Blickpunkt:Film

Kino

**Mit [btf ](/company/btf)haben Sie sich vom jungen, unkonventionellen Kreativstudio zu einer der gefragtesten Produktionsfirmen Deutschlands entwickelt. Wie hat sich Ihre Produktionsweise über die Jahre verändert. [Philipp Kässbohrer](/person/philipp-kaessbohrer) und [Matthias Murmann](/person/matthias-murmann)  – und auf welchen Projekten liegt aktuell Ihr Fokus?**

**Philipp Kässbohrer**: Als wir btf vor über zehn Jahren gegründet haben, hat niemand auf dem Markt auf uns gewartet. Wir mussten innovative Wege finden, um unsere Ideen umzusetzen und haben dabei viele etablierte Produktionsweisen hinterfragt. Unser Motto war: "Wenn etwas schon immer so gemacht wurde, ist es höchstwahrscheinlich falsch." Dabei stießen wir natürlich auch häufig auf Gegenwehr. Empörte Sätze wie: "Sowas habe ich ja noch nie erlebt!" waren für uns aber immer ein Zeichen dafür, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Inzwischen gehören wir selbst zu den Etablierten, haben unser Motto aber zum Glück nie abgelegt. Nun müssen wir aber immer häufiger unsere eigenen Routinen hinterfragen.

**Matthias Murrmann**: In den ersten zehn Jahren haben wir uns stark auf Auftragsproduktionen konzentriert, zunächst im Showbereich, mit Sendern wie dem [ZDF](/company/zdf-zweites-deutsches-fernsehen) und der [ARD](/company/ard-gemeinschaftsprogramm-erstes-deutsches-fernsehen), und etwas später dann auch fiktional mit [Netflix](/company/netflix-international). Diese engen Partnerschaften haben es uns ermöglicht, unsere Handschrift weiterzuentwickeln und Produktionsstrukturen aufzubauen. Neben den Auftragsproduktionen setzen wir inzwischen verstärkt auf Eigenproduktionen, um uns einen Rechtekatalog aufzubauen und um im Kino Fuß zu fassen. Unsere ersten Schritte in diesem Bereich sind wir mit unserem Gaming-Zweig gegangen, in dem wir teilweise sogar selbst als Publisher agieren. Im Januar durften wir uns gemeinsam mit der ZDF Sportredaktion über den großen Erfolg der Dokuserie "FC Hollywood" in der ZDF Mediathek freuen. Die Serie ist aber auch darüber hinaus besonders für uns, weil sie durch die Unterstützung der [Film- und Medienstiftung NRW](/company/film-und-medienstiftung-nrw) und des GMPF unsere erste High-End-Dokuserie ist, an der wir als btf Rechte halten. Unser Business & Sales Team um Karolin Engl-Lubba und [Franziska Gärtner](/person/franziska-gaertner) hat mit [OneGate Media](/company/onegate-media) bereits einen fantastischen Weltvertriebspartner gefunden. Wir sind also guter Dinge, dass Sportfreunde auf der ganzen Welt schon bald eine Zeitreise in die verrückten 90er Jahre eines der größten Fußballclubs der Welt unternehmen können.

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*Murmann und Kässbohrer am Set von "All Heroes Are Bastards" von Esra und Patrick Phul* (Credit: btf)

**Philipp Kässbohrer**: Die Serie "All Heroes Are Bastards" von [Esra](/person/esra-phul) und [Patrick Phul](/person/patrick-phul), die wir dieses Jahr in Koproduktion mit deren Produktionsfirma Picture Me Rollin für die [ARD Degeto](/company/ard-degeto) produzieren, wird die erste fiktionale Serie in diesem Modell. Erst letzte Woche durften wir uns gemeinsam über die Förderzusage der Film- und Medienstiftung NRW freuen. Esra und Patrick sind zwei der aufregendsten, neuen Stimmen in der deutschen Medienlandschaft. Wir sind nicht nur begeistert von ihrer Kreativität und ihrem besonderen Blick auf Stoffe, sondern auch dankbar, dass sie unsere etablierte Produktionsweise oft hinterfragen und dadurch auch schon viele Impulse für Veränderungen in unserer Firma angestoßen haben.

