Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Was war der Ausgangspunkt dieses Dramas - der Genozid in Ruanda oder die Figur von Paul Rusesabagina?

Terry George: Ich habe mich in den vergangenen Jahren viel mit Afrika beschäftigt und halte es für meine Pflicht als Filmemacher, Interesse für diese Region zu wecken. So ist "[Black Hawk Down](/movie/black-hawk-down)" kein Film über Afrika, sondern ein amerikanischer Kriegsfilm. Zuerst wollte ich von ganz normalen Afrikanern und den Wirren des Bürgerkriegs in Liberia erzählen. Ich schrieb schon am Drehbuch, als ich auf das Skript von [Keir Pearson](/person/keir-pearson) stieß und kurz darauf saßen wir mit Paul Rusesabagina in Brüssel zusammen. Mich reizte vor allem seine Geschichte, nicht nur wegen des Mutes der Afrikaner, sondern auch wegen der Haltung des Westens, der wegschaute wie heute beim Konflikt um Darfur. Ein Stoff mit allen Elementen für einen richtig guten Film: Polit- Thriller, Love-Story, Aufschrei nach Gerechtigkeit.

BF: Inwieweit war Paul Rusesabagina in das Projekt eingebunden?

TG: Wir sind zusammen alle Details durchgegangen, er stand uns beratend zur Seite. [Don Cheadle](/person/don-cheadle) und er tauschten sich ständig aus, schrieben sich E-mails und telefonierten miteinander. Uns war der Blick von Innen wichtig, auch weil ich mich auf die Beziehung zwischen Paul und seiner Tutsi-Ehefrau konzentriere. Nachdem Paul das Drehbuch gelesen hatte, versicherte er uns, zu 90% sei alles so passiert.

Ein Spielfilm ist die beste Art des Geschichtenerzählens, um Aufmerksamkeit und Emotionen zu wecken.

BF: Warum ein Spiel- und kein Dokumentarfilm?

TG: Als Nordire und Leidtragender eines Bürgerkrieges bin ich sensibilisiert. Ein Spielfilm ist die beste Art des Geschichtenerzählens, um Aufmerksamkeit und Emotionen zu wecken. Nach [Jim Sheridans](/person/jim-sheridan) "[Im Namen des Vaters](/movie/im-namen-des-vaters)", zu dem ich das Drehbuch schrieb, engagierten sich US-Politiker intensiver im nordirischen Friedensprozess. "Hotel Ruanda" könnte Auslöser für ein Nachdenken über den Völkermord in Ruanda sein.

BF: Sie vermeiden ganz brutale Massaker-Szenen.

TG: Wie kann ich das Unmögliche auf die Leinwand bringen? Wenn aufgehetzte Menschen ihre Nachbarn mit Macheten in Stücke zerhacken - das wäre nicht auszuhalten gewesen. Ich wollte und konnte das Entsetzliche nicht realistisch zeigen.

BF: "Hotel Ruanda" wurde mit Produzent [Alex Kitman Ho](/person/a-kitman-ho) unabhängig produziert. Kein Thema für Hollywood?

TG: Ho war die Rettung. Uns war schnell klar, dass wir für dieses Projekt kein Geld aus Hollywood bekommen würden, sondern unabhängig finanzieren mussten. Im Nachhinein bin ich froh darüber, ein Studio fordert "Big Names", wir konnten dagegen die Hauptrollen mit unseren Wunschkandidaten Don Cheadle und [Sophie Okonedo](/person/sophie-okonedo) besetzen. Ich hatte auch keine Lust, das Ganze aus der Perspektive des kanadischen UN-Colonels aufzurollen und nur eine weitere Heldensaga über das Scheitern eines ehrenwerten weißen Mannes in Schwarzafrika zu liefern. So wurde "Hotel Ruanda" eine südafrikanisch-englisch-italienische Koproduktion, in die Ho und ich auch Geld steckten. Glücklicherweise war die staatliche Industrial Development Corporation (IDC) in Johannesburg an einer Filmproduktion in Südafrika interessiert und schoss ungefähr 9,5 Mio. zum rund 18-Mio.-Dollar Budget zu. [Nick Nolte](/person/nick-nolte) meldete sich für die Rolle des UN-Colonels und [River Phoenix](/person/river-phoenix) für die des Reporters, besser konnte es nicht laufen. Alle Beteiligten zeigten sich wahnsinnig engagiert.

BF: Wie verliefen die Dreharbeiten in Südafrika?

TG: Da ist die Infrastruktur gut ausgebaut, die Techniker exzellent ausgebildet. Wegen des für einen Film dieser Größenordnung doch sehr knappen Budgets durften wir keinen zusätzlichen Tag dranhängen, 50 Tage Drehzeit bedeuteten Stress. Oft musste ich aufgrund des Wetters morgens noch Szenen umschreiben. Für Schauspieler eine ziemliche Strapaze. Anfangs hatte ich Angst, in den als gefährlich geltenden Townships Alexandra und Thembisa zu drehen, aber wir blieben unbehelligt.

"Was nützt der Final Cut, wenn es Ärger gibt?"

BF: Hatten Sie den Final Cut?

TG: Mit dem Final Cut ist es eine seltsame Sache. Jeder hält ihn für unheimlich wichtig. Aber noch wichtiger ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Studio. Was nützt der Final Cut, wenn es Ärger gibt? United Artists als Verleiher hatte das letzte Wort, aber sie nutzten ihre Position nicht aus. Ich folge als Regisseur zwei Prinzipien: Ein Film, der länger dauert als zwei Stunden sollte besser sein als "[Der Pate](/movie/der-pate)" und wenn sechs Leute mir sagen, da stimmt was nicht mit der Szene, dann haben sie wahrscheinlich Recht. Bei Regie, Produktion und vor allem beim Schnitt schätze eine kooperative Zusammenarbeit. Ich vertraue dem Instinkt anderer. Nur beim Schreiben bin ich eigenbrötlerisch. Ein Drehbuch ist wie ein Kartenhaus, entfernt man eine Karte, bricht das ganze Gebäude zusammen.

BF: Machen Sie weiter mit Polit-Filmen?

TG: Ich schreibe für Jim Sheridan ein Drehbuch und plane anschließend ein neues Projekt als Regisseur mit Alex Kitman Ho. Wieder ein politisches Thema, aber mainstreamiger aufbereitet.

Regisseur Terry George zu "Hotel Ruanda"