Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Was hat Sie zu diesem nicht ganz alltäglichen Drehbuch inspiriert?

Gurinder Chadha: Ich war völlig platt, als ich mal im Pub miterlebt habe, wie eine englische Mannschaft eine Meisterschaft verlor. Da heulten erwachsene Männer wie Kinder. Ein interessantes Phänomen. Als Kontrapunkt habe ich in die Mitte meines Fußballfilms ein indisches Mädchen gestellt.

BF: Gibt es autobiografische Bezüge?

GC: Ich habe selbst in meinem gesamten Leben nie einen Fußball angerührt. Aber als junges Mädchen versuchte ich auch, Grenzen auszuloten und nicht das tun, was meine Eltern von mir erwarteten. Statt brav Chapattis zuzubereiten, gingen mir ganz andere Flausen durch den Kopf. Allerdings habe ich nie richtig revoltiert, sondern mir ganz vorsichtig einen Freiraum geschaffen und harte Konfrontationen vermieden. Jede Heranwachsende muss über das Wie des eigenen Weges selbst entscheiden. Das Verhältnis zwischen Jess und ihrem Vater deckt sich stark mit dem zwischen meinem sehr toleranten Daddy und mir. Es gibt sehr viel strengere Väter in indischen Familien.

BF: Wie haben Sie den Namen "Beckham" für den Filmtitel bekommen?

GC: Kein großes Problem. Beckham gefiel die Filmidee und wir erhielten schnell von seinem Rechtsanwalt die Erlaubnis, seinen Namen zu benutzen. Bei der Vorführung des fertigen Films amüsierten sich Becks und Posh unheimlich.

BF: Wie haben Sie den Film finanziert?

GC: Erst glaubte niemand an das Projekt. Die Kombination Sport und Film floppt meistens. Mein Produzent sorgte dann dafür, dass die englisch-deutsche Koproduktion in die Gänge kam. Er hatte schon vorher mit [Road Movies](/company/road-movies-filmproduktion) gearbeitet und [Ulrich Felsberg](/person/ulrich-felsberg) unterstützte das Projekt von Anfang an.

BF: Wegen der [FilmFörderung Hamburg](/company/filmfoerderung-hamburg) mussten Sie in der Hansestadt drehen - sinnvoll oder lästig?

GC: Wir haben alle den Dreh genossen, ein toller Abschluss war der Besuch des Hamburger Fischmarktes. Es gab nur einen Haken: Meine Mädels wollten partout gegen die Hamburger Fußballerinnen gewinnen, obgleich sie laut Drehbuch verlieren mussten. Da war Überzeugungsarbeit notwendig. Ich bin gespannt, wie das Publikum beim Filmfest Hamburg reagiert. Hoffentlich wird das für mich ein Heimspiel.

"Ich bewundere Ken Loach und seine Filme"

BF: "Kick It Like Beckham" und "[Gosford Park](/movie/gosford-park)" sind seit zwei Jahren die einzigen mit Lotteriegeldern unterstützten Filme, die ihr Geld wieder eingespielt haben.

GC: Jedenfalls befinde ich mich mit einer Größe wie [Robert Altman](/person/robert-altman) in bester Gesellschaft. Natürlich freue ich mich darüber, aber es macht mich auch nachdenklich über den Stellenwert der englischen Filmindustrie.

BF: Der konservative John Wittingdale schlug vor, mit Lotteriegeldern nur noch Filme mit mittlerem Budget zu fördern, nicht mehr kleine Produktionen.

GC: Was soll man davon halten? Es gibt kein Erfolgsrezept, egal wie hoch das Budget ist. Vielleicht ist man bei einem teuren Projekt etwas verantwortungsbewusster. Dieses ganze Gerede über Geld geht doch aus wie das Hornberger Schießen. Das Filmgeschäft ist und bleibt riskant. Selbst Film Four hat Unsummen verloren.

BF: Welcher Regisseur hat Sie beeinflusst?

GC: Ich war nie auf einer Filmschule, bin aber immer ins Kino gegangen. Für mich ist [Ken Loach](/person/ken-loach) der Größte, ich bewundere seine Integrität und den unbestechlichen Blick seiner Filme.

BF: Sie haben drei Projekte in der Pipeline?

GC: Ich weiß noch nicht, welches ich als erstes verwirkliche, die Romanverfilmung "The Mistress of Spices", "Are You Experienced", eine Mischung aus Roadmovie und Lovestory über Backpackers in Indien, oder "Bollywood Untitled", eine Komödie über Indiens Filmindustrie. Alle drei kombinieren England, Indien und Amerika in Produktion und Location.

Gurinder Chadha zu "Kick It Like Beckham"