**btf steht für mutige, genreübergreifende Erzählformen – von "[How to Sell Drugs Online (Fast)](/tvshow/how-to-sell-drugs-online-fast-staffel-1)" und "[King of Stonks](/tvshow/king-of-stonks)" bis hin zu preiswürdigen Produktionen wie "[Pauline](/tvshow/pauline)", aktuell für den Grimmepreis nominiert, oder investigativen Formaten wie Geheimsache Katar. Gibt es eine kreative oder inhaltliche Handschrift, die all Ihre Projekte verbindet?**

**Philipp Kässbohrer**: Diese Frage stellen wir uns ebenfalls seit über zehn Jahren. Wenn ich darf, würde ich Ihren Ansatz: "btf steht für mutige, genreübergreifende Erzählformen" gerne in die engere Auswahl aufnehmen. Bei der Vielfalt unserer Genres von Comedy- und Wissenschaftsshows über Dokus, Games und Fiktion kommt einem natürlich schnell der Begriff "Gemischtwarenladen" in den Sinn.

**Matthias Murrmann**: Über die Jahre haben wir ein paar ganz gute Ansätze für USPs entwickelt, die wir in Verkaufspapiere schreiben können. "Wir machen Unterhaltung mit Haltung." Oder: "Wir wollen unser Publikum überraschen, herausfordern und gleichzeitig unterhalten." Oder: "Wir machen Inhalte für progressive Realisten aus dem neo-ökologischen Milieu und ambitionierte Kreative aus dem expeditiven Milieu. Eigentlich ist es aber viel einfacher: Wir machen Inhalte, die wir selbst gerne sehen würden. 

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*Die bildundtonfabrik widmet sich in "FC Hollywood" der Geschichte des FC Bayern München* (Credit: Ben Knabe)

**Sie produzieren gleichermaßen für Streaming-Plattformen, Fernsehen und Kino. Bei der Creators Conference sprachen Sie über die Herausforderung, kreative Inhalte für ein zunehmend fragmentiertes Publikum zu schaffen: "Wir Produzenten müssen uns stärker mit dem Publikum auseinandersetzen und verstehen, wie Inhalte konsumiert werden. Gleichzeitig dürfen wir als Kreative nicht die Bindung zu unseren Geschichten verlieren." Wie machen Sie das auf den unterschiedlichen Plattformen?**

**Matthias Murrmann**: Nie zuvor gab es in der Gesellschaft einen größeren Wettbewerb um Aufmerksamkeit. Streaming Plattformen, Fernsehen und Kino konkurrieren längst nicht mehr nur untereinander. Während man früher bei Kinofilmen alternative Enden getestet hat, um eine möglichst große Mundpropaganda zu erzielen, testen wir heute alternative Anfänge für Streaming-Serien, um sicherzustellen, dass das Publikum in den ersten drei Minuten dranbleibt. Das kann man doof finden, dann riskiert man aber auch, dass die Leute lieber TikTok Videos schauen oder sich mit ChatGPT unterhalten. Es reicht leider nicht mehr, nur gute Geschichten zu erzählen. Das Publikum zu finden ist eine Expertise für sich, die über das Marketing hinausgeht. Ohne Menschen, die dieses Handwerk verstehen, ist es inzwischen sehr schwer geworden, Erfolg zu haben.

**Philipp Kässbohrer**: Mit dem tollen Team von Netflix ist dieser Austausch ganz normal. Durch die lange Zusammenarbeit haben wir eine gute Balance gefunden, in der die inhaltliche Arbeit weitestgehend unabhängig abläuft, wir uns aber trotzdem regelmäßig zu den Bedürfnissen des Publikums austauschen. Dass das ZDF mit der neuen "Audience" Abteilung eine eigene Expertise dazu entwickelt, finden wir richtig super.

