Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Wie schafft man es, so unterschiedliche Filme wie "Sinn und Sinnlichkeit", "Der Eissturm", "Ride with the Devil" oder "Tiger & Dragon" zu machen?

Ang Lee: Voraussetzung ist viel Fantasie, harte Arbeit und die richtigen, zuverlässigen Partner. Meine zwei ersten Filme, "Pushing Hands" und "Das Hochzeitsbankett", schrieb ich mehr für mich selbst. Nach der "Father Knows Best"-Trilogie wollte ich raus aus dem engen Korsett. Nichts ist für die Kreativität tödlicher, als sich zu wiederholen. Inzwischen bin ich erfolgreich genug, dass ich nicht mehr das Drehbuch schreiben muss. Ich möchte austarieren, was man mit Film alles machen kann, das Leben sehe ich als einen Prozess des Lernens, als Filmschule.

BF: Wo lag der Reiz in einem Martial-Arts-Film?

AL: Ich liebe die raue Energie und Wildheit dieser B-Pictures. Ich bin mit diesen Filmen aufgewachsen, nicht nur im Kino, sondern auch in der Literatur. Anstatt zu lernen, habe ich diese Bücher verschlungen. Das sind so richtige Männergeschichten.

BF: Obwohl - nicht nur hier - starke Frauen Ihr Markenzeichen sind.

AL: Die faszinieren mich auch im richtigen Leben. Ich bin zwar in einer chauvinistischen Umwelt aufgewachsen, habe aber irgendwann gemerkt, dass Frauen über großen Pragmatismus verfügen. Ohne meine Frau wäre ich verloren, sie trifft die Entscheidungen für mich. Deshalb fand ich es schön, die Martial-Arts- Welt auf den Kopf und Frauen und Gefühle in den Mittelpunkt zu stellen. Nicht umsonst tragen Frauen zwei der wichtigsten Kämpfe aus.

BF: Was bereitete Ihnen die größten Schwierigkeiten?

AL: Die Elemente von Drama und Actionmovie in einem Gleichgewicht zu halten. Den visuellen Stil der Actionszenen mit dem Rest des Films und der Romantik in Einklang zu bringen, stellte mich vor einige Probleme.

BF: Wie konnten Sie die Schauwerte mit einem Minibudget von nur 15 Mio. Dollar erreichen?

AL: Für Amerika ist das Low-Budget, für China eine sehr teuere Produktion. Die Dreharbeiten kosteten wenig, teuer waren die Special Effects in L.A., San Francisco und Hongkong und die Postproduktion in New York. Aber ich genoss den Luxus, fünf Monate drehen zu können, allerdings haben die Kampfszenen mehr als die Hälfte der Zeit gekostet. Wir sind wie die Nomaden durch ganz China gezogen, von der Wüste Gobi bis zu den Bambuswäldern im Süden des Landes.

BF: Die Kämpfe im Bambuswald erwecken den Eindruck ungeheurer Leichtigkeit.

AL: Da steckt ein Riesenaufwand dahinter. Wir mussten Plattformen für die Kräne bauen, an denen die Schauspieler hingen. Die haben oft die Zähne zusammenbeißen müssen. Manchmal dachte ich nur, hoffentlich passiert ihnen nichts.

BF: Sie fungieren auch als Produzent?

AL: Ich mache keine Deals, sondern stelle meinen Namen zur Verfügung, das erleichtert das Geschäft. Man darf sich bei den Finanzen nicht nur auf eine Geldquelle verlassen. Neben Good Machine gab es eine Reihe von Koproduzenten in China und Hongkong, allein ein Drittel des Budgets kam von Columbia Pictures Film Production Asia. Durch eine Reihe von Vorverkäufen in Europa teilte sich das Risiko auf. So musste ich mich mit keinem Boss herumschlagen, sondern war mein eigener Chef.

BF: Was sind Ihre Erfahrungen in China? Werden Sie wieder dort drehen?

AL: Nicht sofort, vielleicht nach zwei oder drei Filmen. Ich bin sehr erschöpft, richtig physisch kaputt. Da ich einen bestimmten Standard nicht unterschreiten wollte, musste ich um jedes Detail kämpfen, ziemlich ermüdend. Wir arbeiteten meistens mit zwei Units am Tag, das geht an die Substanz.

BF: Vor diesem "chinesischen" Film griffen Sie typisch amerikanische Themen auf wie in "Der Eissturm" oder in "Ride with the Devil". Wie gelingt es Ihnen, sich in eine fremde Gesellschaft so hineinzufühlen?

AL: Man kann in Amerika geboren sein und blind durch das Leben laufen. Vielleicht sehe ich manche Dinge durch die Distanz klarer, komme deshalb schneller zum Punkt. Neben der Beobachtungsgabe halte ich die Emotion für das Wichtigste. Wenn das Gefühl stimmt, kann ich alles machen, egal ob Shakespeare oder chinesische Oper

Regisseur Ang Lee zu "Tiger & Dragon'