Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Mit einem [Multiplex in Erding](/company/cineplex-lichtspielberg-erding), einem Miniplex in Vilsbiburg und sechs traditionellen Häusern in Freising vertreten Sie die komplette Reihe des Kinobetriebs. Wie haben sich die Geschäfte in den vergangenen Jahren entwickelt?

Angela Lipp-Fläxl: Wir sind mit der Entwicklung unserer Kinos recht zufrieden. In Freising verzeichnen wir stabile Besucherzahlen und haben mit etwa 230.000 Besuchern jährlich inzwischen auch Vilsbiburg wieder eingeholt. Dort mussten wir durch Neubauten in Landshut und vorher schon in Waldkraiburg und durch unser eigenes Kino in Erding doch deutliche Verluste hinnehmen. Wir konnten in Vilsbiburg ja innerhalb von zehn Jahren drei Mio. Besucher verzeichnen. Inzwischen gehen dort jährlich 220.000 Besucher ins Kino. Auf diesem Level wird es sich wohl einpendeln und damit können wir leben. In einem Haus mit 650 Sitzplätzen ist das immer noch eine akzeptable Auslastung. Das Lichtspielberg Vilsbiburg ist das Mutterschiff. Von hier gehen die Impulse auf unsere Kinos aus.

BF: Wie kann man gegen eine solche Konkurrenz ansteuern?

ALF: Wir wussten ja immer, dass in Landshut ein größeres Center kommen würde. Wir haben die Nachbarstadt auch immer als Kinonachbar gesehen. Die Stadt verfügt jetzt über 14 Säle. Dort können einfach mehr Programme laufen als in sieben Sälen in Vilsbiburg. Die großen Filme laufen in beiden Orten. Kleinere Produktionen finden in Vilsbiburg manchmal erst einige Wochen nach dem Start Platz. Dennoch laufen auch bei uns zwischen 15 und 20 Filme. Wir bemühen uns um eine hohe Vielfalt und die Disposition ist immer eine Herausforderung.

BF: Sie sind also mehr denn je auf eine Kopienversorgung zum Starttermin angewiesen.

ALF: Das war schon immer so, hat sich jedoch verschärft. Daran leiden sicherlich auch viele Kollegen, besonders in Zeiten, wo die Filmversorgung an sich nicht optimal ist. Anfang des Jahres war es für viele Kinobetreiber schwierig, ein abwechslungsreiches Programm zu gestalten - weil kaum starke Filme da waren und die Verleiher die Kopienzahl darauf abgestimmt hatten. Genaugenommen hatten wir das Problem schon seit Mitte November bis zum Start von "[Meine Frau, ihre Schwiegereltern und ich](/movie/meine-frau-ihre-schwiegereltern-und-ich)". Wenn Filme mit einem Kopienschnitt von etwa 500 auf den ersten Platz der [EDI](/company/comscore-movies-rentrak-germany-gmbh)-Liste kommen, dann spricht das schon für sich.

BF: Mit der Programmgestaltung lässt sich also nur schwer agieren. Gibt es andere Möglichkeiten?

ALF: Beispielsweise mit einer vernünftigen Preisstruktur. Der Super-Kino-Dienstag funktioniert ja hervorragend, allerdings inzwischen zu Lasten des Montags und Mittwochs. Da wir unter der Woche von einem traditionell stark weiblich geprägten Publikum frequentiert werden, haben wir Mitte Februar mittwochs einen "Lady's Day" eingeführt. Der greift inzwischen. Für den Montag suchen wir noch nach Konzepten. Ich denke da stark an die Silberfüchse.

BF: Die Silberfüchse?

ALF: Ja, meine Generation, die 50-Plus-Generation. Die sind gut informiert und wählen bewusst ihren Film. "[Rhythm Is It!](/movie/rhythm-is-it)" oder "[Die Kinder des Monsieur Mathieu](/movie/die-kinder-des-monsieur-mathieu)" liefen bei dieser Zielgruppe hervorragend. Doch sind sie auch preisbewusst und vor allem nur sehr sporadische Kinogänger. Ab Mitte 20, mit der Geburt der Kinder, lässt der Kinobesuch enorm nach. Wenn die Leute dann ab 50 wieder mehr Zeit hätten ins Kino zu gehen, muss man sie aber erst wieder dafür sensibilisieren. Hier sehe ich ein wichtiges Aufgabengebiet: Es ist leichter, die Menschen im Kino zu halten, als sie später wieder rein zu kriegen. Es gibt einfach keine Alternative: Wir dürfen die jungen Eltern nicht verlieren, sonst verlieren wir durch die Alterspyramide in naher Zukunft einen erheblichen Teil unserer Kinobesucher.

