Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Was bedeutet für Sie die Teilnahme am Wettbewerb?


Michael Haneke: In Cannes eingeladen zu sein, halte ich für eine große Ehre, schließlich wird der Film aus über 800 Konkurenzangeboten ausgewählt. Ich freue mich riesig, trotz der Arbeit, die mich erwartet. Für einen Film gibt es nichts Besseres, der Marktwert steigt dadurch.


BF: Haben Sie ein bisschen Angst?


MH: Die habe ich, während ich einen Film mache. Da frage ich mich oft, ob mir alles gelingt. Nach Fertigstellung bin ich nur neugierig, wie er ankommt. Natürlich hoffe ich auf positive Resonanz bei Publikum, Presse und Jury, da packt mich eine Form von banger Erwartung. Seit meine drei ersten Filme in der Quinzaine liefen, "Funny Games" und "Code: inconnu" im Wettbewerb, weiß ich, Cannes ist die Nagelprobe, die Reaktionen sind nur schwer voraussehbar.


BF: Mit "Die Klavierspielerin" arbeiten Sie das zweite Mal mit [Marin Karmitz](/person/marin-karmitz) und MK2 zusammen. Sind Sie schon ein halber Franzose?


MH: Ich genieße das Glück, ein zweites Standbein zu haben. Das heißt ja nicht, dass ich nicht weiterhin in Österreich arbeite. Aber angesichts der hiesigen nicht gerade rosigen finanziellen Arbeitssituation, ist es natürlich beruhigender, auch auswärts auf weitere Möglichkeiten zurückgreifen zu können. Vom österreichischen Filmförderungsfonds kriegt man ja maximal nur zehn Mio. Schilling (rund 1,5 Mio. Mark). Die Finanzierung durch Wega Film als ausführende Produktion und MK2 lag bei fifty-fifty. Dazu kam noch die Beteiligung diverser TV-Anstalten. Ohne die geht heute nichts mehr.


BF: Reichte Ihnen das Budget von ca. zehn Mio Mark?


MH: Ich überziehe nie. Ich bin seit über 20 Jahren in dem Geschäft. Ich weiß einfach, wie viel Geld, Zeit und Material ich benötige, und sage das vorher. Ich realisiere dann den Film zu den geforderten Bedingungen und halte sie auch ein. Die meisten Produzenten tendieren dazu, die Filme unterzufinanzieren. Dann passieren die größten Katastrophen. Ich will in Ruhe arbeiten und keinen Streit.


BF: Welche Sprache herrschte am Set vor?


MH: Drehort war Wien, aber wegen der drei Hauptdarsteller [Isabelle Huppert](/person/isabelle-huppert), [Annie Girardot](/person/annie-girardot) und [Benoît Magimel](/person/benoit-magimel) aus Frankreich haben wir überwiegend in Französisch gedreht, mit den übrigen Darstellern wie [Udo Samel](/person/udo-samel) oder [Susanne Lothar](/person/susanne-lothar) in Deutsch. Für die deutsche Fassung wird der französische Teil synchronisiert und vice versa. Das wunderbare Tonteam war dasselbe wie bei "Code: unbekannt". Deshalb fanden Nachbehandlung, Tonschnitt und Tonmischung in Frankreich statt, obgleich Tonstudio und Löhne dort horrend teuer sind. Den Bildschnitt fertigten wir in Österreich.


BF: Wie war die Zusammenarbeit mit Isabelle Huppert, die Handlung dreht sich sehr stark um Sexualität?


MH: Wenn man so heikle Szenen zu spielen hat, ist das für keinen Schauspieler locker oder einfach. Die Drehsituation war schwierig, aber nicht problemgeladen. Wir haben uns alle sehr gut verstanden. Die Schauspieler waren außergewöhnlich. Isabelle Huppert wusste, dass diese Rolle eine Reihe von Möglichkeiten bietet - auch in psychischer Beziehung -, die man sonst nur selten bekommt. Für so etwas ist ein Schauspieler immer dankbar. Diese Szenen haben wir mit kleinstem Team gedreht, als Regisseur muss man die Darsteller auch schützen. Die Schwierigkeit lag darin, einen obszönen Film zu machen, jedoch keinen pornografischen. Ich fühle mich immer am wohlsten zwischen den Stühlen, begebe mich gern aufs Glatteis. Sonst wird mir langweilig.


BF: Polarisieren und provozieren Sie gern?


MH: Meine Filme sind nicht darauf angelegt, aber ohne Rigorosität ist Kunst ganz einfach nicht möglich. In unserer Gesellschaft ist alles erlaubt, solange es noch konsumierbar ist. Ein kleines Kitzeln im Bauch ist gut, aber es darf nicht weh tun, dann wird man böse. Ich versuche nur, ein Thema so genau wie möglich abzuhandeln. Elfriede Jelineks Roman steht nicht gerade für das 20-Uhr-15-TV-Unterhaltungsprogramm. Es kann schon sein, dass sich der eine oder andere aufregt. Aber wer glaubt, viel Fleisch zu sehen, wird enttäuscht sein. Ich habe das Drehbuch nach der Romanvorlage geschrieben und versucht, mit filmischen Mitteln zu erzählen. Meine Handschrift wird man erkennen.

Michael Haneke zu "Die Klavierspielerin" im Cannes-Wettbewerb