Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Sie übernahmen die Regie sehr kurzfristig, weil der ursprüngliche Regisseur, [Roger Michell](/person/roger-michell), einen Herzinfarkt erlitt. Wie kann man in so knapper Zeit einem Film seinen Stempel aufdrücken?


John Madden: Zu diesem Zeitpunkt stand nur eines fest: dass [Nicolas Cage](/person/nicolas-cage) Interesse hatte. Das Skript war aber bei weitem noch nicht fertig, und deshalb sagte ich gleich: Wir müssen wieder von vorne anfangen - wenn auch mit dem gleichen Autor, nämlich Shawn Slovo. "Corellis Mandoline" verkörpert in der vorliegenden Form meine Vision.


BF: Welche Änderungen haben Sie vornehmen lassen?


JM: Die Geschichte war noch nicht filmisch genug. Der Roman von Louis de Bernières hat zu viele unterschiedliche Nebenhandlungen, die gestutzt werden mussten. Die stärkste Veränderung gegenüber dem Buch ist die, dass sich in unserer Filmfassung die Rivalen Corelli und Mandras tatsächlich begegnen.


"Wir strengten uns an, nichts zu idealisieren"


BF: Die Bilder von "Corellis Mandoline" sind kitschig-schön. Ist das der richtige Look für ein Weltkriegs-Szenario?


JM: Es war schon sehr seltsam, diese Szenen in einem so spektakulären mediterranen Licht zu drehen. Und das Meer hatte gelegentlich eine so unmöglich malerische Farbe. Glauben Sie mir: Kameramann [John Toll](/person/john-toll), Production Designer [Jim Clay](/person/jim-clay_e) und ich strengten uns an, nichts zu idealisieren. Aber andererseits ist die Schönheit dieses Ortes auch ein Thema der Geschichte: Der Krieg dringt ins Paradies ein.


BF: "Corellis Mandoline" sah wie ein Paket für die Oscar-Verleihung aus: "Shakespeare in Love"-Regisseur dreht mit Oscar-Star ein episches Melodram. Aber der Zuspruch von Kritik und Publikum ließ zu wünschen übrig. Warum war das so?


JM: Ich selbst schraube meine Erwartungen nie so hoch. Mir geht es darum, einen Film zu machen, mit dem ich glücklich bin. Und das ist hier der Fall. Doch "Corellis Mandoline" ist einfach angreifbar für Kritiker. In England war das noch nicht so folgenschwer. Dank guter Mundpropaganda hat der Film rund zehn Millionen Pfund eingespielt, mehr als etwa "[Traffic](/movie/traffic-macht-des-kartells)" oder "[Tiger & Dragon](/movie/tiger-und-dragon-best-of-cinema)". Aber als sich in Amerika die Kritiker darauf einschossen, litt das Zuschauerinteresse ganz erheblich.


BF: Drei historische Stoffe hintereinander - haben Sie keine Angst, als Regisseur festgelegt zu werden?


JM: Zum Glück bekomme ich auch andere Sachen angeboten. Es war mehr ein Zufall, dass ich "Corelli" machte. Die anderen Projekte, die ich in Betracht zog, waren zeitgenössische Stoffe. Ich will schließlich die Leute daran erinnern, dass ich es ins 21. Jahrhundert geschafft habe.


BF: Aber Sie sollten ursprünglich "Shanghai" inszenieren, ebenfalls eine dramatische Liebesgeschichte unter den Vorzeichen des Zweiten Weltkriegs.


JM: Ich wollte das Projekt nur machen, wenn Miramax von der Partie wäre. Es dauerte einige Zeit, bis sich die Dinge dahin entwickelt hatten. Doch mittlerweile hatte ich "Corellis Mandoline" übernommen. Jetzt wäre es verrückt, schon wieder einen solchen Stoff zu verfilmen - auch wenn mich "Shanghai" reizen würde.


BF: Die Dimensionen Ihrer Produktionen scheinen zu wachsen. Werden Sie langsam zum Hollywood-Regisseur?


JM: Natürlich möchte ich ab und zu eine amerikanische Produktion machen, aber grundsätzlich will ich in England leben und arbeiten. Hier sind meine Wurzeln. Los Angeles ist absolut kein Ort, wo ein britischer Regisseur gedeihen könnte.


BF: Doch der englischen Filmbranche geht es zurzeit nicht allzu gut.


JM: Sicher ist dieses Jahr nicht unser bestes, aber es gibt keinen Grund zur Verzweiflung. Wir hatten so vorhersehbare Erfolge wie "[Bridget Jones](/movie/bridget-jones-schokolade-zum-fruehstueck)". Und an den Rändern passiert sehr viel Interessantes, etwa "[Sexy Beast](/movie/sexy-beast)" von [Jonathan Glazer](/person/jonathan-glazer) oder der Thriller "[Memento](/movie/memento)" des Londoners [Christopher Nolan](/person/christopher-nolan).


BF: Fürs Boxoffice sorgen in der Regel nur Komödien und Historienfilme. Sollten sich die Engländer nicht darauf spezialisieren?


JM: Das mag schon sein. Offenbar sind diese Genres zum Markenzeichen des britischen Films geworden. Aber das sollte uns nicht davon abhalten, all jene Sachen zu produzieren, die wir machen wollen.


BF: Was werden Sie demnächst zum britischen Film beitragen?


JM: Erstmal gar nichts, auch wenn ich mehrere Projekte in Entwicklung habe. Aber als Nächstes werde ich im Frühjahr 2002 ein Stück inszenieren. Der Rhythmus und die Abläufe des Theaters - das ist eine Erfahrung, die ich lange schon wieder machen wollte.

Regisseur John Madden zu "Corellis Mandoline"