Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Ihre Adaption entspricht nicht hundertprozentig den Erwartungen, die man nach dem Lesen des Romans hatte.

Robert Redford: Man muß sich dem Stoff öffnen. Als Filmemacher bin ich interessiert an Geschichten, in denen eine starke Dynamik zwischen den Figuren herrscht und eine Vielzahl verschiedener Themen angesprochen wird. Wenn man sich als Zuschauer nicht darauf einläßt und nur die Oberfläche betrachtet, dann wird man mit "Der Pferdeflüsterer" nur bedingt etwas anfangen können.

BF: Was waren die Themen, die Sie bewegt haben?

RR: Für mich muß es immer einen guten Grund geben, warum ich einen Film drehe. Das Gros der Filme, die zur Zeit in Hollywood entstehen, würde mich als Filmemacher nicht sonderlich reizen. Von "Der Pferdeflüsterer" fühlte ich mich angesprochen, weil sich die Geschichte explizit und eloquent mit den Themen Erlösung und Liebe befaßt. Gerade Liebe ist ein kompliziertes Thema, weil die Leute der Liebe nicht trauen und sie sofort zynisch betrachten, wenn man sie ihnen ehrlich und einfach präsentiert.

BF: Warum haben Sie sich dafür entschieden, erstmals unter eigener Regie eine Rolle zu spielen?

RR: Es ist nicht so leicht, meine Art von Schauspiel mit meiner Art von Inszenierung zu vereinen. Ich habe mir als Schauspieler im Laufe der Jahre eine Technik angewöhnt, die es mir erlaubt, mich hundertprozentig auf meine Partner in einer Szene zu konzentrieren und alles andere nicht wahrzunehmen. Wenn ich gerade nicht vor der Kamera stehe, verbringe ich meine Zeit im Wohnwagen - das ist keine gute Einstellung für einen Regisseur. Deswegen greife ich als Regisseur auf meine frühen Erfahrungen zurück und sauge jedes kleine Detail am Set in mich auf. Das sind grundverschiedene Einstellungen. Bei "Der Pferdeflüsterer" habe ich versucht, sie zusammenzuführen, weil mich so viele Themen des Stoffes interessiert haben, ich das Leben im amerikanischen Westen so gut kenne und die Rolle einfach toll war.

BF: Stellen Sie das Leben im Westen als das ideale Leben dar?

RR: Wenn ich das täte, wäre der Westen, den ich liebe, bald verschwunden, weil jeder hinziehen wollte. Das Leben im Westen ist mir wichtig, aber ich lebe auchin New York, und da gefällt es mir ebenso gut. Ich habe 35 Jahredort verbracht und meine Familie großgezogen. Hollywood ist nicht anders als die Wall Street

BF: Das New York von "Der Pferdeflüsterer" ist ein grauer Ort - ganz anders als das mondäne New York der fünfziger Jahre, das Sie in "Quiz Show" zeigen.

RR: "Quiz Show" ist ein sehr persönlicher Film, weil ich immer davon geträumt hatte, New York zu sehen. Nachdem ich in Europa Kunst studierte, zog ich nach New York. Es war ein Ort voller Möglichkeiten und Hoffnung. Diese Quiz-Shows, die mit großem Erfolg im Fernsehen liefen, waren wie ein Symbol für den Wohlstand unserer Gesellschaft. Nur das geübte Auge konnte erkennen, daß da etwas nicht in Ordnung war. Und tatsächlich: Die ganzen Shows waren inszeniert. Für mich war das der Startpunkt für den Verlust unserer Unschuld. Die Tode der Kennedys und von Martin Luther King und die zunehmende Arbeitslosigkeit legten sich wie ein dunkler Schatten über die Stadt, die viel von ihrer Energie und Atmosphäre verlor. Mein New York war ein New York der strahlenden Farben - und das versuchte ich am Beginn von "Quiz Show" zu reproduzieren. "Der Pferdeflüsterer" funktioniert in die entgegengesetzte Richtung: Er beginnt sehr dunkel und wird dann immer heller.

BF: Dennoch haben Sie auf ein Happy End verzichtet. So melodramatisch wie das Buch schließt Ihr Film aber auch nicht. Warum haben Sie das Ende verändert?

RR: Ich habe mir die Rechte an dem Roman zu einem Zeitpunkt gesichert, als er noch nicht zu Ende geschrieben war und Nicholas Evans auch noch nicht wußte, wie er die Geschichte enden lassen sollte. Als Filmemacher hat mich seine Auflösung dann nicht sehr berührt. Das liest sich toll, ist filmisch aber nicht so spannend. Ich erzählte Evans, daß mir ein anderer Schluß vorschwebte und obes ihm etwas ausmachen würde, wenn ich mir diese kreative Freiheit nähme. Er war sehr großzügig und ließ mir absolut freie Hand. Eine tolle Geste.

BF: Sie haben einmal gesagt,Sie seien kein Freund von Hollywood. Dennoch arbeiten Sie im Studio-System.

RR: Weil ich in Los Angeles geboren bin, übt dieser Ort keine Magie auf mich aus. Das hilft, die Traumfabrik nicht mit verklärtem Blick zu sehen. In Hollywood geht es nicht um Kunst, sondern ums Geschäft. Das ist sehr simpel. Und so ist L. A. voller Leute, die dort nichts verloren haben. Wenn man in einer Stadt, die nur fürs Geschäft lebt, Kunst machen will, muß man sich an die Regeln halten und sich damit abfinden, daß sich das Kriegsgebiet Hollywood nicht im geringsten von der Wall Street oder der Modeindustrie unterscheidet. Als Künstler muß man das akzeptieren, sonst kommt man unter die Räder. Deswegen komme ich nur nach Hollywood, wenn ich arbeite. Ich bin weder Freund noch Feind dieser Stadt: So starke Gefühle hat sie nicht verdient.

Interview mit 'Pferdeflüsterer' Robert Redford