Blickpunkt:Film

Kino

**Herr Keuschnigg, zwar wird das Slash Filmfestival noch nicht volljährig, FSK 16 ist aber ab diesem Jahr drin. Wie haben Sie die Entwicklung des Festivals bis zu diesem Punkt wahrgenommen?**

Bis auf die Tatsache, dass ich in den 16 Jahren seitdem es Slash gibt um etwa 48 Jahre gealtert bin, möchte ich behaupten, dass wir den produktions- sowie verwertungsseitigen Höhenflug des Genrekinos im vergangenen Jahrzehnt schon bei unserer Debütausgabe 2010 antizipiert haben. Ich kann nur hoffen, dass es uns gelungen ist, in all den Ausgaben seitdem die diversen Bewegungen und Entwicklungen innerhalb der hochdynamischen Genrekino-Landschaft adäquat abzubilden und auch den Blick zu lenken auf Erzählformen, die im Gewusel ansonsten untergehen. Dann hätten wir viel erreicht.

**Genrefilme werden im deutschsprachigen Raum - vor allem durch die Förderinstitute - weiterhin etwas stiefmütterlich behandelt. Können Sie seit Start des Slash ein Umdenken beobachten?**

Vorab: Ich kann hier nur über die österreichische Filmproduktionslandschaft sprechen. Das große systemische Problem, vor dem wir hier stehen, hat damit zu tun, dass sich seit der Institutionalisierung der Filmförderung niemand um Genrekino geschert hat. Wo in anderen, auch europäischen, Ländern bereits seit Jahrzehnten selbstverständlich Horror-, Science-Fiction- und Fantasyfilme produziert wurden und sich dementsprechend auch eine dahingehend spezialisierte Filmproduktionslandschaft etablieren konnte, geschah hier, natürlich angetrieben von der für viele identitätsstiftenden, mittlerweile komplett anachronistisch wirkenden Dichotomie zwischen Genre- und Kunstfilm, genau gar nichts. Und das heißt auch, dass es jetzt, wo es schicklich und vielleicht auch kommerziell interessant wäre für Förderinstitutionen, anspruchsvolles Genrekino zu entwickeln und zu produzieren, Wissen und Erfahrungen fehlen und man de facto bei null beginnen muss. Aber immerhin, es gibt in Österreich ein gewachsenes Bewusstsein und etwas mehr Wertschätzung für die Spielformen des fantastischen Films. Wettbewerbsfähig sind wir damit natürlich kaum. Aber das Grab hat man sich jahrzehntelang durch Ignoranz und Arroganz selbst geschaufelt. Jetzt müssen wir uns daraus wieder ausgraben. Als Horrorfans wissen wir aber: Kein Tod hält ewig.

**Das diesjährige Programm ist wieder gespickt mit Highlights. Auf welche Events freuen Sie sich besonders?**

Dass wir heuer gleich zwei Weltpremieren von internationalen Spielfilmen an Land ziehen konnten, ist natürlich höchst erfreulich: Kenichi Uganas satirischer Serienmörderthriller „Incomplete Chairs“ sowie das sehr hochwertig produzierte thailändische Monster-Movie „Omukade“ sind auch Beispiele dafür, wie selbstverständlich Slash zwischen Indie- und Mega-Produktionen oszilliert - und wie wertvoll wir als Event und Spielfläche für internationale Produzent:innen und Weltvertriebe geworden sind. Nicht unerwähnt lassen möchte ich natürlich auch, dass mit dem Briten [Ben Wheatley](/person/ben-wheatley) einer der furchtlosesten und prägendsten Genre-Regisseure der jüngeren Vergangenheit in Wien zu einem ausführlichen Karrieregespräch erwartet wird.

**Der Genrefilm hat vor allem bei Filmliebhabern einen ganz besonderen Stellenwerten. Worauf achten Sie bei der Zusammenstellung des Programms, um den Festivalgästen gerecht zu werden?**

In Interviews weise ich gerne darauf hin, dass wir, wohl auch weil situiert in einem großstädtischen Milieu, nicht das eine Publikum haben, sondern eher diverse Publika, die sich ihren individuellen Weg durch unser Angebot suchen. Von Anfang an haben wir etwa queeres Genrekino miterzählt, ebenso wie experimentellere Formate und familienfreundliche Filme, die ganz lässig neben Schnetzel-Opern und Gore-lastigen Arbeiten stehen. Der fantastische Film ist so divers wie sein Publikum und jede:r hat ein Recht darauf, in der Sicherheit des Kinosaals seinen Begierden, Fantasien, Ängsten und Albträumen zu begegnen.

**Mit [Andreas Prochaskas](/person/andreas-prochaska) „[Welcome Home Baby](/movie/welcome-home-baby)“ haben sie sich eine große Österreichpremiere gesichert. Wie wird die Position des Slash von der Branche in Österreich und darüber hinaus wahrgenommen?**

Wir bemühen uns seit einigen Jahr sehr stark darum, auch der österreichischen wie deutschsprachigen Filmbranche ein spannendes Angebot zu schnüren. Unsere heurigen Branchentage „Slash (the) Industry“ wurden von den deutschen Kolleg:innen Anna & Linus de Paoli sowie Till Kleinert konzipiert und organisiert. Dutzende Gäste werden eigens nach Wien eingeladen, um auf Panels und in Workshops von ihrer Arbeit zu berichten und so für einen Wissenstransfer zu sorgen. Darunter sind Practical FX-Guru Dan Martin, James Flower von Arrow Films, die Schauspielerin Julia Franz Richter und viele, viele andere. Abseits davon nehmen Filmstudent:innen der Filmuniversität Babelsberg und der Wiener Filmakademie an einer 48h Filmmaking Challenge teil, in der sie die theoretischen Inputs der Branchentage gleich in kreative Praxis umwandeln sollen. Auch darüber hoffen wir, eine Spur in der Branche zu hinterlassen, die bleibt.

*Das Interview führte Damian Sprenger*

Markus Keuschnigg: „Gewachsene Wertschätzung für den fantastischen Film“