Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Ist nach Ihrer Einschätzung die Person Stauffenberg nicht mehr genügend im öffentlichen Bewusstsein oder was war ihr Antrieb zu dem Film?

Jo Baier: 1955 gab es zwar gleich zwei berühmte Kinofilme über Claus Graf Schenk von Stauffenberg. Die große Aufarbeitung des Widerstands hat aber erst in den Achtzigern angefangen, mit den Filmen über die Weiße Rose oder [Brandauers](/person/klaus-maria-brandauer) "[Georg Elser - Einer aus Deutschland](/movie/georg-elser-einer-aus-deutschland)". Stauffenberg ist hingegen das Stiefkind dieser neueren Widerstandsgeschichten.

BF: Woran liegt das?

JB: Ich glaube, das hat einerseits damit zu tun, dass man ihn zum Helden gemacht hat, und wir eher ein distanziertes Verhältnis zu Helden haben. Zum andern handelte es sich um militärischen Widerstand, und das ist uns heute eher fremd. Mir ging das ja genau so. Ich habe nicht sofort zugesagt, sondern musste mich erst über Stauffenberg informieren. Ich habe dann gemerkt, dass mich die Entschiedenheit, mit der er seinem Gewissen in einer gewissenlosen Zeit folgte, sehr beeindruckt hat.

BF: Empfanden Sie es als Gratwanderung, einerseits historische Fakten wiederzugeben und gleichzeitig Fernsehunterhaltung anzubieten?

JB: Es war sehr früh zu erkennen, dass der Stoff für einen spannenden und gleichzeitig berührenden Film geeignet war. Der Tag des Attentats ist so dramatisch, dass man gar nichts großartig beigeben muss. Man muss nur sehr genau und aus der Perspektive von Stauffenberg erzählen. Die Gefahr, etwas dramatisieren oder verkitschen zu müssen, was Historiker dann vielleicht als untragbar empfunden hätten, diese Gefahr bestand nicht.

Gabriela Sperl: Im Sinne der historischen Authentizität sind wir keinerlei Kompromisse eingegangen und darin sind wir auch von all unseren Partnern unterstützt worden. Es stand nie die Forderung im Raum, wir müssten mit dem Film Fernsehunterhaltung liefern. Alle wollten einen historisch genauen, gut recherchierten, authentischen, ehrlichen Film.

BF: Haben Sie sich als Regisseur durch das reale historische Ereignis eingeengt gefühlt?

JB: Nein, gar nicht. Denn ich versuche ja trotzdem zu der Person eine eigene Haltung zu finden. Das geht über das Historische hinaus, man bezieht eine eigene Position und macht diese auch sichtbar.

BF: Wieviel Platz räumen Sie der Privatperson Stauffenberg ein?
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Foto: SWR/Arlett#LEFT]

JB: Natürlich interessiert mich der Mensch Stauffenberg und nicht nur der Heros. Über das Verhältnis von Stauffenberg zu seiner Frau und zu seiner Familie gibt es relativ spärliche Zeugnisse. Man hätte eine tranig-traurige Liebesgeschichte daraus stricken können, aber das war nicht unser Anliegen. Mir ist es wichtig, etwas abzuliefern, das Bestand hat, das man auch noch in zehn, zwanzig Jahren anschauen kann.

GS: Es ist kein klassisches Biopic. Wir erzählen nicht das Leben von Stauffenberg, sondern den Kulminationspunkt im Leben dieses Menschen, den entscheidenden, tragischen Moment.

BF: Sehr beeindruckend wirkten die in Spanien gedrehten Szenen vom Kriegsschauplatz Tunesien - da hat die Produktion wohl mächtig die Muskeln spielen lassen?

JB: Wenn etwas echt und nicht "poplig" aussehen soll, dann hat man keine andere Wahl. Ansonsten sollte man es ganz lassen.

