Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Es heißt, Sie hätten "[Groupies Forever](/movie/groupies-forever)" von Drehbuchautor und Regie-Debütant [Bob Dolman](/person/bob-dolman) in einer Rekordzeit von vier Tagen vorbereitet, weil Sie kurzfristig eingesprungen sind. Wie ist das zu schaffen?

Karl Walter Lindenlaub: Das ist übertrieben, ich hatte etwas über eine Woche Zeit. Ich würde das nicht unbedingt zur Nachahmung empfehlen, aber das kann vorkommen. Es ist ja kein Film mit SFX oder großen Actionszenen. Zudem war der Film logistisch nicht so kompliziert, weil er rund um Los Angeles gedreht wurde.

"Heute wird so viel Kopfsalat gedreht"

BF: Welche Prioritäten haben Sie bei dieser knappen Vorbereitungszeit gesetzt?

KWL: Zunächst haben wir die Entscheidung getroffen, ob wir mit Super-35 auf Cinemascope drehen oder auf ein herkömmliches Breitwandformat zurückgreifen. Bob Dolman und ich haben uns ein Wochenende im Hotel eingeschlossen und uns Filme aus den 60er und 70er Jahren angesehen, wie "[Die Kunst zu lieben](/movie/die-kunst-zu-lieben)" von [Mike Nichols](/person/mike-nichols), in der extrem mit Cinemascope, aber doch in intimen Innenräumen gearbeitet wurde. Ich war von vorneherein der Meinung, wenn wir Breitwand drehen, muss man das Format so nutzen, dass man nicht überauflöst, sondern die Schauspieler auch längere Passagen durchspielen lässt, was ja heute kaum noch jemand macht. Heute wird so viel geschnitten und auch so viel Kopfsalat gedreht. Unser Ansatz war, dass wir am Drehort auflösen, d.h. den Kamerawinkel besprechen und festlegen. Wenn man so arbeitet, kann man auf das, was in den Proben passiert, hinreichend reagieren, und ist nicht auf Storyboards festgelegt.

BF: Sie haben in den vergangenen Jahren sehr viel unterschiedliche Filme gemacht, von effektlastigen Blockbustern bis zu leichten Romantikkomödien. Wie gehen Sie bei der Wahl Ihrer Projekte vor?

KWL: Ich suche immer nach einem Drehbuch, das mir gefällt. Als ich nach Amerika kam, habe ich häufiger mit Roland Emmerich Filme gedreht, die sehr SFX-lastig waren und großen technischen Aufwand hatten. Danach bekam ich plötzlich nur noch solche Projekte angeboten. Mittlerweile ist es so, dass ich auch mal nein sagen kann.

BF: Zuletzt haben Sie mit [Wayne Wang](/person/wayne-wang) gedreht.

KWL: Das war eine interessante Zusammenarbeit. Die romantische Komödie "[Manhattan Love Story](/movie/manhattan-love-story)" mit [Ralph Fiennes](/person/ralph-fiennes) und [Jennifer Lopez](/person/jennifer-lopez) in den Hauptrollen hatte im Gegensatz zu "Groupies Forever" ein größeres Budget und eine lange Vorbereitungszeit. Wir haben komplett in New York gedreht, was extrem teuer ist, jedoch spannende Motive bietet.

BF: Haben Sie eine Erklärung dafür, warum deutsche Kameramänner in Hollywood so gut Fuß gefasst haben?

KWL: Die Europäer haben traditionsgemäß schon immer einen großen Einfluss in Hollywood gehabt, das geht zurück auf die Stummfilmzeit. Das ist nichts, was sich erst in den letzten Jahren entwickelt hat. Für Kameraleute ist im Gegensatz zu Schauspielern die Sprache nicht relevant.

BF: Haben Sie schon mal daran gedacht, selbst Regie zu führen?

KWL: Es ist leider so, dass Kameraleuten eher ein Film angeboten wird, der sich im Actionbereich bewegt, B-Pictures und solche Sachen, und dazu habe ich wenig Lust.

BF: Bekommen Sie auch Angebote aus Deutschland?

KWL: Weniger in letzter Zeit - und wenn, waren es meistens sehr kommerzielle Stoffe, die mich nicht interessiert haben. Filme wie "Otto 5" - bei aller Wertschätzung für [Otto Waalkes](/person/otto-waalkes) - reizen mich als Kameramann nicht besonders.

BF: Sie sind dennoch in Deutschland aktiv: Von [Michael Ballhaus](/person/michael-ballhaus) haben Sie die Bereichsleitung Kamera/Bildregie an der Universität Hamburg übernommen. Was ist Ihr Ansatz bei Ihrer Lehrtätigkeit?

KWL: Wir betonen hier die Teamarbeit. Es geht also nicht nur um das technische Handwerk, sondern auch um den Umgang z.B. von Regie und Kamera. Ich mache gezielt nicht nur Kamera-Seminare, sondern auch Regie-Kamera-Seminare. Das hat sich als sehr erfolgreich erwiesen.

"Instinkt wichtiger als technische Formeln"

BF: Manchmal scheint es, als ob der technische Aspekt bei der Kameraarbeit derzeit den künstlerischen überlagert.

KWL: Ich habe gelernt, dass mein Instinkt und meine Sensibilität, was Bilder und Lichtsetzung angeht, viel wichtiger sind als irgendwelche technische Formeln. Das Gerät ist ein Mittel zum Zweck. Die Kamera ist nur ein Kasten, die Objektive sind eigentlich wichtiger.

Karl Walter Lindenlaub über seine Arbeit als Kameramann