Blickpunkt:Film

Kino

Wie ist Phoenix Film aufgestellt?
Die Phoenix Film wurde 1979 von [meinem Vater](/person/karlheinz-brunnemann) als Familienunternehmen gegründet. Ihre Ursprünge liegen im Synchronbereich. Durch die strategische Partnerschaft mit der [UFA](/company/ufa) sind wir ein wichtiger Teil des deutschen Fernsehmarkts geworden. In den vergangenen zwei Jahren haben wir uns noch klarer auf Serien konzentriert und werden diesen Schwerpunkt in Zukunft noch weiter ausbauen. Die Serie ist einfach mein Steckenpferd! Zwar steht die Serie in der öffentlichen Wahrnehmung meist im Schatten spektakulärer TV-Movies, aber für jeden Sender ist sie das Rückgrat seines Programms, für jeden Produzenten die größte Herausforderung und das Schwierigste. Daher spreche ich auch gerne von der Serie als "Königsklasse" des Fernsehens.

Dennoch tun sich die Zuschauer mit neuen Serien schwer. In der letzten Zeit konnte keine neue deutsche Hauptabend-Serie ein Publikum finden.
Wir haben uns zu lange auf dem Bewährten ausgeruht. Deshalb war es auch konsequent "Edel & Stark" praktisch auf dem Höhepunkt der Popularität zu beenden, um etwas Neues zu beginnen. Zur Zeit dominieren die Telenovelas den Markt und amerikanische Produktionen haben längst verlorenes Terrain wiedererobert. Da müssen wir dagegenhalten. Einige der altbewährten Konzepte laufen jetzt aus, eine ganze Generation von Serien wird nicht mehr fortgeführt und alle suchen händeringend nach etwas Neuem. Das heißt, wir haben jetzt jede Menge Chancen, neue Ideen auf dem fiktionalen Markt anzubieten. Hier müssen wir allerdings aufpassen. Am Telenovela-Boom sieht man, dass sich das immer gleiche Konzept schnell verläuft. "[Verliebt in Berlin](/tvshow/verliebt-in-berlin)" etwa ist ein ganz anderes Konzept als "[Bianca](/tvshow/bianca-wege-zum-glueck)". Das erklärt auch den Erfolg beider Serien. Die Gefahr ist die Wiederholung.

Während man durch "[Lost](/tvshow/lost_0)" und "[Desperate Housewives](/tvshow/desperate-housewives)" richtiggehend durchgepeitscht wird, wirken deutsche Serien betulich. Warum bringen deutsche Serien nicht eine vergleichbare Dichte?
Es ist weniger eine Frage der Dichte als der Erzählweise. "Desperate Housewives" etwa zeigt uns auf, dass wir nicht nur abgeschlossene Geschichten in Serien erzählen müssen. Das ist typisch für viele deutsche Serien der letzten Jahre: Jede Folge erzählt eine in sich abgeschlossene Geschichte, damit die Folgen frei programmierbar sind und der Zuschauer, der mal eine verpasst hat, nicht verloren ist. "Desperate Housewives" schafft es aber, einen roten Faden reinzuweben, der so klein und schmal ist, dass der Hardcore-Fan sich daran hängen kann und so noch stärker an das Format gebunden wird. Bei "Edel & Starck" haben wir dies erst sehr spät ausprobiert, was mit der freien Programmierbarkeit zusammenhing. Wir werden dieses Konzept aber bei künftigen Serien verfolgen.

Lässt sich an der Erzählweise deutscher Serien etwas ändern?
Ja, bei "[Berlin, Berlin](/tvshow/berlin-berlin-1-staffel-26-folgen)" hat man sich sogar aus dem Serienkosmos herausbewegt. Bei "Edel & Starck" konnte ein Stier plötzlich sprechen. Die Dramaturgien werden immer freier, der Zuschauer wird gleichzeitig auch immer geübter. Darum sind deutsche Serien tendenziell inzwischen sehr viel schneller geworden. Es hängt natürlich auch vom Time Slot ab, wie schnell oder wie komplex erzählt werden kann.

Welche Serien produzieren Sie gerade?
"Unser Charly" und "[Hallo Robbie!"](/tvshow/hallo-robbie-5-staffel-13-folgen) für das [ZDF](/company/zdf-zweites-deutsches-fernsehen), außerdem "[Unter den Linden](/tvshow/unter-den-linden-das-haus-gravenhorst-1-staffel-13-folgen)", eine neue Serie für [Sat.1](/company/sat1-satellitenfernsehen). Dann stecken wir in den Vorbereitungen für die Nachfolge-Serie von "Edel & Starck", "Allein unter Bauern" wieder mit [Christoph M. Ohrt](/person/christoph-m-ohrt). Und wir sind an "Verliebt in Berlin" beteiligt.

