf der Suche nach einer neuen ideellen wie realen Heimat ist. Noah Pink, mit dem Howard bei der Emmy - nominierten Serie „Genius“ arbeitete, schrieb das Drehbuch. Howard und sein Kameramann Matthias Herndl finden für ihren atmosphärisch dichten Abenteuerfilm betörende Bilder einer zugleich einladenden wie abweisenden Szenerie der Galapagos-Inseln. Als Zuschauer findet man sich in dem schnell zuspitzenden Szenario in einem regelrechten tropischen Fiebertraum wieder, in dem die totale Eskalation nur eine Frage der Zeit scheint. Für passende klangliche Motive sorgt der aufgeladene Score von Hans Zimmer. Zur dramaturgischen Intensivierung trägt auch die Ankunft der schillernden Baronin Bosquet (Ana de Armas) samt ihres Männerharems (Rudolf Lorenz, Robert Phillipson, Manuel Borja) bei. Selbstbewusst und eigennützig setzt sie skrupellos europäische Kolonialverhältnisse durch und ist dabei stets auf den eigenen Vorteil bedacht. Ihr Ziel: Ein Luxushotel für Weltenbummler auf der Insel zu errichten. Während Margret sich mit Wehen plagt, rauben Bosquets Schergen deren letzte Essensvorräte. Von der Utopie eines neuen Lebens und ursprünglicheren Daseins verwandelt sich Floreana schnell in eine machtpolitische Hölle, die - verheerend - an die Festland-Zustände erinnert. Der Aussteiger-Topos findet in den verschärften Verhältnissen unserer Gegenwart besonderen Widerhall. Starke Performances des exzellent besetzten Casts machen „Eden“ zu einer nervenzerfetzenden Zitterpartie. Das Macht- und Intrigenspiel der Inselbewohner trägt die Züge einer bitterbösen und ernüchterten Zivilisationssatire. Leider hält Howard die erzählerische Spannung und Inszenierung seines existenziellen Survivaldramas nicht konsequent genug durch, sodass „Eden“ zum Höhepunkt hin deutlich die Luft ausgeht. Doch allein die Performance von Jude Law als enthemmter und delirierender Tropen-Prophet samt Stahlgebiss lohnen den Kinobesuch.

Chris Schinke

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