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Kino

Blickpunkt:Film: Das Drehbuch zu "Das Experiment" wurde von Autor [Mario Giordano](/person/mario-giordano) selbst adaptiert?


Oliver Hirschbiegel: Mario Giordano hat die ersten zweieinhalb Fassungen geschrieben. Ab einem Punkt haben wir gesehen: Wir brauchen jetzt jemanden, der mit Struktur umgehen kann. [Don Bohlinger](/person/don-bohlinger) und [Christoph Darnstädt](/person/christoph-darnstaedt) haben jeweils eine Fassung geschrieben. Schließlich hatten wir drei Drehbücher mit unterschiedlichen Ansätzen. Ich holte mir Bohlinger und Darnstädt und wir setzten alles neu zusammen.


BF: Was wurde verändert?


OH: Der Roman springt ständig zwischen dem Knast und der Außenwelt, also Dora, hin und her. Prinzipiell gefiel mir das, ich wusste allerdings, dass man Dora noch mehr reduzieren musste, um die Spannung zu halten. Ein Film muss in einer limitierten Zeit eine Geschichte erzählen, irgendwann werden Parallelmontagen einfach schlapp.


BF: Das Original-Experiment wurde von den Wissenschaftlern abgebrochen, bevor es Tote gab.


OH: Die Gemeinheit und die Quälereien der Wärter setzten im echten Experiment jedoch viel früher ein. Ich habe versucht, das Ganze moderater anzugehen, damit es glaubwürdiger ist, was da passiert. Beschäftigt man sich mit dem Originalexperiment, denkt man, das kann nicht sein! Das sind Studenten, die sich wie Monster aufführen!


BF: Ihr Film weckt starke Assoziationen mit dem Dritten Reich und der Diskussion um Mitläufer, Mittäter und Zivilcourage.


OH: Jeder Mensch, der sich mit dieser Thematik beschäftigt, hat natürlich das Dritte Reich im Kopf, weil das ein Synonym ist für all das. Zum Thema Zivilcourage ist das natürlich ein Film, der passt. Es geht darum, dass man verantwortlich ist für sein Handeln, egal welchen Befehlen man zu folgen hat. Ich glaube, das ist auch das Verstörende an dem Film, die Leute merken, dass der Abgrund, den wir alle in uns haben, nicht weit weg ist.


BF: Es heißt, Sie hätten noch bis Drehbeginn am Buch gearbeitet.


OH: Bis zum letzten Tag. Ich habe sogar während des Drehs in den Morgenstunden noch Seiten geschrieben, zum Teil mit den Schauspielern zusammen. Die Szene, in der [Moritz Bleibtreu](/person/moritz-bleibtreu) und [Christian Berkel](/person/christian-berkel) sich unterhalten und anfangen, zu lachen, haben die beiden gemeinsam am Morgen des Drehs entwickelt.


BF: Wie haben die Schauspieler darauf reagiert?


OH: Die mussten das erst mal lernen. Ich habe Hausaufgaben verteilt, jeder sollte vorbereitet kommen und sich zusätzlich noch etwas ausgedacht haben. Die Interviews sind beispielsweise reine Improvisation.


BF: Sie haben von Anfang an Moritz Bleibtreu als Hauptdarsteller eingeplant. Warum ihn?


OH: Moritz und ich wollten schon länger etwas zusammen machen und hatten schon mal besprochen, was ihn fasziniert und was ich gern machen würde. Dann habe ich den Roman gelesen und mir sofort Moritz vorgestellt. Er war gleich dabei. Es war eine fruchtbare Zusammenarbeit, die wir wiederholen werden.


BF: Sie haben früher von Ihren Lieblingsfilmen wie "Der unsichtbare Dritte" Storyboards angefertigt?


OH: Das habe ich gemacht, um zu begreifen, wie Film eigentlich funktioniert. Ich hatte bei "[Das Go! Projekt](/movie/das-go-projekt)" hoch gepokert und das Buch nur unter der Bedingung verkauft, dass ich es selbst inszenieren darf. Ich wurde über Nacht Regisseur und habe versucht, mir in einem Dreivierteljahr die Basis des filmischen Erzählens beizubringen.


BF: Die Videoaufnahmen mit Tarkes Brille sind ein interessantes optisches Detail des Films.


OH: Es gibt ja wirklich solche Brillen, die wurden für Lehrfilme in der Chirurgie entwickelt. Sie sind allerdings qualitativ zu gut für unseren Zweck. Also haben wir so ein Ding mit einer minderwertigeren Kamera gebaut. Alles, was mit ihr gedreht ist, hat Moritz selbst gefilmt. Er hat gleichzeitig gespielt und aufgenommen. Das ist wohl eine Weltpremiere!


BF: Von der Kritik wurde Ihr Film bisher äußerst positiv aufgenommen. Wie schätzen Sie seinen kommerziellen Erfolg ein?


OH: Ich habe immer gesagt, Qualität setzt sich durch, wenn man den Leuten einen klugen und spannend-unterhaltenden Film vorsetzt. Diese Behauptung muss ich jetzt einlösen. Ich glaube und hoffe, dass der Film ein Erfolg wird, was bedeutet, dass 700.000 bis 800.000 Leute ihn ansehen.


BF: Wird er auf Festivals laufen?


OH: Darüber kann ich noch nichts sagen. Mir war wichtig, dass wir keinen Festival-, sondern einen ganz normalen Kinostart haben. Ich legte von Anfang an Wert darauf, dass das kein Lehrstück ist, sondern spannende, kluge Unterhaltung. Das ist das, was ich machen möchte. Das startet man besser im Kino.


BF: Werden Sie jetzt beim Film bleiben?


OH: Ich gehe dahin, wo die guten Geschichten sind, ob das nun Kino- oder TV-Projekte sind. Klar ist es spannender, Kinofilme zu machen. Die Leinwand ist einfach magisch. Jetzt auf Zwang nur noch Kino zu machen, wäre jedoch das Blödeste, was ich machen könnte.

Regisseur Oliver Hirschbiegel zu "Das Experiment"