"Unser Charly" und "Hallo Robbie!" sind Dauerbrenner im Vorabendprogramm. Jene Art Serie, die in der Tat milde belächelt wird, aber treue Zuschauer hat.
Wir machen Fernsehen ja nicht für uns und wir müssen uns alle noch intensiver damit auseinander setzen, wer eigentlich unser Zuschauer ist. "Unser Charly" und "Hallo Robbie!" sind hochemotionale, hochdramatische Geschichten mit einer sehr individuellen Botschaft. Diese Serien geben sehr vielen Leuten Wärme, Geborgenheit und Halt. Ich bin stolz auf beide Programme. "Unser Charly" läuft mittlerweile über zehn Jahre und kann noch einige Jahre laufen und "Hallo Robbie!" geht jetzt in das fünfte Jahr.

"Verliebt in Berlin" wird immer als Produktion der [Grundy UFA](/company/grundyufa) wahrgenommen, stammt aber aus Ihrem Hause. Wie kam es dazu?
Der damalige Serienchef von Sat.1 hat mich auf "Betty la Fea" aufmerksam gemacht und nach meiner Meinung dazu gefragt. Nachdem ich mich mit dem Format auseinander gesetzt hatte, haben wir mit [Michael Esser](/person/dr-michael-esser), der jetzt Head-Autor von "Verliebt in Berlin" ist, und unserem Producer [Armin Kaiser](/person/armin-kaiser) an einem der ersten Arbeitstage von [Roger Schawinski](/person/dr-roger-schawinski) das Konzept von "ViB" präsentiert. Ich vertrat damals die Ansicht, dass Sat.1 eine Daily gebrauchen könnte und dass man in einem so gesättigten Markt wie bei uns nur mit einer telenovelesken Grundstruktur reüssieren könnte. Man braucht eine starke Geschichte, die im Mittelpunkt steht, und nicht mehrere verschiedene, die parallel erzählt werden und aus denen sich jeder seine Geschichte herauspickt. Über die starke Geschichte am Anfang verwandelt sich die Telenovela nach etwa einem Jahr in eine normale Daily. So fing auch "[Verbotene Liebe](/tvshow/verbotene-liebe_b)" mit dem Liebespaar an, das eigentlich ein Geschwisterpaar ist. Der Sender teilte meine Ansichten, dass "ViB" nicht nur etwas für ihn wäre, sondern eben auch in dieser Art. Als dann die Frage der Produktionsfirma aufkam, sagte ich, dass ich mir eine Produktionsgemeinschaft mit der Grundy UFA vorstellen könnte. Ich war an der Besetzung und den Vorbereitungen beteiligt, aber ab einem bestimmten Punkt verselbstständigt sich ein Daily-Format und wird zur Firma in der Firma. Mein direkter Benefit hier ist das Know-how, das ich mir durch die Organisation einer Daily erworben habe.
Wie ist Phoenix Film strukturiert?
Ich bin geschäftsführender Gesellschafter. Die Firma hat sieben Producer und zwei feste Herstellungsleiter. Gemeinsam entwickeln wir die Ideen bis zur Präsentationsreife für die Sender. Wir sitzen alle zusammen in Berlin, um einen möglichst großen Austausch an Ideen untereinander zu ermöglichen. Das ist eine unserer Stärken. Auch für mich ist das wichtig, da ich immer involviert sein möchte. Dann haben wir zwei unabhängig arbeitende Herstellungsabteilungen.

Phoenix ist Teil der UFA. Wie kam es zu dieser Verbindung?
Die Verbindung zur UFA ist eine strategische Partnerschaft. In einem sich immer stärker globalisierenden Markt braucht man starke Partner, die unser Know-how ergänzen. [Bertelsmann](/company/bertelsmann-se-und-co-kgaa) war damals, wie andere auch, an einem Einstieg in die Phoenix Film interessiert. Für Bertelsmann/UFA sprach neben dem wichtigen Faktor "Wolf Bauer" als direkter Partner bei der UFA die Philosophie "König im eigenen Königreich" - das heißt, wir sind Partner, doch Phoenix Film wird weiter als Familienunternehmen geführt. So erwerbe ich über die UFA Know-how, an das ich als Mittelständler sonst nicht herankäme, und gegenüber einem Sender ist es etwas anderes, wenn ich die UFA im Rücken habe. Über "ViB" hat sich die Partnerschaft schon komplett bezahlt gemacht. "ViB" hat den beidseitigen Nutzen einer solchen Partnerschaft gezeigt.

