Blickpunkt:Film

Kino

Warum haben Sie 16 Jahre gewartet, um Ihren Rocky wieder in den Boxring zu schicken?
Ich bin sechs oder sieben Jahre mit meinem Drehbuch hausieren gegangen. [MGM](/company/mgm-metro-goldwyn-mayer-inc) wurde damals von %Alex Yemenidjian% geleitet, der sich mit der Arbeit eines Filmstudios allerdings nicht wirklich auskannte. Er sagte mir von Angesicht zu Angesicht: "Rocky ist tot, und du bist es auch!" Wirklich, das war sein Kommentar, obwohl es im Buch gar nicht um mich ging, sondern um jemanden in meinem Alter, der sich noch ein bisschen lebendig führt. Aber das interessierte niemanden.

Trotzdem kam das Projekt "[Rocky Balboa](/movie/rocky-balboa)" nun doch noch zustande...
Alex Yemenidjian wurde irgendwann gefeuert. Ein neuer Mann übernahm bei MGM das Ruder, den ich an einem Neujahrstag zufällig in einem kleinen mexikanischen Restaurant traf. Ich war an diesem Tag mies drauf, saß bereits an meinem fünften Tequila, als er auf mich zukam und mich fragte, woran ich gerade arbeite. Wir kamen auf Rocky zu sprechen, er nahm das Drehbuch mit nach Hause, wo es von seiner Frau gelesen wurde. Sie weinte und forderte ihn auf, daraus einen Film zu machen. Tja, was wäre das Filmgeschäft ohne Frauen?

Sie haben Ihr schauspielerisches Talent lange für drittklassige Thriller vergeudet. Wird es Ihnen mit "Rocky Balboa" gelingen, aus dem Karrieretief wieder herauszukommen?
Rocky ist die Rolle, mit der ich berühmt wurde und mit der ich immer eng verbunden sein werde. Warum ich diesen Film unbedingt machen wollte? Weil "[Rocky V](/movie/rocky-5)" ein verdammt schlechter Film war. Es fehlte ihm an Herz, wahrscheinlich weil ich mich damals tatsächlich so leer fühlte. Nach "Copland" ging es ab 1996 mit meiner Karriere langsam bergab. Daran konnte ich nichts ändern, aber ein Gedanke ließ mich nicht mehr los: Ich wollte Rocky ein besseres Ende schenken.

Wie sind Sie beim Schreiben des Drehbuchs vorgegangen, um die Schwächen aus "Rocky V" auszubügeln?
Ganz einfach, ich habe all das aufgenommen, was mir im Leben auch gerade selbst passierte. Dinge wie Erfolg und Ruhm, die ich verloren hatte, Schwierigkeiten mit meinen eigenen Kindern - all das floss in die Figur ein. Ich dachte: Ja, so fühlt sich Rocky authentisch an. Im Grunde genommen geht es doch um das Leben und nicht ums Boxen.

Stimmt es, dass Ihnen ein minimales Budget für die Realisierung zur Verfügung gestellt wurde?
Es grenzt an ein Wunder, dass ich "Rocky Balboa" überhaupt fertig stellen konnte. Ein durchschnittlicher Film kostet heutzutage um die 54 Millionen Dollar, ich bekam knapp 20 Millionen, obwohl offiziell von 24 Millionen die Rede ist. Es ist zu einem richtigen Problem geworden, kleine Filme zu machen und neuen Talenten damit eine Chance zu geben. Als ich ins Filmgeschäft einstieg, produzierten die Studios durchschnittlich 30 Filme im Jahr. Heutzutage sind es um die acht, höchstens elf Filme.
"Nach 'Copland' ging es bergab"
Was lief Ende der 90er für Sie falsch, dass es zu einem Karriereknick kommen musste?
Ich denke, es lag an der Qualität der Filme, die mir angeboten wurden, und da nichts Besseres kam, nahm ich sie an. Ich verlor immer mehr die künstlerische Kontrolle über die Filme, und bei den Studios geriet ich irgendwann in Vergessenheit. Klar hoffte ich, dass irgendein begabter Independent-Regisseur etwas Ähnliches wie "[Pulp Fiction](/movie/pulp-fiction)" anbieten würde, aber das passierte nicht.

Wie konnten Sie sich die künstlerische Kontrolle über Ihre Projekte nehmen lassen?
Das ist sicherlich mein eigener Fehler, weil ich mir dachte, es ist besser überhaupt noch zu arbeiten als gar nicht mehr. Ob Sie es glauben oder nicht, aber eines meiner besten Drehbücher, die ich je geschrieben habe, war das zu "[Driven](/movie/driven_6)". Was daraus geworden ist, hat man gesehen. Ein schlechter Film ist daraus geworden, aber ich hatte keine andere Wahl. Der Regisseur drohte, sollte ich nur ein Bild an dem Film verändern, würde er seinen Namen zurückziehen.

Nach "Rocky Balboa" haben Sie sich sofort mit der zweiten Kultfigur beschäftigt, mit der Sie die 80er geprägt haben: Rambo...
Rambo ist natürlich ein völlig anderer Mensch als Rocky. Er ähnelt mehr Frankensteins Monster. Er ist Pessimist, und er hasst die Welt ebenso wie sie ihn. "Rambo IV - Pearl of the Cobra" (Arbeitstitel) wird auf jeden Fall ein absolut düsteres Drama über den Konflikt, dass eine Gesellschaft ihre Soldaten einerseits braucht, sie andererseits aber auch verabscheut. Jedenfalls fiel es mir deutlich schwerer, Rambo wieder zum Leben zu erwecken. Rocky redet permanent, Rambo hingegen kriegt kaum den Mund auf.

Welche dieser beiden Figuren entspricht eher Ihrer eigenen Persönlichkeit?
Zweifelsohne ist das Rocky! Er ist für mich wie ein Bruder, zu dem ich eine Seelenverwandtschaft spüre. Es wird sehr schmerzlich für mich sein, nie wieder ein Drehbuch für ihn zu schreiben, aber man muss den Dingen im Leben einen guten Abschluss geben und sich dann anderen Herausforderungen stellen.

Wie wird es nach dem Abschluss der "Rocky"- und "Rambo"-Serien weitergehen?
Ich plane noch immer, meinen Edgar Allan Poe-Film zu machen. Als Regisseur habe ich bereits klare Vorstellungen von der Visualisierung. Wenn alles gut geht, können wir in diesem Jahr mit den Dreharbeiten beginnen. Was danach kommt? Abwarten! mt

Sylvester Stallone über "Rocky Balboa"