Blickpunkt:Film

Kino

Voltage Pictures, 2005 gegründet von CEO Nicholas Chartier, zählt zu den weltweit aktuell führenden unabhängigen Finanzierungs- und Produktionsfirmen. President und COO Jonathan Deckter berichtet, warum man trotz Corona mit ["After Truth"](/movie/after-truth) und "[Follow Me](/movie/follow-me_3)" obenauf ist.


Wie sah Ihr Geschäft im letzten halben Jahr aus?


JONATHAN DECKTER: Als Firma haben wir uns in Anbetracht der offensichtlichen Herausforderungen ungemein gut geschlagen. Besonders haben wir das "After Truth" zu verdanken, der bisher an den Kinokassen deutlich mehr als 40 Mio. Dollar eingespielt hat. Sofern man zum jetzigen Zeitpunkt -einen Vergleich anstellen kann, liegt der Film insgesamt ebenso gut oder vielleicht sogar leicht über dem Vorgänger, ["After Passion"](/movie/after-passion). Das ist erstaunlich. Wir gehen davon aus, dass die Filme, die aktuell im Kino zu sehen sind, nur 60 Prozent des Potenzials ausschöpfen können, das sie hätten, wenn sie in einem normalen Kinojahr zu sehen wären. Wir können also nicht klagen.


Und freuen sich außerdem über die Zahlen, die "Follow Me" schreibt.


JONATHAN DECKTER: Vor allem in Deutschland ist er stark, aber auch in den Beneluxländern und Australien liegen die Ergebnisse deutlich über den Erwartungen. Als wir bei dem Projekt einstiegen, waren wir zuversichtlich, einen sehr guten Home-Entertainment-Titel an der Hand zu haben mit einer gewissen Chance im Kino. Uns gefällt der Regisseur, [Will Wernick](/person/will-wernick), mit dem wir nach ["Escape Room"](/movie/escape-room_8) zum zweiten Mal arbeiten. Hier hat einfach das Timing gestimmt. Sehen Sie sich die Ticketverkäufe in Deutschland an: Ich kann mich nicht erinnern, schon einmal einen Film gesehen zu haben, der am zehnten Wochenende ebenso gute Zahlen schreibt wie am Startwochenende. Wir ziehen unseren Hut, was Capelight als Verleih geleistet hat.


Wie haben Sie die Starttermine gewählt?


JONATHAN DECKTER: Sehen Sie sich "After Truth" an, das ist ein gutes Beispiel. Ende Juni gab es noch keine klare Vision. Intern hatten wir mit unseren Partnern den 2. Oktober als möglichen Termin ins Auge gefasst. Dann nahm Warner Bros. ["Wonder Woman 1984"](/movie/wonder-woman-1984) aus dem Sommerprogramm und verschob ihn auf den 2. Oktober. Also nahm ich Kontakt mit unseren wichtigsten Partnern in Europa auf, um zu hören, was für sie am vernünftigsten wäre. Unisono waren sie der Ansicht, dass sich im September ein Fenster bieten würde. Sollte es zu einer zweiten Welle kommen, wäre man auf der sicheren Seite. Und weil die Studios Reißaus nähmen, hätte man eine gute Chance, den Film erfolgreich in den Markt zu bringen. Was soll ich sagen: Wir haben smarte Partner in Europa. Sie hatten Recht.


Stichwort smarte Partner: Wer sind Ihre wichtigsten Ansprechpartner in Deutschland?


JONATHAN DECKTER: Wir haben ein ausgezeichnetes Verhältnis zu einer ganzen Reihe von Partnern. Natürlich Constantin, mit denen wir zuletzt so tolle Erfolge mit den "After"-Filmen gefeiert haben und auch in Zukunft noch feiern werden. Wir haben in der Vergangenheit gut mit Tele München und Universum gearbeitet und werden das künftig auch mit Leonine tun. Und ich kann Capelight nicht genug loben. Das sind smarte Jungs, die einen sehr klugen Blick auf den Markt haben. Diese Partnerschaften sind uns wichtig. Wir hören genau zu, was sie wollen. Wir machen die Filme nicht zu unserem Privatvergnügen, sie sollen dem Publikum gefallen. Nur so kann man erfolgreich im Geschäft bleiben.


Wie stehen Sie dazu, dass sich die Studios weitestgehend aus 2020 verabschiedet haben?


JONATHAN DECKTER: Sie würden jetzt gerne einen markigen Spruch von mir hören. Aber ich will mir aus der Distanz nicht anmaßen, die Strategien der Anderen zu beurteilen. Für die Studios ist es ein anderes Geschäft. Wir jonglieren nicht mit 200-Mio.-Dollar-Produktionen, die überall funktionieren müssen. Wir finanzieren und produzieren unsere Filme, danach verkaufen wir die Rechte und arbeiten mit unseren Verleihpartnern, das Beste aus jedem einzelnen Titel herauszuholen. Das ist unser Geschäftsmodell. Weil wir weltweit Filmrechte verkaufen, sind die meisten unserer Projekte so ausgerichtet, dass ihr Erfolg nicht mit der Auswertung in den USA steht oder fällt. Sehen Sie sich "After Passion" an: International haben wir 400 Prozent vom US-Einspiel umgesetzt - wohlgemerkt eine US-Produktion, die auf einem amerikanischen Bestseller basiert.


Gibt es schon ein Zwischenresümee, wie sich Corona auf Ihre aktuellen Produktionstätigkeiten ausgewirkt hat?


JONATHAN DECKTER: Wir mussten ein kleines bisschen auf die Bremse treten, was sich sicherlich auf das Geschäft in sechs oder neun Monaten auswirkt. Aber wir haben zwei Produktionen durchgezogen, und wir arbeiten mit Hochdruck daran, die kleinen Löcher zu stopfen, die zwangsläufig entstanden sind.


Durch die Coronakrise sind die Kinos in eine dramatische Schräglage geraten. Wie schätzen Sie die Situation ein?


JONATHAN DECKTER: Ich verstehe, dass die Lage nicht gerade rosig ist. Aber diese eine Klippe müssen wir gemeinsam umschiffen. Das Publikum wird in die Kinos zurückkehren. Soweit ich es beurteilen kann, haben die Kinos alles Mögliche unternommen, um den Kinobesuch zu einem sicheren und schönen Erlebnis zu machen. Bis jetzt gibt es keinen kommunizierten Corona-Fall, der sich auf einen Kinobesuch zurückführen lässt. Ich sehe es wie der CEO von Imax, der vor ein paar Wochen gesagt hat: Man bricht nicht in ein paar Monaten mit einer 100-jährigen Gewohnheit.


Was kommt als Nächstes?


JONATHAN DECKTER: Wir setzen die "After"-Filme fort. Die Nachfrage ist sehr groß. Und wir setzen auf "The Minuteman", ein Actionfilm mit [Liam Neeson](/person/liam-neeson), dessen weltweite Beliebtheit ungebrochen ist.


Thomas Schultze

Jonathan Deckter von Voltage Pictures: "Gut geschlagen"