**Daran anschließend: Streaming, KI-gestützte Produktion, neue Finanzierungsmodelle – die Branche verändert sich rasant. Wie muss sich eine Produktionsfirma wie btf aufstellen, um langfristig innovativ und erfolgreich zu bleiben?**

**Philipp Kässbohrer**: Als wir unsere ersten Schritte als Produktionsfirma machten, war Youtube zwei Jahre alt, digitale Spartenkanäle schossen wie Pilze aus dem Boden. Die Streamer kamen, manche blieben, einige gingen wieder. Rasante Veränderung ist für uns also so etwas wie die "Standardeinstellung". Wir haben bei btf eine Kultur etabliert, in der Veränderungen als etwas Gutes gesehen werden.

**Matthias Murrmann**: In den letzten zwei Jahrzehnten haben wir eine enorme Vereinfachung der digitalen Produktionsmittel erlebt. Früher war der Zugang zur Filmproduktion schwieriger, doch mit DSLRs und leistungsfähigen Laptops konnten wir ziemlich hochwertige Inhalte produzieren – das war gewissermaßen die Geburtsstunde unserer Firma. Heute stehen wir vor einer neuen Transformation durch KI-gestützte Tools, die im ersten Schritt vor allem Automatisierungsprozesse revolutionieren. Wir glauben nicht, dass KI kreative oder persönliche Visionen ersetzt, aber sie wird Prozesse massiv verändern und beschleunigen – vom Writing, über die Pre-Visualization bis zur Postproduktion. Wir setzen uns intensiv mit diesen Entwicklungen auseinander, sowohl technologisch als auch ethisch.

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*Einblick in "Perfekt verpasst"* (Credit: Ben Knabe)

**Für uns bedeutet das: Anpassungsfähigkeit ist der Schlüssel. Anders als die alten TV-Strukturen müssen wir agil und flexibel bleiben, um technologische und marktwirtschaftliche Veränderungen in höchster Geschwindigkeit mitzugehen.**

**Philipp Kässbohrer**: Außerdem hilft es natürlich auch, ein bisschen größenwahnsinnig zu bleiben, was unsere Ziele angeht. Wir sind gerade eine Partnerschaft mit Anonymous Content aus den USA eingegangen, um gemeinsam große, internationale Projekte anzugehen. Zudem haben wir nie aufgehört, davon zu träumen, dass die Fiction Redaktion des [WDR](/company/westdeutscher-rundfunk-wdr) eines Tages mal ein Projekt mit uns zusammen macht.

**btf ist fest in Köln verankert. Was macht NRW als Produktionsstandort für Sie so attraktiv – und welche Infrastruktur brauchen moderne Produktionsfirmen heute?**

**Philipp Kässbohrer**: Für btf war Köln immer mehr als nur ein Standort. Das liegt zum einen an der Kunsthochschule für Medien, deren disruptive Kraft immer Teil unserer Arbeit ist. Zum anderen können wir uns natürlich auch gut mit der integrativen und toleranten Kultur und Politik der Stadt identifizieren. Wir denken Fernsehen ohnehin eher als Teil des Kunst- und Kulturbetriebs. Deshalb befindet sich unser Studio König, anders als die meisten TV Studios, nicht neben Ikea im Industriegebiet, sondern in Ehrenfeld zwischen Konzertlocations und Clubs. Dort sind auch unsere Produktionsbüros, die Werkstätten und unsere tolle Postproduktion. Für eine moderne Produktionsfirma haben wir somit eine ungewöhnlich große Infrastruktur und das hat auch nicht nur Vorteile. Ein entscheidender ist für uns das eingespielte Team. In einer Branche, in der Geschmack einer der wichtigsten Qualitätsmaßstäbe ist, ist dieser Vorteil schier unbezahlbar.

**Wie wichtig ist die Unterstützung der Film- und Medienstiftung NRW für Ihre Arbeit? Welche Fördermodelle funktionieren gut – und wo wünschen Sie sich noch mehr Impulse?**

