Blickpunkt:Film

Kino

[André Hörmann](/person/andre-hoermann), der zuletzt mit der Doku „Thomas Müller - Einer wie keiner“ bei Amazon erfolgreich war, feierte mit „The Cowboy“ Weltpremiere in Locarno in der unabhängigen Sektion der Kritikerwoche. In der Langzeitdoku schildert er das Erwachsenwerden eines jungen Cowboys aus Colorado über zehn Jahre hinweg und zeichnet damit auch ein eindrückliches Bild von Trumpland. 

Zu Anfang sieht man den elfjährigen Crowley selbstbewusst auf seinem Pferd sitzen und auch forsch reiten. Das Tier ebenso wie sein Cowboyhut sind überdimensional groß, aber Crowley hält sich souverän. Sein Traum ist es, Rodeoreiter zu werden, eine Ranch, Tiere zu haben wie sein Vater.  Kameramann Tom Bergmann schwelgt in berückenden Westerntypischen Bildern vom weiten Horizont, der Verheißung von Freiheit, wie es auch der Junge erzählt, der von seinem älteren Bruder und seinem Vater schwärmt, dass sie ihm alles beibringen - etwa in einer wunderbaren Szene das Bullenreiten - auf einer alten Tonne. Natürlich wird man auch einmal sehen, wie die Familie einen Western schaut.

In den Bildern stören der heruntergekommene Trailer, in der die Familie lebt, windschiefe Schuppen und alte Autos, die auf dem Land verstreut sind, das evozierte Idyll. Dass die Familie in einer prekären Situation lebt, wird auch klar, wenn Crowley aus dem Off erzählt, dass es ihm nichts ausmache, wenn es mal keinen Strom gebe.  Im Laufe des Filmes wird der Mythos vom Cowboydasein weiter dekonstruiert - samt den Aussagen von Vater und Sohn, ein Cowboy könne jedes Mühsal, jede Situation, in den Griff kriegen. Alkoholmissbrauch, Missbrauch reißt die Familie im Laufe der Jahre auseinander, der bewunderte Bruder stirbt. Präsident Obama wird von Biden und Trump abgelöst, die Preise für Wohnung und Land rapide steigen. Das wird nebenbei in den Wahlplakaten an den Wänden der Präriestädtchen, und in den Gesprächen deutlich. Die hierzulande von den meisten unbegreifliche Selbstverständlichkeit, mit der die Frauen im Bibelkreis darüber reden, dass ihre Kinder natürlich schießen können und auch im Notfall dürfen, weist daraufhin, wer gewählt wurde. Dass der neue Mann von Crowleys Mutter seinen verletzten Fuß nicht behandeln lässt, zeigt den Zustand des Gesundheitssystems, die Armut der Menschen, aber auch ihren Stolz, ihre Widerstandskraft.

Es mag nicht neu sind, was Hörmann erzählt, aber es in der Geschichte dieser Familie präsentiert zu bekommen, ist besonders eindrücklich. Crowley hat nach vielen Orts- und Jobwechseln - eine eigene, winzige Wohnung gefunden. Als Cowboy ist er nur noch in der Freizeit tätig, manche der Familienmitglieder finden in Teilen wieder zusammen. Ihre Verbundenheit miteinander, mit den Tieren ist bis zum Schluss spürbar.  Der Soundtrack bietet die passende Musik zum Western, zur Landschaft, zur geschilderten Region in einem involvierenden und aufschlussreichen Film, ein amerikanisches Epos, eine starke Familien- und Coming-of-Age-Geschichte. Produziert hat sie Telekult. 





REVIEW LOCARNO: „The Cowboy“