BF: Wie kann das funktionieren?

ALF: Von einem Patentrezept bin ich derzeit leider noch weit entfernt. Aber ich bin mir sicher, dass die Leute jenseits der 30 über das Filmangebot besser beraten werden müssen. Und wir brauchen ein breiter gefächertes Programm. Dafür wiederum benötigen wir mehr kleinere Sitzplatzkapazitäten. Man kann auch Säle mit 50 oder 60 Plätzen auf Multiplex-Niveau bauen und kein Kinogänger wird sich über die Größe des Saals beschweren. Viele Programme, viele Vorstellungen und lange Laufzeiten bringen Besucher. Unsere Erfahrungen haben in zehn Jahren gezeigt: eine Vorstellung pro Tag ergibt in der Woche ca. 250 bis 300 Besucher. Das kann die zehnte Woche des vormaligen Blockbusters sein oder die Originalfassung oder eine Arthouse-Spezialität. Je mehr man solche Säle hat, desto öfter schlägt diese Besucherzahl zu Buche. Wir müssen immer differenzierter in diese Richtung arbeiten. Für Vilsbiburg haben wir deshalb Pläne, drei zusätzliche Säle zu bauen.

BF: Sind derartige Investitionen in Zeiten ängstlicher Banken noch finanzierbar?

ALF: Auch heute werden noch solche Projekte wie unseres vor zehn Jahren verwirklicht. In Pfaffenhofen hat gerade ein [Plex](/company/cineradoplex) mit acht Sälen eröffnet. Besonders die Mittelständler in kleineren Orten haben da nach wie vor Potenzial, gerade weil seit Jahren von vielen Kollegen bewiesen worden ist, dass dies wirtschaftlich funktionieren kann. Für unsere Erweiterung sind wir mit den Banken noch in Verhandlungen. Doch die Zahlen liegen auf der Hand: Fest steht, jeder weitere Saal bringt 20.000 bis 25.000 weitere Besucher. In Erding machen wir mit zehn Sälen und 1000 Plätzen die doppelte Besucherzahl von Vilsbiburg und das wohlgemerkt keineswegs mit dem doppelten Aufwand. Zehn Säle stellen unserer Erfahrung nach ein Optimum in dieser Ortsgröße dar. Wir sind also nach wie vor guter Dinge, dieses Projekt verwirklichen zu können.
BF: Was hilft es einem mittelständischen Unternehmen, Teil eines Verbundes wie der [Cineplex-Gruppe](/company/cineplex-deutschland) zu sein?

ALF: Wir sind seit gut einem Jahr Mitglied beim Unternehmermodell Cineplex und ich sehe darin nur Vorteile. Uns war schon lange klar, dass unsere Einkaufspreise vergleichsweise hoch sind. Zwar konnten wir bezogen auf vergleichbare Häuser ähnliche Umsätze machen wie die großen Ketten, doch fehlte uns die Größenordnung, um Rabatte zu bekommen. Oder nehmen wir Marketingaktionen: Wir wollten immer schon gerne Aktionen machen und Give-Aways verteilen, schafften das aber kostenmäßig und auch organisatorisch nicht gut. Jetzt besorgt eine Marketingagentur Sponsoren, für die die Cineplex-Gruppe mit Millionen Besuchern pro Jahr ein spannender Partner ist. Und nicht zuletzt werden unsere Anstrengungen von einigen Verleihern jetzt mehr wahrgenommen und geschätzt.

Viel Vertrauen in deutschen Film

BF: Neben ihren Kinoaktivitäten engagieren Sie sich seit Jahren in verschiedenen Gremien. Seit über einem Jahr sind Sie Vorsitzende des [FFA](/company/ffa-filmfoerderungsanstalt)-Vergabeausschusses und gestalten so auch das Kinoprogramm auf lange Sicht mit. Wie wichtig ist die Mitarbeit von Kinobetreibern an der Projektauswahl und was können Sie dazu beitragen?

ALF: Ein Kollege hat kürzlich von der "kollektiven Subjektivität" gesprochen. Grundsätzlich sind in diesem elfköpfigen Gremium Kompetenz und unterschiedliche Meinungen und Präferenzen vorhanden. Es gibt dabei, was die Förderung betrifft, die unterschiedlichsten Allianzen: Mal sind es die kommerziell ausgerichteten Kinobetreiber, die sich für ein kleines Erstlingswerk stark machen. Dann wieder kämpfen die Kreativen für ein Mainstream-Projekt. Meine Rolle als Vorsitzende sehe ich als Moderatorin des Gremiums. Dabei ist mir wichtig, die Vergabekommission auch immer über die aktuelle Kinosituation zu informieren und in einen wirtschaftlichen Zusammenhang zu stellen.

