Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Lange Zeit wurde "Late Show" als TV-Stoff gehandelt.

Helmut Dietl: Das wurde falsch dargestellt. Der  wollte den Stoff unbedingt machen und hätte ihn natürlich gerne direkt fürs Fernsehen gehabt. Ich wollte mich vor dem Schnitt aber nicht festlegen, ob es sinnvoller sein würde, "Late Show" sofort ins Fernsehen zu bringen oder vorher im Kino auszuwerten. Das hat den Sender verständlicherweise nicht glücklich gemacht. Sie haben meine Argumentation aber schließlich verstanden. Ich war mir vor dem Dreh einfach nicht sicher, wie sich die Zusammenarbeit mit Harald Schmidt und Thomas Gottschalk gestalten würde.

BF: Was gab den Ausschlag für Ihre Entscheidung, "Late Show" ins Kino zu bringen?

HD: Ich habe mir den Film auf dem Bildschirm und dann auf der Leinwand angesehen. Dort wirkte er einfach besser. Deshalb ist es für mich die richtige Entscheidung, egal ob er läuft oder nicht. Ich denke, es ist ein sehr gutes Angebot fürs Kino. Das Publikum erfährt einige Hintergründe über die Fernsehbranche. Es wird unterhalten und sieht einige Figuren, die man aus dem Fernsehen kennt, auf eine völlig neue Weise.

BF: Warum sind Sie das Wagnis eingegangen, zwei echte Fernsehpersönlichkeiten in den Hauptrollen zu besetzen?

HD: Sicherlich gibt es Leute, die mit einem von beiden vielleicht nichts anfangen können. Ich habe es als richtig empfunden, sie zu besetzen und nicht irgendwelche Schauspieler, die so tun, als wären sie die beiden. Das Reizvolle an "Late Show" ist bei aller satirischen Übertreibung doch das authentische Element. Obwohl: Was heißt Übertreibung? In Wahrheit ist alles ohnehin noch viel schlimmer. "Öffentlich-Rechtliche schlimmer als Private"

BF: Ein hartes Urteil für einen Filmemacher, der seit 25 Jahren fürs Fernsehen arbeitet. Was ist falsch am heutigen Fernsehen?

HD: Im Film ist es klar ausgedrückt, wobei ich aber betonen muß: In einem Film müssen Dinge pauschal gesagt werden, eine Differenzierung ist in den Statements nicht möglich. Aber: Ich spreche nicht vom Fernsehen im Allgemeinen, sondern von einem gewissen Aspekt von Showgeschäft im Fernsehen, von der Verblödungsmaschine Fernsehen.

BF: Was ist Ihrer Ansicht nach der Grund für den Verfall der Fernsehkultur?

HD: Das größte Problem sehe ich nicht so sehr bei den privaten Sendern. Das sind kommerzielle Unternehmen, die Geld verdienen müssen. Wirklich problematisch ist, daß die Öffentlich-Rechtlichen, die einen völlig anderen Programmauftrag haben und anders finanziert sind, sich daran beteiligen. Wenn es im öffentlich-rechtlichen Bereich eine klare, deutliche Alternative gäbe, dann wäre das ja nicht so schlimm. Aber sie beteiligen sich an diesem Downhill Race um die Quoten und sind zum Teil noch schlimmer als die Privaten. Ich habe mit beiden zu tun, ich kenne das sehr gut. Bei den Privaten redet man wenigstens manchmal noch von den Inhalten, die Öffentlich-Rechtlichen sprechen nur vonden Quoten. Das trägt natürlich ganz entscheidend dazu bei, daß die Verblödung fortschreitet.

BF: Wie sehen Sie die Zukunft des Fernsehens?

HD: Man muß sich nicht völlig in Kulturpessimismus ergehen. In der Zukunft wird das Angebot anders formuliert werden, die Spartenpogramme werden sich immer weiter herausbilden. Man wird sich das anschauen, was einen persönlich interessiert. Dieser vorherrschende Mischmasch, den ich bedenklich finde, weil er keine eigene Meinung mehr ermöglicht, wird nicht mehr existieren. In den nächsten Jahrzehnten wird das alles neu geordnet werden.

BF: Wie sehen Sie Ihre Position in der Fernsehlandschaft?

HD: Ich versuche, auf verschiedene Dinge hinzuweisen, wobei ich kein Therapeut bin, sondern mich bestenfalls als Diagnostiker sehe. Das ist meine Aufgabe: Ich will auf Dinge hinweisen und versuche, sie auf möglichst unterhaltsame Weise zu präsentieren, so daß man auch bereit ist, kritische Inhalte anzunehmen. "Late Show" ist ein gutes Beispiel, weil er, wie sich jetzt schon zeigt, die vor sich hinschwelende Diskussion aufkochen lassen wird.

BF: Kurz vor Kinostart "Rossini" beklagten Sie den Mangel von Filmkultur in Deutschland. Wie sehen Sie den Stand der Dinge?"Medientrilogie ist vorerst abgeschlossen"

HD: "Lola rennt" und "23" waren sehr wichtige Filme, die auch etwas ausgelöst haben, ebenso wie "Bin ich schön?". Aber so toll ich diese Filme finde, sie können nicht darüber hinwegtäuschen, daß viel Schrott produziert wurde. Viele Filme wurden nach vermeintlichen Erfolgsformeln hingerotzt - und gingen dann oft nicht, weil das Publikum sehr wohl merkt, ob ein Film mit Leidenschaft gemacht wurde. Bleibt zu hoffen, daß man aus den genannten Filmen die richtige Lektion lernt. Was sich bei einem Blick auf die Produktionspläne zeigt, sind keine mutigen Unternehmungen, sondern scheinbare Nummer-sicher-Stoffe.

BF: Wie ist es um Ihre eigenen Pläne bestellt?

HD: Meine Medientrilogie ist vorerst abgeschlossen, also werde ich mich einer neuen Thematik zuwenden, wobei der Blick auf Menschen und Verhältnisse unverändert sein wird. Ich entwickle seit längerem "Hotel Lux" und "Lorelei", ein historischer Sagenstoff, der mich fasziniert.

Regisseur Helmut Dietl zu 'Late Show'