Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Wie verkraften Sie die Ablehnung?

Vincent Gallo: Ich schaue mir eigentlich nie meine Filme an. Es war das schlimmste Gefühl meines Lebens, die harschen Reaktionen in einem Kino mit 3000 Zuschauern mitzuerleben. Damit hatte ich nicht gerechnet, es tat weh.

BF: Wollten Sie mit dem Blow-Job provozieren?

VG: Ich war mir nicht bewusst, dass andere Leute schockiert sein könnten. Gerade in Frankreich erwarte ich eine Aufgeschlossenheit in sexuellen Dingen. Aber da habe ich mich gründlich geirrt.

BF: Gibt es in den USA ein Publikum für "The Brown Bunny"?

VG: Darüber mache ich mir keine Gedanken. Es ist doch selbstverständlich, dass ich einen Film nicht für die Schublade drehe, sondern für eine Öffentlichkeit. Aber ich bin entsetzt über die Presse. Meine Offenheit in der Pressekonferenz wurde nicht gewürdigt, sondern nur einige Anmerkungen herausgepickt wie die, dass die Zusammenarbeit mit [Winona Ryder](/person/winona-ryder) nicht klappte. Statt meine Ehrlichkeit zu honorieren, werde ich abgestraft.

BF: Auch [Ed Wood](/person/edward-d-wood-jr) machte einiges durch, bevor er Kult wurde.

VG: Das nützt mir relativ wenig, auch wenn ich Sympathien für unterschätzte und missverstandene Künstler hege. Was ich als gut und fantastisch empfinde, scheint nicht den allgemeinen Vorstellungen zu entsprechen. Ich habe hart an diesem Film gearbeitet und bin enttäuscht, dass mein Geschmack unpopulär ist. Ich halte mich nicht für überkandidelt und egoistisch, wollte nie einen prätentiösen oder selbstgefälligen Film drehen, sondern bin einfach ein Perfektionist und stelle hohe ästhetische Forderungen an mich. Allein die passenden Linsen auszuwählen und anfertigen zu lassen, dauerte 19 Monate. Dass einige Franzosen akademische Diskussionen führen, macht mich auch nicht glücklicher. In den USA habe ich wohl an Glaubwürdigkeit verloren.

BF: Warum zeigen Sie die Oralsex-Szene bis ins Detail?

VG: Ich verstehe die Differenzierung nicht. Wenn ich vier Minuten mit der Kamera aus der Windschutzscheibe filme, warum dann nicht auch eine Sex-Szene? Die würde ohne die plastische Darstellung nicht funktionieren. Es ist bezeichnend, dass wir nie darauf achten, wie Menschen in diesem Moment der Intimität aussehen, sondern verschämt weggucken. Wie hätte ich diese Intensität ohne wirklichen Sex erreicht? Warum müssen wir immer alles faken? Mir ging es auch um die Nebeneinanderstellung von komplexer Narration und Gefühlsausbruch.

BF: Wie konnten Sie [Chloë Sevigny](/person/chloe-sevigny) überzeugen?

VG: Sie ist eine wunderbare Schauspielerin, sehr verwundbar, sehr engagiert und erkannte das Potenzial der Rolle. Mag mein Film auch als der schlechteste aller Zeiten gelten, ich hal-te sie für die größte Schauspielerin, die ich kenne.

BF: Sie fungieren als Produzent, Regisseur, Autor, Produktions-Designer, Kameramann und Cutter. Ist das nicht ein bisschen viel?

VG: Die Frage ist falsch gestellt. Es geht vielmehr darum, wie ich es geschafft habe, die Inkompetenz der anderen drei Mitarbeiter zu ertragen und den Film trotzdem auf die Beine zu stellen.

Regisseur Vincent Gallo zu "The Brown Bunny"