BF: Was ist Ihnen für einen positiven Förderbescheid wichtig?

ALF: Es gibt Kriterien aber keine Garantie der Vergabe von Fördermitteln. Die zu erwartende Qualität des Projektes ist entscheidend. Für mich ist sehr wichtig, mit den FFA-Förderungen eine gewisse Bandbreite abzudecken: Natürlich würde ich gerne den Rückfluss der Mittel in die FFA sehen, denn das wäre ja der angestrebte kommerzielle Erfolg der Produktion. Doch müssen auch ambitionierte Erstlingswerke von vielleicht späteren Erfolgsregisseuren bzw. die eine oder andere interessante Spezialität, die das Potenzial zum Überraschungshit hat, unterstützt werden.

BF: Wie sehen Sie die Situation des deutschen Films insgesamt?

ALF: Ich habe Vertrauen in den deutschen Film. Bei den FFA-geförderten Filmen, die letztes Jahr ins Kino kamen, war ja alles dabei: Riesenerfolge wie "[7 Zwerge](/movie/7-zwerge-maenner-allein-im-wald)", "[Autobahnraser](/movie/autobahnraser)", der leider ein Riesenflop war, und wunderbare Familienfilme wie "[Lauras Stern](/movie/lauras-stern)". 2004 hat die Kommission den [Berlinale](/company/internationale-filmfestspiele-berlin)-Erfolg "[Sophie Scholl - Die letzten Tage](/movie/sophie-scholl-die-letzten-tage)" gefördert aber nicht den kommerziell höchst erfolgreichen "[Der Untergang](/movie/der-untergang)". Dennoch zeigen beide Filme, dass Deutschland die Kraft hat, solche Filme zu produzieren. Das gibt unglaubliche Hoffnung. Es gibt endlich eine Einstellung: "Wer, wenn nicht wir sollten solche Filme machen?" Niemand spricht uns mehr das Recht ab, Filme über unsere schwere Vergangenheit zu produzieren.

Fusion als Gebot der Zeit

BF: Themenwechsel. Sie sind nach wie vor im Hauptausschuss des HDF tätig. Drei Stichpunkte dazu: Verbandszusammenführung?

ALF: Das ist ein Gebot der Zeit. Die Branche ist einfach zu klein für drei oder vier Verbände. Gerade bei den langfristigen Themen wie FFG-Novellierung und der politischen Lobby insgesamt müssen wir eine starke Vertretung haben. Je schlechter es dem Kino geht, desto mehr muss der Verband leisten. Es wird jetzt ein anderer Verband entstehen. So ist für die Bewältigung der Aufgaben unabdinglich, die ehrenamtliche Struktur teilweise aufzugeben. Im Gegenzug dazu werden alle Mitarbeiter immer wieder daran gemessen werden, was sie geleistet haben.
BF: Filmpiraterie?

ALF: Ich habe das Gefühl, dass die Kampagnen greifen. Das Bewusstsein hat sich dadurch geändert. Auf der anderen Seite sind bei der polizeilichen Verfolgung wichtige Erfolge zu verzeichnen. "Blade 3" sackte wöchentlich noch um 50 Prozent ab, für mich eine Folge der steigenden Verbreitung im Internet. Bei aktuellen Filmen wie "[Hitch](/movie/hitch-der-date-doktor)" ist dies weniger zu beobachten.

BF: Verleiher?

ALF: Die langen Diskussionen über die Filmmieten haben sich eher beruhigt. Momentanes Hauptproblem ist, dass bei vielen Filmen die Sperrzeit für die Videoherausbringung nicht mehr eingehalten wird. Aktuelles Beispiel: "[Heffalump](/movie/heffalump-ein-neuer-freund-fuer-winnie-puuh)", der schon 14 Wochen nach dem Kinostart als DVD veröffentlicht wird. Dabei wird mal wieder die Lokomotivfunktion des Kinos benutzt. Nachdem klar ist, welchen Wert ein Film hat, braucht man die Lokomotive nicht mehr. Jeder Tag, an dem ein Film früher auf DVD veröffentlicht wird, geht dem Kino verloren. Und das geht natürlich wiederum gegen wichtige Konzepte, Filme wieder länger in den Kinos zu halten, damit wir das Besucherpotential tatsächlich besser nutzen.

Kinobetreiberin und Förderin Angela Lipp-Fläxl über Zukunftschancen