**Matthias Murrmann**: Die ersten zehn Jahre unserer Firmengeschichte waren wir glücklicherweise weder von Filmförderung noch von Investorengeldern abhängig. Umso mehr freuen wir uns nun, durch die Unterstützung der Film- und Medienstiftung gezielt neue Geschäftsfelder erschließen zu können und über den DACH Tellerrand hinauszublicken. Für ambitionierte Projekte wie "The Death and The Penguin" von [Ari Folman](/person/ari-folman), das unsere Produzentin [Judith Fülle](/person/judith-fuelle) im Moment zusammen mit Anonymous Content und JMAG:productions, Zürich vorbereitet, ist die Film- und Medienstiftung ein entscheidender Partner. Die Vorbereitungsförderung hilft uns sehr dabei, alle für die Finanzierung notwendigen Bausteine zu erarbeiten. Neben der inhaltlichen Arbeit gehören dazu auch Casting, Concept Art, Finanzierungspläne, Übersetzung usw. Da ist jedes Projekt verschieden und das deckt diese Förderung sehr gut ab.

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*Für den WDR produziert btf die "Die Carolin Kebekus Show"* (Credit: Ben Knabe)

**NRW hat sich als kreativer Hotspot für neue Serien- und Filmformate etabliert. Welche Chancen bietet der Standort für junge Kreative – und wie kann sich NRW im internationalen Vergleich noch besser aufstellen?**

**Philipp Kässbohrer**: NRW hat tolle Ausbildungsmöglichkeiten für junge Medienschaffende. Die [KHM ](/company/khm)ist wahrscheinlich die interessanteste Hochschule für Medienkunst des Landes - wobei ich da zugegebenermaßen nicht ganz objektiv bin - und die ifs ist sehr gut mit der Filmbranche verknüpft und bietet über den normalen Studiengang hinaus exklusive Programme wie das European Showrunner Programme oder den Master Studiengang in Entertainment Producing an.

**Matthias Murrmann**: Darüber hinaus hat NRW eine starke Creator- und Gaming-Kultur, die durch Veranstaltungen wie die Gamescom und die Videodays gefördert wird. Die Region ist ein Magnet für YouTuber, Streamer und Content Creators, die hier ihre Netzwerke aufbauen können. Allerdings gibt es oft noch zu wenig Austausch zwischen diesen neuen kreativen Bereichen und der klassischen Film- und Fernsehindustrie.

**Philipp Kässbohrer**: Ein entscheidender Faktor für junge Kreative ist aber auch eine lebendige Subkultur. Viele spannende Filmemacher:innen haben eine Nähe zur Kunst- und Partyszene, zu Rap, elektronischer Musik oder der Skateboard-Kultur. Außerdem wird nach wie vor viel zu wenig dafür getan, dass Menschen mit Migrationsgeschichte der Zugang zur Branche erleichtert wird. In diese Bereiche muss in Zukunft unbedingt mehr investiert werden.

**Was bedeutet die [Berlinale](/company/internationale-filmfestspiele-berlin) für Sie und welche Entwicklung wünschen Sie sich?**

**Matthias Murrmann**: Die Berlinale ist nicht nur eines der wichtigsten Filmfestivals der Welt, sondern auch einer der wichtigsten globalen Branchentreffs der Film- und TV-Branche. Hier kommen alle wichtigen Player zusammen – Produzent:innen, Regisseur:innen, Investor:innen und Entscheidungsträger:innen von Streaming-Diensten und Sendern. Es gibt wenige Gelegenheiten, so geballt und so konzentriert mit den relevanten internationalen Partner:innen ins Gespräch zu kommen. Für die Zukunft wünschen wir uns, dass sich die Berlinale noch stärker für das breite Publikum öffnet. In Deutschland gibt es ja eine traditionelle Trennung zwischen E (wie ernst) und U (wie Unterhaltung) – entweder ein Film ist "künstlerisch wertvoll" oder "Massentauglich". International gibt es längst eine Entwicklung, die beides verbindet: Regisseure wie[ Yorgos Lanthimos](/person/yorgos-lanthimos), [Ruben Östlund](/person/ruben-oestlund) oder die[ Safdie](/person/ben-safdie)-Brüder zeigen, dass anspruchsvolle Filme auch ein breites Publikum erreichen können.

**Philipp Kässbohrer**: Ich fände es großartig, wenn die Berlinale im Sommer stattfinden würde.

NRW@Berlinale: Philipp Kässbohrer und Matthias Murrmann: „Wenn es immer so war, ist es wahrscheinlich falsch“