Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Ganz schön mutig, eine Woche nach "Herr der Ringe" zu starten. Bei anderen Verleihern gab es Fluchtbewegungen.


Hardy Martins: Ohne Lobby tut man sich schon schwer. Aber wie bei den Dreharbeiten sind wir auch hier risikobereit und wollen mit ca. 100 Kopien auf den Markt. Nicht alle Kinobesitzer zucken zurück, es gibt auch Cineasten, die für ein Kontrastprogramm plädieren - trotz Angst vor Verleiherdruck und Verweigerung des nächsten Blockbusters. Gemeinsam mit Theaterleuten stufen wir den Film als Sleeper ein und nicht als Highlight, das nach vierzehn Tagen abbrennt. Ich kann mir vorstellen, dass er sich über Wochen hält, er eignet sich auch für Sonntags-Matineen, und die ältere Zielgruppe geht nicht am ersten Wochenende ins Kino.


"Action, Abenteuer und Drama auf Cinemascope"


BF: Dem Schauwert nach kann man sich kaum vorstellen, dass das 15-Mio.-Mark-Budget ausreichte.


HM: Wir haben kein Geld für Hotels oder Catering rausgeworfen, sondern jeden Pfennig auf die Leinwand gebracht, und bei den Dreharbeiten in Russland gehaust wie die Schweine unter übelsten Umständen. Es war anfangs viel Kraft nötig, das russische Team bei der Stange zu halten und zu überzeugen, aber wir sind zusammengewachsen. Die haben das Letzte aus sich herausgeholt und verstanden, dass wir nicht zur nächsten Location fliegen konnten, sondern 48 Stunden im Zug hocken mussten.


BF: Wieso hielten sich Förderinstitutionen bis auf Mitteldeutsche Medienförderung und Referenzmittel der [FFA](/company/ffa-filmfoerderungsanstalt) zurück?


HM: Die erste Drehbuchfassung wurde abgelehnt und von uns dann stark überarbeitet, auch während der Dreharbeiten immer wieder geändert. Für Deutschland außergewöhnlich, aber in Amerika ein ganz normaler Vorgang. Wir konnten ad hoc auf die Muster reagieren und manche Szenen viel subtiler inszenieren. Natürlich war ich enttäuscht, aber es hätte uns auch nicht viel geholfen, mal hier, mal da 200.000 Mark zu bekommen. Und für eine Förderung in Höhe von ein bis zwei Mio. Mark war "Cascadeur" zu erfolglos an der Kinokasse. Ich kann akzeptieren, wenn Gremienmitglieder sich die Kombination von Martins und Drama nicht vorstellen können. Aber als Münchner Firma bei einem Film mit diesem Production Value keine Verleihförderung vom [FFF](/company/filmfernsehfonds-bayern) zu erhalten, tut schon weh. Wir haben bewiesen, dass wir verantwortungsbewusst mit Geldern umgehen.


BF: Warum bringen Sie den Film in Ihrem eigenen Verleih Angel Falls heraus?


HM: Die Schwierigkeiten bei der Verleihersuche führe ich auf die allgemeine Marktsituation zurück, da brechen ganze Verleihfirmen weg. Ich bin für die Auswertung optimistisch. Zusätzlich zu den jungen Zuschauern avisieren wir auch die älteren, wollen an die Kultusministerien herantreten und an Schulen.


BF: Eine populäre Filmzeitschrift schreibt vom Selbstmord eines Komparsen und von Koma, Stuntleute hätten sich beim Dreh immer wieder verletzt.


HM: Das stimmt nicht. Und dagegen weiß ich mich zu wehren. Ich wundere mich, auf was Journalisten so kommen. Besonders die Falschinfo bezüglich der Stuntleute verletzt mich, das ist eine Schädigung meines Berufsfeldes. Ich habe mir das Know-how lange und schwer genug angeeignet. Ich bin stolz, dass sich bei unseren Produktionen noch nie ein Stuntman verletzt hat.


BF: Und wie stehen Sie zum Vorwurf der politischen "Schwarzweiß-Zeichnung"?


HM: Das Argument "diabolischer Russe, stolzer Teutone" kann ich nicht nachvollziehen. Zu Beginn der Dreharbeiten plagten mich Skrupel wegen des heiklen Themas. Von russischer Seite wurden wir darauf hingewiesen, mehr Härte im Bleibergwerk und auf den Konvois zu zeigen, unsere Darstellung sei zu soft. Bei einer Abbildung des wirklichen Lagerlebens hätten wir FSK 18 bekommen und nicht zwölf.


BF: Sie zeigen keine Scheu vor großen Gefühlen.


HM: Wir gehen emotional in die Vollen und drücken auf die Hollywood-Tränendrüse, ziehen uns nicht wieder ängstlich deutsch in die Ecke zurück. Warum sollen wir Gefühle immer den Amerikanern überlassen?


BF: Hollywood gilt als Haifischbecken. Wie steht es bei uns?


HM: Der Neidfaktor spielt hier eine große Rolle. Viele Leute bemühen sich jahrelang um Fördermittel. Aber was mache ich dann mit drei Mio. Mark? Das reicht doch nie, um qualitativ auf dem internationalen Markt mithalten zu können. Wir haben geschickt gearbeitet, dass wir an Fondsgelder herangekommen sind. Dass [CP Medien](/company/cp-medien-ag) einstieg, hat schon seine Gründe. Das Projekt wurde vorher auch Großen der Branche wie der Bavaria angeboten, die es für zu teuer und zu kompliziert hielten. Man kriegt nichts geschenkt.


BF: Geht die Zusammenarbeit mit CP Medien weiter?


HM: Wir spinnen gerade an zwei leider sehr teuren Geschichten herum. Noch ist nichts spruchreif. Wir müssen die Einspielzahlen abwarten. Bei einem Erfolg kann ich sicher wieder an diese Tür klopfen. Wenn dieser Stoff zu groß war für Deutschland, tut man sich automatisch schwerer. Cascadeur will große Stoffe realisieren: Action, Abenteuer, Drama auf Cinemascope. Dafür braucht man viel Geld. Der Einsatz ist immens. Ich kann nur Herzblut einbringen, wenn ich hinter dem Projekt stehe.

Hardy Martins zu "So weit die Füße tragen"