Blickpunkt:Film

Kino

[Petra Hoffmann](/person/petra-hoffmann_8) über die diesjährigen LetsDOK (11. - 17. September), die besonderen Schauplätze und das Rahmenprogramm. Hoffmann ist Geschäftsführerin der bundesweiten Dokumentarfilmtage und Vor­sitzende des Vereins zur Förderung der Dokumentarfilmkultur.

**LETsDOK findet dieses Jahr zum 4. Mal statt. Wie hat sich das Angebot etabliert**?

PETRA HOFFMANN: LETsDOK hat sich zu einem Aushängeschild der Kulturszene gemausert. Durch die Offenheit und Innovationskraft der Aktionstage (grassroots movement) und durch die Qualität und Vielfalt der Veranstaltungen hat sich LETsDOK in den letzten drei Jahren zu einem wichtigen Bestandteil des Kulturlebens in Deutschland entwickelt und ist inzwischen auch über die Grenzen hinaus (Schweiz, Österreich) aktiv. Mit LETsDOK zeigen wir im September nicht nur über 300 Filme, sondern haben auch eine partizipative Form etabliert Film zu erleben. Wir geben kein Filmprogramm „von oben nach unten“ vor – nach dem Motto „wir zeigen euch jetzt Filme“ – sondern haben ganz viele Menschen motiviert, Dokumentarfilme im Programmkino und an ungewöhnlichen Orten zu zeigen und über sie zu sprechen.


**Was steht 2023 im Fokus, gibt es auch Neuerungen**?

PETRA HOFFMANN: Wir gehen in 2023 unter dem Motto: „Let’s go green! Let’s feel real! Let’s stand up!” an den Start. Die Aktionstage finden an vielen Orten in ganz Deutschland statt, es werden Dokumentarfilme aller Genres, aus verschiedenen Produktionsjahren, sowohl von etablierten Filmemacher:innen, als auch vom Nachwuchs gezeigt. Mit unserer inhaltlichen Ausrichtung wollen wir in diesem Jahr einen deutlichen Fokus auf die Themen Nachhaltigkeit, Diversity und Demokratieförderung legen. Bei den Vorstellungen sind die Filmemacher:innen oder andere Expert:innen für ein vertiefendes Gespräch mit dem Publikum vor Ort. Das ist uns deshalb wichtig, weil wir auf diesen Events Werbung für den Kino-Dokumentarfilm machen können, denn oftmals erfahren die Zuschauer:innen erst durch LETsDOK, dass unser Genre auch im Kino auf der großen Leinwand anzuschauen ist. Festivals locken oft ein interessiertes Fachpublikum, in einer einzigen Stadt. Wir zeigen Filme in ganz Deutschland und eben auch auf die Marktplätze oder in die U-Bahnunterführungen. Wir bringen den Film also zu den Leuten, die vielleicht noch nicht so kulturell interessiert, sind, noch nicht den Dokumentarfilm für sich entdeckt haben und das ist das Spannende. Indem wir den Film zu den Menschen bringen und uns mit ihnen über den Film austauschen, tragen wir zu einem neuen Miteinander bei. Mit LETsDOK bieten wir den Künstler:innen eine Chance, ihr Filmprodukt den Menschen nahe zu bringen und zwar unabhängig davon, ob der Film durch eine Jury gegangen ist oder einer Redaktion in einem Sender gefallen hat oder einem Kinobetreiber. Jede/r hat die Möglichkeit, seinen Film dem Publikum vorzuführen. Das ist das Entscheidende. Viele wunderbare Filme verstauben in den Kellern und neue Filme hatten keine Chance auf eine umfangreiche Kinoauswertung, weil Corona ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Wir zeigen sie nun der Öffentlichkeit: alte und neue Werke. 


**Wie finden Sie die ungewöhnlichen Schauplätze für die Screenings? Haben Sie einen Lieblingsort bzw. was war der bis dato ungewöhnlichste Vorführungsplatz**?

PETRA HOFFMANN: Für uns alle ist es jedes Jahr aufs Neue spannend architektonisch oder historisch interessante Orte cineastisch zu entdecken. Es ist schwer zu sagen, was der bis dato ungewöhnlichste Vorführungsplatz war. Jeder Ort hat seine eigenen Reize und kann auf seine Weise beeindruckend sein. Zum Beispiel die Neandertalhöhle in Erkrath (NRW). Oder die U-Bahn-Unterführung Ebertplatz in Köln. Eigentlich ein unwirtlicher Ort - nicht sehr einladend mit den Betonwaschwänden. Es ist aber ein ungeschminkter Ort, an dem sich die gesamte Bevölkerung versammelt: die Obdachlosen, die Kleinkriminellen, Büroangestellte, Student:innen, Familien… Der Ebertplatz stößt gleichzeitig ab und zieht gleichzeitig als urbaner Treffpunkt an. Das ideale Spannungsfeld für anspruchsvolle Dokumentarfilme, das auch Menschen in den Bann zieht, die nur zufällig und flüchtig dort flanieren. Und auch wenn sie von dem Programm vorher nichts wussten, bleiben viele Leute stehen, nehmen sich die Zeit einen Film anzuschauen und einige bleiben sogar den ganzen Tag, weil es zusätzlich eine Lesung gibt, Musik und Snacks und diese Mischung macht das Event einzigartig. Es ist nicht so clean und sauber und trotzdem herrscht immer eine einzigartige Atmosphäre. Ein Clash von ungeschönter Wirklichkeit und ästhetischer Transformation. Solche Orte bereichern das Filmerlebnis für die Zuschauer:innen und bieten neue Perspektiven auf die gezeigten Filme. 

**Welchen Raum nehmen die Rahmenangebote wie Masterclasses, Workshops für den Nachwuchs und Fachveranstaltungen ein? Welche Bedeutung kommt ihnen zu**?

PETRA HOFFMANN: Insgesamt spielen Rahmenangebote eine wichtige Rolle, da sie das Gesamterlebnis für die Teilnehmer:innen bereichern und zur Weiterentwicklung der Filmindustrie beitragen. Die Produktion eines Kino-Dokumentarfilms ist ja oft eine sehr einsame Angelegenheit. Es gibt viele Filmemacher:innen - die sogenannten Rucksackproduzent:innen - die viele Jobs selber übernehmen. Sie sind oft Autor:in, Produzent:in und Regisseur:in in Personalunion und manchmal übernehmen sie auch noch die Kameraarbeit oder den Schnitt. Sie arbeiten also oft allein oder in sehr kleinen Teams. Die Fortbildungen und Fachveranstaltungen bieten eine Möglichkeit für Filmschaffende, Expert:innen und Interessierte, sich über verschiedene Aspekte der Dokumentarfilmindustrie auszutauschen, neue Fähigkeiten zu erlernen und sich weiterzuentwickeln. Diese Veranstaltungen erweitern nicht nur das Wissen von Jung und Alt, sondern führen auch dazu sich zu vernetzten und Kontakte in der Branche zu knüpfen. Junge Talente haben die Möglichkeit, von etablierten Profis zu lernen und ihre Fähigkeiten zu verbessern. 

**Wie wichtig sind Angebote wie die Dokumentarfilmwoche LETsDOK, um dem Dokumentarfilm mehr Sichtbarkeit zu verleihen? Wie ist es in Deutschland allgemein um die Akzeptanz des Dokumentarfilms (im Kino)...

LETsDOK-Geschäftsführerin Petra Hoffmann: „Offenheit und Innovationskraft“