Sie hatten auch Sitcom auf dem Produktionszettel. Doch dieses Thema war generell nicht so erfolgreich wie erhofft. Hat es sich erledigt?
Nein. Wir haben zwei, drei Entwicklungen im Hause, aber der Sitcom-Hype ist ein wenig abgeebbt. Dabei haben wir alle eines festgestellt: Sitcom ist die schwerste Materie, die es gibt. Das hängt auch mit dem Autoren-Know-how zusammen. Die Entwicklung eines Sitcom-Buches ist sehr langwierig und wird vom Sender so nicht bezahlt. Phoenix Film arbeitet weiter im Sitcom-Bereich, aber es ist nicht unsere Priorität.

Wie geht es mit "Hallo, Robbie!" weiter,nachdem Hauptdarsteller [Karsten Speck](/person/karsten-speck) seine Haft angetreten hat?
Das Format erzielt nach wie vor tolle Quoten für das ZDF, rechtlich ist die Sache für uns als Produktion einwandfrei. Und man darf nicht übersehen, dass Karsten Speck seit einigen Jahren die Schulden tilgt, die er durch sein Fehlverhalten angehäuft hat. Andere hätten sich über eine Privatinsolvenz möglicherweise vor Rückzahlungen gedrückt. Hier geht es um ein Wirtschaftsdelikt und es liegt im Interesse der Gesellschaft, dass nicht sie die Kosten trägt, sondern Herr Speck weiter für den Schaden, den er angerichtet hat, aufkommen kann. Also wollen wir "Hallo, Robbie!" in diesem Jahr mit ihm als Freigänger weiterführen. Das ZDF hat bereits eine weitere Staffel in Auftrag gegeben.

Was erwartet die Zuschauer mit der im Jahr 1906 spielenden Serie "Unter den Linden"?
"Unter den Linden" ist ein Projekt, an dem ich schon einige Jahre sitze und auf das ich sehr stolz bin. Es ist vom Look und von der Erzählform etwas ganz Neues, aber es bringt viele Dinge mit, die man kennt. Die Serie ist warmherzig, lustig und birgt große dramatische Konflikte. [Christian Pfannenschmidt](/person/christian-pfannenschmidt) hat als Autor eine hochspannende, hochaktuelle Serie geschaffen. Denn zum einen hat er den Geist von damals eingefangen, zum anderen werden in der Serie Probleme thematisiert, die wir heute auch noch kennen: Angst vor Arbeitslosigkeit, Aufbruch oder nicht, wie funktioniert ein Familienverband? Wir haben hervorragende Schauspieler, ein tolles Ensemble und wir als Firma können beweisen, dass ein solches Format finanzierbar ist, denn perspektivisch soll die Serie zu einer Weekly werden. Das heißt: die Serie muss an wenigen Innensets spielen. Ansonsten drehen wir gebündelt außen. Schon jetzt drehen wir beinahe in Weekly-Geschwindigkeit.

Was planen Sie weiterhin?
Wir müssen auch in der Prime Time eine günstig produzierte Serie haben, die maximal sechs oder sieben Drehtage pro Folge hat. Damit setzen wir uns stark auseinander. Der nächste Schritt ist die "Weekly-Novela". Für 26 Folgen baut man einen schönen dramaturgischen Bogen, hat einen zweiten in der Hinterhand und etabliert so die Serie, die dann in eine klassische Weekly übergeht. Daran arbeiten wir im Haus sehr intensiv und sind auch schon mit Sendern im Gespräch. Die interne "Task Force" wird von Armin Kaiser und Michael Esser geleitet, die beide große Erfahrung in der industriellen Erzähl- und Produktionsweise haben. Ansonsten steht neben der Pflege unserer langlaufenden Programmmarken bei uns "Allein unter Bauern" ganz oben, die schon Ende des Jahres auf Sendung gehen soll. Thomas Steiger

Phoenix-Chef Markus Brunnemann über TV-Serien in Deutschland

Markus Brunnemann||Jahrgang 1972, übernahm 1993 von seinem Vater Karlheinz die Führung der Produktionsfirma Phoenix Film. Seit 2002 gehört die Firma dem UFA-Komplex an. Markus Brunnemann war maßgeblich an der Entwicklung des Telenovela-Erfolgs "Verliebt in Berlin" beteiligt und produziert aktuell für Sat.1 die historische Serie "Unter den Linden".