Blickpunkt:Film

Reviews

**FAST FACTS:**

- High-Concept-Romanze von Apple TV+

- Test ersetzt Datingplattformen zur Partnervermittlung

- „Ted Lasso“-Star Brett Goldstein spielt Hauptrolle und schrieb am Drehbuch

- Spielfilm-Debüt von Regisseur William Bridges

**CREDITS:**

Regie: [William Bridges](/person/william-bridges); Drehbuch: William Bridges, [Brett Goldstein](/person/brett-goldstein_9); Cast: Brett Goldstein, [Imogen Poots](/person/imogen-poots), [Zawe Ashton](/person/zawe-ashton), [Steven Cree](/person/steven-cree), [Jenna Coleman](/person/jenna-coleman), Éva Magyar; Kamera: [Benoit Soler](/person/benoit-soler); Produktion: Republic Pictures, MRC, Ryder Picture Company; Termin: Ab 26.09. bei[ Apple TV +](/company/apple-tv)

**REVIEW:**

Tinder, Bumble oder Hinge brauchen die Figuren in [„All of You“](/movie/all-of-you) nicht mehr. Der sagenumwobene „Test“ entscheidet für sie, welche Person am besten passt. Für Simon ergibt sich dadurch ein Problem, denn er ist sich sicher, dass seine beste Freundin Laura die Eine für ihn ist. Doch Laura scheint glücklich verheiratet zu sein. Diese romantische Gemengelage verlangt klassischerweise nach einem Duo in den Hauptrollen, in dem die Chemie stimmt. Brett Goldstein (bekannt aus dem Apple-TV+-Gute-Laune-Hit „Ted Lasso“) verleiht Simon zwar eine charmante, aber auch sehr penetrante Art. Diese Entscheidung hat jedoch System: Im Verlauf des Films wird immer wieder klar, dass Simon versucht, den ach so zuverlässigen „Test“ entweder für sich zu nutzen oder zu untergraben. Seine blinde Liebe zu Laura macht ihn zu einem echten Manipulator. Daher gestaltet es sich manchmal schwierig, sich mit Simon zu freuen, wenn er seinen romantischen Zielen näherkommt.

Das Marionettenspiel von Simon bleibt Laura, verkörpert von Imogen Boots („The Father“), nicht verborgen. Sie wird zum Spielball zwischen der Sicherheit ihres Ehemanns, der dank „Test“ blind in seine Partnerin vertraut, und der impulsiven Anziehungskraft von Simon. Streaming-typisch dürfen auch in „All of You“ die erotischen Höhepunkte nicht fehlen. Auf Netflix, Amazon Prime, aber auch Apple TV+ gilt schon seit Langem: Sex sells. Erfrischend ist dabei, dass wir es hier nicht mit absolut makellosen Körpern zu tun haben und dem erotischen Spiel dennoch mit relativer Explizitheit vertraut wird.

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Brett Goldstein und Imogen Poots spielen beste Freunde, die sich näher kommen (Credit: Apple TV+)
Insgesamt trifft Regisseur William Bridges wiederholt interessante inszenatorische Entscheidungen. Häufig werden intime Momente nicht durch Close-ups und den klassischen Shot-Reverse-Shot dargestellt, sondern in einer distanzierten Totalen. So soll die Beziehung im direkten Miteinander bewertet werden. Viele Mikrogesten machen die Figuren rund, und der Film hat die Ruhe und die Weitsicht, all dies subtil statt durch komplettes Ausbuchstabieren zu erzählen.

Etwas störend fällt der Umgang mit dem Sci-Fi-Konzept aus. Dass die Welt sehr nah an der unseren verortet ist, fällt nicht negativ auf. Doch in Dialogen wird wiederholt der „Test“ in seiner lebensentscheidenden Qualität beschworen, ohne dass darauf weiter eingegangen wird, was eigentlich hinter ihm steckt. Natürlich könnte das auch für die endlose Naivität der einsamen Menschen sprechen, die sich ohne Wissen über die Funktionsweise der Partnerzuordnung lieber auf ein obskures Drittes statt auf ihre eigene Einschätzungsgabe verlassen. Dennoch: Wer High-Concept-Sci-Fi erzählen will, sollte zumindest ein Grundmaß an World-Building betreiben. So bleibt der Eindruck, dass der „Test“ auch nur eine hemdsärmelige Tinder-Alternative ist, der die Menschen nur mehr vertrauen, weil vielleicht ein Algorithmus dahintersteckt. Kennt Netflix das Konsumverhalten seiner Nutzer:innen besser, als die User selbst? Aus eigener Erfahrung wage ich zu behaupten: Die Figuren in diesem System würden bei all dem, was der „Test“ verspricht, früher stutzig werden – auch wenn das moderne Datingleben ermüdender nicht sein könnte.

Hauptdarsteller Goldstein schrieb zusammen mit Spielfilm-Regiedebütant Bridges das Drehbuch. Die Idee, die aktuell schon dystopisch anmutende Einsamkeitspandemie mit der Swipe-Kultur der jüngeren Generationen zu verbinden, ist nicht nur naheliegend – es wurde Zeit, dass ein Film die Thematik auch mit einer gewissen Konsequenz umsetzt. Der finale Punch fehlt jedoch, weil der Idee scheinbar nicht bis zum Ende vertraut wurde und die Ausmaße der Liebes-Technologie nur schwer greifbar bleiben.

REVIEW STREAMING: „All of You“