Blickpunkt:Film

Kino

Der Regisseurin [Luzia Schmid](/person/luzia-schmid) gelingt mit ihrer Doku eine kritische Reflexion und Würdigung der Ausnahmekünstlerin.

Ihre schonungslose Offenheit und zum Teil sehr widersprüchliche Persönlichkeit würden sie dazu prädestinieren ein Medienphänomen der Jetztzeit mit all ihren Socials zu sein. Doch die Rede ist von der deutschen Schauspielkünstlerin der Nachkriegszeit schlechthin, von der großen Hildegard Knef. Ihr widmet die Schweizer Filmemacherin Luzia Schmid nun ein hintergründiges dokumentarisches Porträt, das auf der Berlinale in der Sektion Panorama Dokumente seine Premiere feierte. „[Ich will alles. Hildegard Knef](/movie/ich-will-alles-hildegard-knef)“ heißt die Doku, für die Regisseurin Schmid sehr umfassendes Archivmaterial zusammengetragen hat, das einen unverstellten Blick auf die charismatische Ausnahmekünstlerin zulässt, die Zeit ihres Lebens mit Tabus brach und sich mit der sexistischen Realität der jungen Bundesrepublik anlegte. Bereits im allerersten DEFA-Film „Die Mörder sind unter uns“ spielte sie mit, ihre Rolle und eine Nacktszene in „Die Sündern“ sollte sie berühmt werden und zur Angriffsfläche des Boulevards werden lassen. Kinofilme drehte sie auch mit berühmten Regisseuren wie Billy Wilder, Rainer Werner Fassbinder und Georg Wilhelm Pabst – wenngleich nicht ihre besten, wie Hildegard Knef in begnadeter Schonungslosigkeit und auch einem unerbittlichen Blick auf sich selbst eingesteht. 

Mit dergestalt ausgewählten O-Tönen sucht Luzia Schmid mit ihrem Dokumentarfilm eine Annäherung an die nicht immer leicht zu fassende Künstlerin, die es in „Ich will alles“ natürlich auch als begnadete Chansonette zu erleben gibt. Ihren größten Hit und Lebenssong „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ können noch heute ganze Generationen mitsingen. Luzia Schmids filmisch präzise Annäherung an die Grande Dame, den „Trümmerfilmstar“, wie sie genannt wurde, zeigt sich im Gewand eines autobiografisch wirkenden Porträts. Im Zentrum steht die Selbstdarstellung Knefs. „Erinnerung ist eine Zerrlinse“, sagt sie an einer bedeutenden Stelle des Films, der auch eine Abzweigung in die Kriegserinnerungen Knefs unternimmt. Sie war mit Ewald von Demandowsky leiert, einem NSDAP-Funktionär, der in jener Zeit auch als ihr Förderer auftrat. Dies spart „Ich will alles“ so wenig aus wie die großen Niederlagen im Leben Knefs, ihr Scheitern in Hollywood, die Medikamentenabhängigkeit, das schwierige Verhältnis zu ihrer Tochter, die im Film einen längeren Auftritt hat. Faszinierend ist stets, welch präzise Sprache Knef für ihre Erfahrungen und seelische Verletzungen fand. Das Porträt beleuchtet den schmerzlichen Spagat zwischen dem Drang, sich zu zeigen, und dem privaten Hadern mit den Folgen dieser allgegenwärtigen Aufmerksamkeit. Luzia Schmid lässt in „Ich will alles“ ein sehr realistisches, komplexes Bild der herausragenden Künstlerin entstehen, das nicht idealisiert oder schmeicheln will. Eine gelungene kritische Reflexion des Lebensweges von Hildegard Knef und anerkennende Würdigung zugleich. Eine rundum gelungene Dokumentarfilmarbeit. 


REVIEW BERLINALE: „Ich will alles. Hildegard Knef“