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Kino

Robert Schwentke über "Eierdiebe" und US-Projekte

Mit "Eierdiebe" (Odeon/Filmwelt, 22. Januar) liefert Robert Schwentke nach "Tattoo" seine zweite Regiearbeit ab. Nach der schwarzhumorigen Geschichte um einen an Hodenkrebs erkrankten jungen Mann hat der vielseitige Regisseur drei Hollywood-Projekte in Aussicht.

stei19.01.2004 09:18
Robert Schwentke
Robert Schwentke

Blickpunkt:Film: Wie populär muss man einen Film über Krebs machen, um ein Publikum zu erreichen und dennoch wahrhaftig zu bleiben?

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Robert Schwentke: Diese Balance zu halten, war in der Tat schwierig. Der Film ist ein Amalgam aus von mir selbst Erlebtem, Erdachtem und Erzähltem. Doch was zu 100 Prozent der Realität entspricht, ist die Tonalität des Films, die sich aus der Wahrnehmung des Hospitalablaufs ergibt. Ich habe mich über viele Filme sehr geärgert, die sich mit dem Sterben auseinander setzen, weil sie vornehmlich gemacht werden, um Mitleid zu erwecken. Mitleid ist meiner Ansicht nach eine sehr egoistische Emotion. Wer Mitleid hat, schaut von außen rein. Und eigentlich ist es für Filmemacher nicht sehr interessant, da es einfach hervorzurufen ist. Ich wollte einen Film machen, in dem man von innen nach außen schaut. Das bedeutet, auf Mitleid, Melodrama und Sentimentalität zu verzichten und zu versuchen, den Ablauf in einem Hospital, wie ich ihn erfahren habe, darzustellen. Das Publikum an etwas Schweres heranzuführen, war nur Nebeneffekt. Ich möchte mit dem Publikum in Kontakt treten. Das geht am besten, wenn man seine Wahrnehmung kommuniziert. Das Mittel bei "Eierdiebe" ist das der Komödie. "Eierdiebe" ist eigentlich ein Film über das Überleben und weniger über das Sterben.

BF: Das Sterben ist eines Ihrer Themen. Wie bewerten Sie das Sterben in unserer Gesellschaft?

RS: Unsere Gesellschaft ist besessen von ewiger Jugend, ewiger Schönheit und ewigem Leben. Wir haben es geschafft, das Sterben und den Tod als etwas Abstraktes zu marginalisieren, das mit unserem Alltagsleben nichts mehr zu tun hat. Dadurch marginalisiert man auch die Menschen, die sterben. Das war einer der Beweggründe, diesen Film zu machen. Ich habe gespürt, wie stark man an den Rand gedrängt wird, wenn man krank ist. Nicht nur hat man Krebs, man ist auch noch selbst dran schuld. Nur weil einem Haare fehlen, wird man anders behandelt. Im Film gibt es eine Szene, in der Krebskranke von der Polizei für Drogenabhängige gehalten werden - das ist tatsächlich passiert. BF: Ihre beiden Filme haben eine klare visuelle Ästhetik.

RS: Für mich ergibt sich die Ästhetik eines Films aus dem Thema. Ich versuche, das adäquate Bild für den Inhalt zu finden. Ich setze Ästhetik nie auf, nur weil es gerade Mode ist. Bei "Eierdiebe" haben wir mit kurzen Brennweiten gearbeitet, weil die Umgebung des Hospitals so wichtig ist für die Menschen. Bei "Tattoo" haben wir mit dem Fortschreiten der Geschichte längere Brennweiten benutzt, um zu zeigen, wie die Personen den Bezug zur Realität verlieren. "Eierdiebe" ist so subjektiv wie möglich gedreht worden.

BF: Ihnen liegen drei Angebote aus den USA vor: der Thriller "Flight Plan" für Imagine und Disney, "Man with the Football" für Neal H. Moritz und Columbia und "The Last Voyage of the Demeter" für Phoenix. Ganz schön viel für einen jungen Deutschen, der zwei Filme gemacht hat.

RS: "Tattoo" ist sehr gut angekommen, was auch an seinem amerikanischen Look gelegen haben mag. Hollywood entdeckt gern Talente, und ich bin nach Los Angeles eingeladen worden, um Gespräche zu führen. Da ich dort zur Schule gegangen bin, studiert und gearbeitet habe, bin ich mit Mentalität, Kultur und Sprache der Amerikaner vertraut. So gibt es aus deren Sicht keine Probleme für mich, dort Filme zu machen. Ich gehe davon aus, dass entweder "Flight Plan" oder "Man with the Football" Ende März/Anfang April in Produktion gehen werden. "Demeter" wird gerade umgeschrieben. Die drei Filme werden zwischen 50 und 80 Mio. Dollar kosten und brauchen dementsprechend große Stars und große Starts. Bei "Flight Plan" ist die Idee des Films groß genug, sodass wir hier auf Schauspielerqualität gehen werden.

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