Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Der Deutsche Entertainment Preis 2005: Sie haben eine DIVA bekommen und wurden in die "Hall of Fame" aufgenommen. Wo bewahren Sie die Skulptur auf?

Veronica Ferres:Die DIVA hat einen Ehrenplatz in meinem Büro bekommen und soll dort meine Mitarbeiter motivieren. Es war übrigens ein Wahnsinnsabend!

BF: Sie befinden sich in den letzten Drehtagen zu "Klimt". Dies ist bereits Ihre dritte Zusammenarbeit mit John Malkovich. Er soll Sie sogar für die Rolle der "Emilie Flöge" vorgeschlagen haben?

VF: John und mich verbindet eine gewachsene Freundschaft. Als Schauspieler kann er natürlich nichts anderes tun, als beim Regisseur Kollegen vorzuschlagen. Das hat er getan und Raoul Ruiz lud mich nach Paris zum Casting ein. Geplant war eine Stunde, aber es dauerte dann sieben. Die anderen Kolleginnen hatten nur eine Viertelstunde. Das fühlte sich da schon sehr gut an, zumal sich [Raoul Ruiz](/person/raoul-ruiz) sehr glücklich zeigte, dass ich so gut Französisch spreche.

BF: [Roger Willemsen](/person/roger-willemsen) hat John Malkovich in seiner Laudatio als "schlafende Bestie und "wandelnden Ernstfall" bezeichnet. Würden Sie das unterschreiben?

VF: John lässt sich von Alltagsproblemchen nie aus der Ruhe bringen, ist sehr gelassen - hat aber gleichzeitig eine unglaubliche Energie, Präsenz und Kraft. Er kann eine tiefe Emotionalität aus sich heraus holen, ob das nun Aggression ist oder Freude. Deshalb kann ich das - liebevoll gemeint - nur bestätigen.

BF: Sie drehen mit dem Altmeister Raoul Ruiz. Was ist das Besondere an der Arbeit mit ihm?

VF: Raoul Ruiz probt nicht gern - bestenfalls gibt es eine technische Probe, dann haucht er leise auf französisch eine Anweisung. Das ist sehr emotional und ganz anders, als ich Regieanweisungen gewohnt bin - aber man muss ihm nur ganz genau zuhören und es einfach so spielen, wie er es sagt. Dann bekommt die Szene eine völlig neue Dimension, als wenn man sie nur aus dem Drehbuch umsetzt.

BF: Sie spielen die Frau an der Seite des Malers Gustav Klimt. Wie würden Sie Ihre Rolle der Emilie Flöge beschreiben?

VF: Sie war ihrer Zeit weit voraus. Zum Beispiel zeigte sie nie Interesse an Heirat - eine Haltung, die in der Gesellschaft damals verpönt war. Das machte sie zur Außenseiterin in der Zeit des Wiens um 1900 und gleichzeitig zum Star in dieser Zeit des kulturellen Aufbruchs, denn sie stellte als Designerin ein kleines Mode-Imperium auf die Beine. Emilie Flöge hat die Frauen vom grausamen Mode-Zwang des Korsetts befreit und das Empire-Kleid erfunden. Sie wurde von ihnen hoch geschätzt.

BF: Gustav Klimt, gespielt von Malkovich, wurde in seinen Werken sehr stark von Frauen inspiriert und beeinflusst, stellte sie oft sehr erotisch dar. Wie passte das zu einer emanzipierten Frau wie Emilie Flöge?

VF: Klimt bewegte sich in einer reinen Frauenwelt. Er lebte bei seiner Mutter und bei seinen Schwestern, was Emilie Flöge nie gemocht hat. Die nahmen ihm wie Haushälterinnen den ganzen Alltag ab und dessen hat sich Klimt einfach bedient. Emilie Flöge fungierte quasi als seine Managerin. Kunstkritiker sagen ja auch, dass Klimt ohne sie nie so bekannt geworden wäre. Über sie bekam Klimt den Kontakt zur feinen - und reichen - Gesellschaft. Die Maler von damals haben davon gelebt, dass sie die reichen Damen portraitieren durften. Diese Aufträge hat ihm Emilie Flöge vermittelt.

BF: Wie schwierig ist denn, eine Frau zu spielen, die es wirklich gab?

VF: Auf der einen Seite bin ich froh, dass Emilie Flöge nicht leibhaftig ans Set kommen und Kritik üben kann, auf der anderen Seite sind sie und Klimt tot, man kann die beiden also nicht mehr um Rat fragen. Das könnte aber auch hinderlich sein, denn ich brauche als Künstlerin die Freiheit und die Fantasie, um die Figur auszufüllen.

BF: War die Anwesenheit von [Kerstin Cameron](/person/kerstin-cameron) am Set von "Kein Himmel über Afrika" problematisch?

VF: Ich unterhielt mich mit Kerstin unmittelbar, bevor wir das Schlussplädoyer in der Gerichtsszene drehten. Sie sagte mir, ihre Anwälte hätten ihr geraten stolz und klar aufzutreten und ja keine Schwäche zu zeigen. Es sähe sonst so aus, als wolle sie die Richter billig auf ihre Seite ziehen. Ich hätte gern noch mehr erfahren, aber wir wurden unterbrochen und ich musste ans Set.

BF: Und Sie hielten sich an den Ratschlag?

