Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Ganz schön mutig, in Zeiten harter Jungs einen Blick auf junge Liebe in Zeiten von Aids zu werfen.

Almut Getto: Eine deutsche Kinokomödie zu drehen, entspricht nicht meinem Wesen. Mir ist aufgefallen, dass kaum noch jemand über Aids spricht, als ob es das nicht mehr gäbe. Als ich so jung war wie meine Protagonisten, herrschte eine richtige Hysterie. Ich bin ein romantisch veranlagter Mensch und wollte eine Geschichte erzählen, in der Verliebte in ein Dilemma geraten. Das größte Dilemma heißt heute Aids, aber ich haben keinen Aids-Film gedreht.

BF: Wie kam es zu dem Projekt?

AG: Meinen Produzenten kannte ich aus der Zeit als Filmstudentin an der Kunsthochschule Köln. Mein eigentlicher Stoff, das Drama "Sieben Tage Leben" über drei Frauen in den Dreißigern, war für ein Erstlingswerk zu teuer. Da habe ich mir diese Liebesgeschichte ausgedacht mit einem Budget von ungefähr 1,3 Mio. Euro. Wir waren stark unterfinanziert, wenn man bedenkt, dass der Film Stunts, Animation und Unterwasseraufnahmen enthält. Aber das Drehbuch wurde direkt von der [Filmstiftung NRW](/company/film-und-medienstiftung-nrw) gefördert und vom [Kuratorium Junger Deutscher Film](/company/stiftung-kuratorium-junger-deutscher-film). Niemand versteht, warum das Thema nicht eher in diesem Kontext behandelt wurde. Ich habe offene Türen eingerannt. Wenn sich Filme mit Aids beschäftigen, geht es meistens um Schwule oder - bei großer Courage - um HIV-infizierte Frauen oder Sterbenskranke. Ich habe mich bewusst für jugendliche Hauptfiguren entschieden.

BF: Wollten Sie mit dem Titel provozieren?

AG: Als ich wusste, ich erzähle die Liebesgeschichte eines 16-jährigen HIV-Positiven mit Affinität zu Fischen, war mir klar, dass die Frage "Ficken Fische eigentlich" kommen musste. Der Titel ist nicht nur eine Alliteration, sondern er bringt zwei Dinge zusammen, die eigentlich nicht zusammen gehören - wie die Lust der Jugend am Leben und eine tödliche Krankheit.

BF: Sie waren vorher Journalistin. Woher kam der Wunsch, als Regisseurin neu zu starten?

AG: Das war ein langsamer, langwieriger Prozess. Über vier Jahre arbeitete ich bei verschiedenen Sendern wie [RTL](/company/rtl-television), [ORB](/company/ostdeutscher-rundfunk-brandenburg-orb) oder [SAT.1](/company/sat1-satellitenfernsehen). Der Wendepunkt war eine erschütternde Reportage in den Slums von Kalkutta. Auf dem Bildschirm sah hinterher alles so schön bunt aus, das Elend ließ sich nicht wirklich vermitteln. Auch dieses ständige Auf-Termin-Arbeiten, der Mangel an Zeit war auf Dauer unbefriedigend. Ich komme vom Dokumentarfilm und bleibe ihm in irgendei-ner Form auch in Zukunft treu. Die Welt da draußen ist voller toller Geschichten, die kann man sich im Spielfilm gar nicht ausdenken, niemand würde sie glauben. Bei diesem Thema hätte ich allerdings die Kids nie vor die Kamera bekommen, noch nicht mal ins Radio, weil sie die folgenschwere Entdeckung befürchtet hätten. Da eröffnete der Spielfilm ganz einfach bessere Möglichkeiten.

BF: Wie sieht es mit einem Nachfolgeprojekt aus?

AG: Ich hoffe auf einen weiteren Spielfilm. Es sind mehrere Ideen in der Mache. So schnell, wie man nach dem ersten Film hochgelobt wird, kann man mit dem zweiten eine Bauchlandung machen. Ich habe keine Angst, weiß aber, dass ein Film wie "Sieben Tage Leben" zu komplex und zu off-market ist. Ich will auf jeden Fall bei der Filmstiftung NRW mit einem Stoff in die Drehbuchförderung gehen. Das muss ich auch, weil ich pleite bin. Wenn man zweieinhalb Jahre an einem Projekt arbeitet und nicht weiß, wie man die Miete bezahlt, muss man sich einen gewissen Pragmatismus zulegen. Ich will nicht klagen, aber als Regisseurin hat man es doppelt schwer, muss wesentlich besser sein als Männer.

Regisseurin Almut Getto zu "Fickende Fische"