GS: Das sind genau die Szenen, die viel Geld kosten. Wir mussten ja auch die ganzen Gerätschaften, Panzer, Fahrzeuge etc. mit Riesentransportern nach Spanien schaffen.. Was wir z.B. nicht finanzieren konnten und deshalb aus dem Buch gestrichen haben, sind die ganzen Straßenszenen in Berlin, als Major Remer das Regierungsviertel absperren ließ.

BF: Mussten Sie aufgrund der Länge von 90 Minuten viel über Bord werfen?

JB: Das hat den Ausschlag gegeben, mich so sehr auf Stauffenberg und den Tag des Attentats zu konzentrieren. Wir erleben diesen 20. Juli mit seinen Augen.

GS: Bei 105 Minuten hätte man sicherlich das Umfeld und die Vorgeschichte vom 20. Juli ganz anders erzählen können. Aber bei 90 Minuten haben wir uns für eine andere Struktur entschieden, nämlich die Dramatik eines Tages.

BF: Wenn man einen zeitgeschichtlichen oder historischen Stoff verfilmt, führt dann kein Weg mehr an Sebastian Koch vorbei?

JB: Also ich habe nie Besetzungsvorschriften, aber in dem Fall führte kein Weg an ihm vorbei, weil ich schlichtweg keine Alternative gewusst hätte. Spätestens beim Casting war klar, dass es niemanden Vergleichbaren gibt, der diese Figur ausfüllen könnte.

BF: Hat es Sie geärgert, dass Sebastian Koch nun auch bei [Breloer](/person/dr-heinrich-breloer) den Hitler-Architekten Speer spielt?

JB: Nein. Er hat mir das relativ früh nach Ende der Dreharbeiten anvertraut. Im ersten Augenblick war ich etwas erstaunt, aber ich verstehe natürlich, dass es für einen Schauspieler reizvoll ist, beide Seiten zu spielen. Das kann ich sehr gut nachvollziehen.
BF: Wie kamen Sie darauf, [Olli Dittrich](/person/olli-dittrich) als Goebbels zu besetzen?

JB: Das war eine spontane Idee, als ich in einem Schauspielerkatalog ein Foto von ihm sah. Darauf erinnerte er mich sofort an Goebbels. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, Olli Dittrich als Goebbels zu besetzen, um eine Lachnummer daraus zu machen. Ich schätze an ihm, dass er so wandlungsfähig ist. Er machte es ganz hervorragend und war begeistert, dass ihm jemand diese Rolle zutraut.

GS: Er hat in kürzester Zeit sechs Kilo für die Rolle abgenommen. Und er hat sich über Monate so intensiv in die Rolle hineingearbeitet, dass er nach den Dreharbeiten, als er wieder auf Tour ging, immer noch alle mit diesem Goebbels-Gestus belustigen konnte, der aber im historischen Zusammenhang unheimlich authentisch rüberkommt.

"Wir eröffnen das Stauffenberg-Jahr"

BF: Der Ausstrahlungstermin kam ohne größeren Vorlauf überraschend früh und scheint etwas unbotmäßig.
GS: Unsere Planung sah ursprünglich den Frühsommer als Termin vor. Weil aber bereits ab März Dokumentationen gezeigt werden, die sehr detailliert auf den 20. Juli eingehen, haben wir uns gesagt, wir eröffnen das Stauffenberg-Jahr mit diesem Jo-Baier-Film.

BF: "Stauffenberg", "[Der Untergang](/movie/der-untergang)", "[Speer](/tvshow/speer-und-er)" etc. - wie beurteilen Sie die Fülle der Filme über das Dritte Reich, die in nächster Zeit noch anstehen?

GS: Ich glaube überhaupt nicht, dass es einen Overkill gibt. Denn das eine Thema reicht dem anderen die Hand und öffnet den Blick auf diese Zeit in einer Breite, die auch notwendig ist, damit man sie richtig versteht. Und jeder Film trägt das seine dazu bei.

Jo Baier und Gabriela Sperl zu "Stauffenberg"