Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Mit "Das Phantom der Oper" kehren Sie an den Schauplatz von "Terror in der Oper" zurück. Warum?

Dario Argento: Ich glaube nicht, daß man die beiden Filme miteinander vergleichen kann. Sie haben nichts miteinander zu tun. Bei "Das Phantom der Oper" war esmir wichtig, einen Film für ein großes Publikum zu drehen. Deshalb habe ich meine eigenen Vorlieben hintan gestellt und einen klassischen Horrorstoff gewählt.

BF: Woher stammt Ihr neuerwachtes Interesse für gotischen Horror?

DA: Mir gefallen einfach die Atmosphäre, die warmen Farben, die kostbare Ausstattung, die großen Gefühle. Das ist sehr pures Kino. Wiederentdeckt habe ich gotischen Horror, als ich mit meinem Freund Lucio Fulci "Wax Mask" als Produzent vorbereitete. Leider entwickelte sich das Projekt zum Alptraum, als Lucio nur wenige Tage vor Drehbeginn starb. Als Regisseur wählte ich den begabten Effektspezialisten Sergio Stivaletti.

BF: Warum übernahmen Sie nicht selbst die Regie?

DA: Es war einfach zu schmerzvoll, das hätte ich nicht gekonnt. Aber die Idee, selbst einen gotischen Horrorstoff zu inszenieren, ließ mich nicht mehr los.

BF: Wie kamen Sie denn auf "Das Phantom der Oper"?

DA: Ich nahm Gaston Leroux' Roman nach Jahren wieder in die Hand und stellte fest, daß keine Verfilmung ihm auchnur im Ansatz gerecht geworden war - alle "Phantom"-Filme sind enttäuschend, mit Ausnahme des ersten von Rupert Julian aus dem Jahr 1926.

BF: Das Drehbuch schrieb Gerard Brach, der für Polanski arbeitete. Wie war die Zusammenarbeit?

DA: Sehr partnerschaftlich. Wir saßen zusammen in Paris und erarbeiteten in langen Nächten das Drehbuch, bis wir zufrieden waren. Dann machten wir uns auf die Suche nach dem geeigneten Drehort.

BF: Sie drehten schließlich in Budapest. Warum?

DA: Paris kam als Drehort nicht in Frage, das wäre viel zu teuer geworden. Also mußten wir Ausschau nach einem vergleichbaren Ort halten, der über ähnliche Architektur und düstere Atmosphäre verfügt. So kamen wir nach Budapest, wo wir das ideale Gebäude fanden.

BF: Nach "Trauma" arbeiten Sie zum zweiten Mal mit Ihrer Tochter Asia an einem Film. Was qualifizierte sie für die Rolle der jungen Sängerin Christine?

DA: Ohne Asia hätte ich den Film nicht gedreht. Sie hatte ich schon im Sinn, als ich das Drehbuch schrieb.

BF: Ihre ehemalige Frau Daria Nicolodi töteten Sie in Ihren Filmen eigenhändig. Nun hat Ihre Tochter Sex vor laufender Kamera. Fiel der Dreh schwer?

DA: Natürlich, es ist nicht alltäglich, daß ein Vater seine mehr als 20 Jahre alte Tochter nackt sieht. Asia hatte auch Vorbehalte. Wir redeten sehr lange über die Szene, ich erklärte ihr, daß es sehr wichtig sei, wenn sie darin nackt, also völlig schutzlos wäre. Schließlich gelang es uns, zu verdrängen, daß wir Vater und Tochter sind, und waren einfach nur Regisseur und Schauspielerin.

BF: Was halten Sie von der gegenwärtigen Renaissance des Horrorfilms in den USA?

DA: "Scream - Schrei!" gefiel mir sehr gut. Der zweite Teil war mir zu albern. Natürlich profitiere ich von diesem neuen Boom, aber derartige Filme würde ich niemals drehen, weil ich auch an Hollywood nicht interessiert bin. Meine filmische Heimat ist Italien, und so lange ich die Stoffe, die mich interessieren, hier realisieren kann, gibt es für mich keinen Grund, Italien den Rücken zu kehren.

Regisseur Dario Argento zu 'Das Phantom der Oper'