Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt: Film: Was reizt Sie immer wieder an der Mischung aus Musik und Historie?


Gérard Corbiau: "[Maestro](/movie/maestro)", "[Farinelli](/movie/farinelli)" und "Der König tanzt" sind eine Trilogie, in der die Musik das zentrale Element bildet. Musik ist eine eigene Filmsprache, die leider viel zu oft vernachlässigt wird. Vor allem in US-Produktionen reduziert man sie auf musikalische Berieselung und Untermalung. Ich halte es auch für lächerlich, einem Komponisten den fertigen Film vorzusetzen und zu sagen, jetzt mach' mal. Für mich sind Handlung, Dialoge und Musik gleichberechtigt. Wie Truffaut und Fellini beziehe ich die Musik von Anfang an mit ein.


BF: Glauben Sie, auch die MTV-Generation zu erreichen?


GC: Das wäre natürlich schön, aber ich habe keinen Videoclip gemacht, auch wenn der Film auf Musik geschnitten ist. Mein Film reflektiert die Beziehung zwischen Macht und Musik, zeigt auch die Gefährlichkeit dieser Beziehung. Ein auch heute noch aktuelles Thema.


BF: Warum dann ein Kostümfilm, wenn man diese Problematik auch gegenwartsbezogen darstellen kann?


GC: Der Kostüm- oder besser gesagt Historienfilm ist etwas Besonderes, auch wenn die Kritik ihn nicht goutiert. Die Grundvoraussetzungen sind immer gegeben, der Rest bleibt Fantasie und Kreativität überlassen. Man kann alles erfinden, von der Kleidung bis zu den Bartstoppeln im Gesicht. Diese unendlichen Möglichkeiten begeistern mich, man taucht in eine andere Welt ein.


BF: Seit "Farinelli" sind sechs Jahre vergangen. Warum dauerte es so lange bis zu Ihrem nächsten Projekt?


GC: Ich knie mich immer total in ein Thema. Die Recherche, Stoffentwicklung und die Finanzierung benötigen bei mir drei bis vier Jahre. Allein am Drehbuch laborierten wir zwei Jahre herum. Ich will mit dem fertigen Produkt 100-prozentig zufrieden sein, da investiere ich lieber noch ein paar Monate Arbeit mehr. "Der König tanzt" war akribisch vorbereitet, es gab 1200 Zeichnungen, ein detailliertes Storyboard. Kameramann Gérard Simon und ich diskutierten schon lange vor Drehbeginn die Bildkomposition. Wichtig war mir beispielsweise eine bestimmte Farbdramaturgie: auf der einen Seite die Vitalität der Farben beim Sonnenkönig, auf der anderen das Dunkel des Todes. An der diffizilen Verbindung zwischen kalten und warmen Farben haben wir lange herumexperimentiert.


BF: Wie haben Sie den Film finanziert?


GC: Ich bin Regisseur und kümmere mich nicht um Finanzierung, das würde mich wahnsinnig machen. Dafür habe ich meinen Produzenten [Dominique Janne](/person/dominique-janne), dem ich voll vertraue und mit dem ich schon seit "Maestro", 1987, zusammenarbeite. Es muss eine Aufgabentrennung zwischen wirtschaftlichem und künstlerischem Bereich geben. Natürlich muss ich mich als Regisseur nach der finanziellen Decke strecken und auch Kompromisse machen, aber um Geldfragen möchte ich mich nicht kümmern. Hauptsache, das Budget von etwa 38 Mio. Mark kam zusammen.


BF: Wie war die Zusammenarbeit mit der Filmstiftung NRW, die das Projekt mit vier Mio. Mark förderte?


GC: Die guten Erfahrungen, die ich schon mit "Farinelli" in NRW gemacht habe, wiederholten sich bei "Der König tanzt". Uns standen sechs Studios mit 3500 Quadratmetern Fläche im Köln-Ossendorfer Coloneum zur Verfügung, Weltklasse-Niveau. Da wurde ein Modell des Versailler Schlosses detailgetreu nachgebaut, und sogar das königliche Palast-Theater über zwei Stockwerke hinweg mit 32 Metern Länge und 17 Metern Höhe. Die Dreharbeiten in Köln waren perfekt organisiert.


BF: Inwieweit mussten Sie deutsche Mitarbeiter engagieren?


GC: Wir waren frei in unseren Entscheidungen. Natürlich kam ein großer Teil des Technik-Teams aus der Umgebung wie auch die über 200 Komparsen. Und bei der Ausstattung wirkten Schüler der Internationalen Filmschule Köln mit.


BF: Und das Ensemble Musica Antiqua unter Reinhard Goebel?


GC: Wir wählten Reinhard Goebel nicht wegen Fördergeldern, sondern weil er der Geeignetste war. Die Unbändigkeit, manchmal wirkliche Aggression seiner Musik spiegelt genau das Gefühl der Kompositionen von Jean-Baptiste Lully wider.


BF: Wann gibt es einen nächsten Film?


GC: Ich hoffe, diesmal geht es etwas schneller. Mein Produzent und ich haben schon ein neues Projekt in der Pipeline. Ein Film über die historische Figur des Don Juan.

Interview mit Gérard Corbiau zu "Der König tanzt"