VF: Mitten in der Szene liefen mir plötzlich die Tränen übers Gesicht. Ich sah diese Frau, die alles verloren hat, die grausame Verleumdungen ertragen musste und deren Leben zu Unrecht mit dem Galgen bedroht wurde. Ich verlor den Boden unter den Füßen und hoffte, dass Regisseur [Roland Suso Richter](/person/roland-suso-richter) abbricht. Das tat er aber nicht, also kämpfte ich gegen den Schmerz an und spielte zuende. Roland meinte dann, das wäre der emotionalste Moment, der ihm als Regisseur je widerfahren ist. Ich sagte: "Du Hund! Du hast das alles so kalkuliert."

BF: Hatte er?

VF: Er hat das chronologisch gedreht, so dass ich die ganzen Tage vorher im Gericht zwar nie was sagen durfte, aber mit anhören musste, wie Lügen und kübelweise Dreck über mir, also meiner "Catherine" ausgekippt wurden. Er hat die Wut in meinem Bauch über Tage angeheizt.

BF: Und was sagte Kerstin Cameron?

VF: Ich lief zu ihr und wollte mich dafür entschuldigen, dass ich das so verfälscht habe. Aber sie sagte: "Moment - wir wurden doch unterbrochen. Im Zeugenstand ist mir nämlich genau das gleiche passiert, wie Dir vorhin." Im Schlussplädoyers des Richter hieß es, dass diese Aussage die wahrhaftigste unter all diesen Vorwürfen und Lügen war. Sie war der Hauptgrund für den Freispruch. Diese Geschichte hat das Eis zwischen uns gebrochen und ich wusste, das Kerstin Cameron jetzt eine potenzielle Schwester ist.

BF: Sie haben gemeinsam mit ihrem Mann Martin Krug "Kein Himmel über Afrika" mitproduziert. Wie kamen Sie zu diesem Stoff?

VF: Wir haben nach einem Artikel in der "Süddeutschen Zeitung" - "Weiße in Schwarzafrika inhaftiert. Wird sie zum Tode verurteilt?" - Kontakt zu ihr aufgenommen. Ich habe mich damals gefragt: Was ist da vorgefallen, was ist das für ein Schicksal? Es hat mich brennend interessiert, diese Frau kennenzulernen. Martin hat dann wie Sherlock Holmes eine Faxnummer herausgefunden und nahm Kontakt nach Arusha ins Gefängnis auf. Es gelang uns, sie fünf Tage nach der Entlassung nach München zu holen und sie kennenzulernen.

BF: Das ist Jahre her ...

VF: Das Projekt ist heute so alt wie unsere Tochter, es nahm knapp vier Jahre in Anspruch. Ich wollte sicher sein, dass dieses Stück Geschichte eines Menschen den Aufwand lohnt: Rechte optionieren, die Investition von viel Zeit und viel Geld. Wir sorgten für einen Kontakt zum Ullstein Verlag, der den Roman heraus brachte. Der war wochenlang auf den Bestsellerlisten, was noch andere Interessenten für eine Verfilmung anlockte, sogar Hollywood-Studios. Mein Mann kämpfte anderthalb Jahre, um die Rechte zu bekommen. Dann haben wir begonnen, eine internationale Koproduktion auf die Beine zu stellen.

BF: "Kein Himmel über Afrika" ist ein TV-Zweiteiler, der von [Warner](/company/warner-home-entertainment-germany) auf DVD herausgebracht wird. Wäre das nicht auch ein guter Stoff fürs Kino gewesen?

VF: Das ist richtig. Es gab auch Produzenten, die diese Geschichte gern im Kino sehen wollten. Wir hatten aber das Problem der Materialfülle. 800 Seiten Buch-Fahne und die Recherche in Tansania boten so viel Stoff, dass wir gar nicht wussten, wie wir das in einem Zweiteiler unterbringen sollen, geschweige denn in einem Kinofilm. Wir haben uns dann für den - internationalen - zweiteiligen Fernsehfilm entschieden mit vier koproduzierenden Ländern.

BF: Die große mehrteilige TV-Produktion anschließender DVD-Verwertung liegt derzeit im Trend. Die andere große Entwicklung sind Reality-TV-Formate wie "Das Dschungelcamp", "Die Alm" oder "Die Burg". Wie sehen Sie diese sehr konträre Entwicklung im TV?

VF: Ich finde, dass derlei zu Anfang durchaus einen voyeuristischen Thrill haben kann, es sich aber schnell abnutzt. Die "Burg"-Geschichte fand ja in der Öffentlichkeit kaum noch statt. Es funktioniert wie im Kolosseum im alten Rom - Brot und Spiele - und ich bin davon kein Freund. Diese Realityformate sind kurzlebig und haben nichts mit dem zu tun, was ich vom Leben und von meinem Beruf will.

BF: Sie haben in Ihrer Präsenz das Format verkleinert - von der Leinwand auf den Bildschirm - sind aber in Ihren Rollen anspruchsvoller geworden. War das ein bewusster Wandel oder hat sich das einfach so entwickelt?

VF: Das ist schon ein bewusster Wandel. Ohne den Glauben eines Produzenten wie [Nico Hofmann](/person/prof-nico-hofmann) an meine Begabung und meine Fähigkeiten wäre das sicher nicht so passiert. Ebenso beeindruckend finde ich, dass das Publikum meinen Weg von der blonden Sexbombe zur Charakter-Darstellerin mitgegangen ist. Ich weiß das wirklich zu schätzen und empfinde es als große Motivation. Übrigens: Da ich unmittelbar nach "Klimt" in einer weiteren Kinoproduktion spiele, wird 2005 durchaus wieder Kinojahr für mich sein. Das ist aber keine Wertung: Ich bin von einer tollen TV-Produktion genauso erfüllt. Die Rolle und das Umfeld sind entscheidend, nicht das Medium.

Veronica Ferres über ihre aktuellen Filmprojekte