Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: "Collateral Damage" gibt dem Bösen einen nachvollziehbaren Grund dafür, dass er so ist, wie er ist. Tritt die Motivation eines Filmbösewichts zunehmend in den Vordergrund?


Steven Reuther: Die dramatische Struktur eines Actionfilms sieht vor, dass der Film umso besser ist, je gewitzter, realistischer und bedrohlicher der Gegenspieler des Helden ist. In unserer Geschichte hat der Held einen sehr gefährlichen Gegner, dessen Verhalten inakzeptabel ist. Terror ist der Krieg des 21. Jahrhunderts und wir müssen uns damit auseinander setzen, aber in einem Film ist der Bösewicht schlicht der Bösewicht.


BF: Wird sich die Art und Weise verändern, wie Hollywood seine Actionfilme macht?


SR: Das glaube ich nicht. Actionfilme werden wie gewohnt ein Spektakel bieten, in dessen Mittelpunkt ein Held steht. Wenn es eine Veränderung gibt, dann beim Publikum und wie es Filme rezipiert. Die Filme sind die gleichen geblieben, doch die Welt und wie wir sie sehen, hat sich durch den 11. September verändert. Vielleicht betrachten wir Actionfilme jetzt mit etwas mehr Humanität; vielleicht fangen wir an, besser zu verstehen, was in den Charakteren vorgeht. Aber Actionfilme werden weiterhin einen bedeutenden Teil der Unterhaltung ausmachen, junge Zuschauer wollen Action sehen.


BF: Was sind Ihre nächsten Projekte?


SR: Bei Bel Air habe ich 28 aktive Projekte, die sich in den verschiedensten Stadien der Entwicklung befinden. Bei einigen von ihnen habe ich nach dem 11. September entschieden, dass ich sie entweder gar nicht oder nicht jetzt machen möchte, da sie sich mit der dunkleren Seite der Menschheit beschäftigen. Ich habe mehrere Komödien, die erste wird wahrscheinlich ab April gedreht. Sie heißt "The Ugly Truth" und befasst sich mit der uralten Frage nach dem Unterschied zwischen Frau und Mann. Im Herbst werde ich einen Abenteuer-Actionfilm namens "Okawango" machen, der in Afrika spielt.


"Terror ist der Krieg des 21. Jahrhunderts"


BF: Beurteilen Sie zurückgestellte Stoffe nach einem halben Jahr noch einmal neu?


SR: Drehbücher sind ständig in Bewegung. Man versucht laufend, das Script und die Geschichte zu verbessern. Während sich die Welt und wir uns verändern, stellen wir fest, dass etwas Positives nicht mehr positiv besetzt ist. Es hängt viel vom Zeitpunkt ab. So kann es passieren, dass ich einen alten Stoff hervor hole und sage: Jetzt ist die Zeit gekommen. Ich habe Glück, da ich finanziell unabhängig bin, Partner und Verleiher habe.


BF: Das Buch entwickelt sich auf Grund äußerer Begebenheiten weiter. Das scheint mir eines der besten Argumente zu sein, dass Film die Welt spiegelt und nicht umgekehrt, wie nach dem 11. September häufiger als sonst behauptet wurde.


SR: Ja, genau. Was kann ein Künstler anderes tun, als einen Spiegel zur Verfügung zu stellen, in dem wir uns selbst und unser Verhalten erkennen können. Wenn wir einen Film sehen, sehen wir uns auch selbst.


BF: In den USA arbeiten Sie mit Warner zusammen. Wird das so bleiben?


SR: Ja, als US-Partner bleibt das vorerst so. Ich habe mit Warner fast 30 Filme finanziert und herausgebracht und weiß, wie das System funktioniert. Da sich aber die Welt verändert, kann es sein, dass ich neue Partner dazunehme. Als ich anfing, war mein Partner Canal Plus. Jetzt ist es Vivendi. Die Konfigurationen ändern sich ständig. Am Ende des Jahres werde ich Bel Air umgestalten. Entweder mit neuen Partnern oder indem sich Verleihpartner an der Finanzierung beteiligen. Warner würde meine Filme dann in der Regel nur in Nordamerika verleihen. Mit der jetzigen Konstellation werde ich noch zwei oder drei Filme machen.


BF: Obwohl Produktionsauslagerungen in den USA kein neues Phänomen sind, liest man in letzter Zeit verstärkt darüber. Sind Sie ein Runaway-Produzent?


SR: Ja, bin ich. Filme zu machen, ist ein sehr teures Geschäft. Es war nicht besonders clever, wie Hollywood sich mit seiner Beschäftigungspolitik selbst in eine Ecke manövriert hat. Wir haben zugelassen, dass gewisse Produktionskosten und Gewerkschaftsvereinbarungen eskaliert sind. Wenn ich woanders drehe, behalte ich die US-Größe der Crew bei, aber die Lohn- oder Nebenkosten sind niedriger.


BF: Welche Voraussetzungen müssten erfüllt sein, damit Sie in Deutschland drehen?


SR: Es muss kosteneffizient sein und die Hauptdarsteller und Head of Departments müssen bereit sein, zu reisen. Es ist eben nicht nur die Entscheidung des Produzenten, wo gedreht wird. Letztendlich sind es sehr menschliche Gründe, die bestimmen, wo gedreht wird. In Deutschland gibt es gute Crews und Dienstleistungen, und Filmfinanzierung ist möglich. Ich würde hier sofort einen Film machen.

Produzent Steven Reuther zu künftigen Plänen