Blickpunkt:Film

Kino

Zum Jahreswechsel haben wir Produzenten und Produzentinnen aus Österreich gebeten, uns ihre Einschätzungen zu den Geschehnissen des vergangenen Jahres zu teilen und uns einen Ausblick auf die Entwicklungen des kommenden Jahres zu geben. Hier lesen Sie die Einblicke des Geschäftsführers von [Polyphon](/company/polyphon-film-und-fernsehgesellschaft), Gerald Knell.


**Welche Entwicklungen in der österreichischen Filmbranche waren für Sie besonders prägend? Was lief besonders gut, und welche Herausforderungen mussten gemeistert werden?**

In unserem (Arthouse)-Bereich konnten wir eine weitere Festigung der Kinobesuche feststellen, außerhalb der Ballungsräume ist es teilweise aber noch immer schwieriger ins Kino zu bekommen. Wir freuen uns, dass unsere beiden Kinos (Filmcasino & Filmhaus in Wien) das besucher:innenstärkste Jahr seit Bestehen erreichen werden und auch unser Verleih mit deutlich positiven Zahlen bilanzieren wird. In den Kinos und auch im Verleih macht sich aber bemerkbar, dass das Publikum selektiver geworden ist, „kleinere“ und „mittlere“ Filme haben es oft schwer auf dem kleinen Kinomarkt Österreich. Uns fällt auf, dass wir ein zunehmend jüngeres Publikum in unseren Kinos begrüßen können, das klassische ältere Arthouse-Publikum ist teilweise noch immer schwieriger zu motivieren (könnte noch immer eine Langzeit-Folge einer Covid-bedingten Änderung des Freizeitverhaltens sein) – es haben aber auch manche Filme für die ältere Zielgruppe sehr gut funktioniert. Die neue Förderschiene ÖFI+ hat viele neue Filmprojekte nach Österreich gebracht, viele Produktionsfirmen berichten von neuen Koproduktionen, die sich darüber ergeben haben Das Nonstop-Kino-Abo (vgl. Cineville in Holland oder Deutschland) hat sich in Österreich gut etabliert und hat sicher auch dabei geholfen, ein Publikum unter 30 ins Kino zu bekommen. Unser Verleih und auch unsere Kinoprogrammierung ist thematisch breit aufgestellt, mit Diversifizierung und in sogenannten Nischen sind wir oft erfolgreich. Wichtig ist, das Kino als sozialen Raum zu begreifen und das zu verstärken. Der Begriff Event trifft es nicht wirklich, aber Sonderformate und Einzel-Vorführungen mit Gespräch o.a., Schienenprogrammierung sind für uns erfolgreiche Tools, die Schaffung von Communities und ein Mehrwert im Kino (im Vergleich zum Schauen von Streaming Plattformen) sind wichtiger denn je. Auch der besondere Charakter der jeweiligen Kinostandorte wird bei uns betont. Wir haben erfolgreich versucht, vermehrt Inhalte für jüngeres Publikum bieten, angefangen von Kinderfilmen, mit Schwerpunkten bei Musikfilm, Anime und Animationsfilm (unser stärkster Film im Verleih war  [„Der Junge und der Reiher“](/movie/kimitachi-wa-do-ikiru-ka), demnächst starten wir z.B.[ „Flow“](/movie/flow_6) und [„Memoir of a Snail“](/movie/memoir-of-a-snail)), Wiederaufführung von Klassikern, aber auch Dokus sind teils sehr beliebt beim jüngeren Publikum. Im Verleih bringen wir oft auch Debütfilme. Zuletzt hatten wir den Überraschungserfolg eines Erstlingsfilms, die Doku [„27 Storeys -Alterlaa Forever“ ](/movie/27-storeys-alterlaa-forever)von [Bianca Gleissinger](/person/bianca-gleissinger) (über einen Wiener Sozialbau). Im Sommer 2024 hat der Film die 20.000 Besucher:innen nach einem Jahr in den Kinos geschafft. Die junge, feministische Stimme und der Schmäh der Regisseurin haben (auch) sehr viel junges Publikum erreicht –sogar in ausverkauften Open Air Screenings. Wir bringen verhältnismäßig viele Dokus ins Kino, gut gelaufen ist z.B. auch „Anselm von Wim Wenders“, aber einige der kleineren Filme im Verleih
sind hinter den Erwartungen geblieben.

**Welche Trends und Themen sehen Sie im kommenden Jahr als entscheidend für die Branche an? Welche Prioritäten setzen Sie in Ihrem Unternehmen/bei Ihren Projekten, um den aktuellen Herausforderungen zu begegnen?**

Wir werden sehen ob die Rezession sich auf die Kinobesuche auswirkt, wir können jedenfalls die Teuerungen (Personal, Energie) nicht direkt an die Besucher:innen weitergeben. Ausreichende öffentliche Förderungen im Arthouse-Kinobereich und in der Verwertung bzw. im Verleih sind daher wichtiger denn je. Bei österreichischen Filmen ist hier die Förderschiene ÖFI+ sehr hilfreich und wird hoffentlich auch
in Zukunft zur Verfügung stehen. Wir wollen unseren erfolgreichen Weg der Diversifizierung (Kinderfilm, Animation, Drama & Komödien, Dokus) fortsetzen und weiterhin auch auf junges Kino setzen. So steht 2025 der bemerkenswerte Debütfilm [„Pfau – Bin ich echt?“](/movie/pfau) von [Bernhard Wenger ](/person/bernhard-wenger)auf dem Programm, der bereits in Venedig für Aufsehen sorgte. Auch den neuen Film von [Adrian Goiginger ](/person/adrian-goiginger)[„Vier minus Drei“](/movie/vier-minus-drei) werden wir (gemeinsam mit unseren Partnern von [Alamode Österreich](/company/alamode-film)) in die Kinos bringen. Sein Debütfilm[ „Die Beste aller Welten“](/movie/die-beste-aller-welten) war auch bei [Polyfilm ](/company/polyfilm-verleih)im Verleih und erreichte damals über 100.000 Besucher:innen. Mit unseren Kinos wollen wir wieder möglichst viele einzigartige Erlebnisse schaffen und das bisher erfolgreiche Community Building fortsetzen. Das Wichtigste ist, dabei unsere Liebe zum Film und zum Kino für unsere Besucher:innen spürbar zu machen.

Gerald Knell: „Zunehmend jüngeres Publikum in unseren Kinos“