Blickpunkt:Film

Kino

Mit dem Game Changer Award des Zurich Film Festival wurde in diesem Jahr Roeg Sutherland ausgezeichnet. Der Sohn von Hollywood-Legende [Donald Sutherland](/person/donald-sutherland) ist als Co-Head der Abteilung Media Finance bei CAA und Co-Head der International Film Group Stammgast in der Schweiz. 

**Ist es überhaupt möglich, alleine zum Gamechanger zu werden?**

Basketballer LeBron James oder Fußballer Killian Mbappé können dem Spiel eine entscheidende Wendung geben. Sie sind fähig, Entwicklungen und Veränderungen im Spiel schnell zu erfassen und adäquat auf sie zu reagieren. Wenn meine Kollegen meinen, dass ich diese Eigenschaften besitze, freue ich mich natürlich. Die Zeiten sind aber vorbei, in denen ein Steven Spielberg oder George Lucas fast im Alleingang das Business auf den Kopf stellten. Heute ist die gesamte Industrie im ständigen Wandel. Durch die Corona-Pandemie und den Streik in Hollywood steckt der Markt in der Krise. Ich möchte mich den Panikmachern aber nicht anschließen, sondern aus der Herausforderung, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. 

**Was hat sich grundlegend verändert?**

Die amerikanischen Filme sind international weniger relevant geworden, andererseits treten europäische Produzenten selbstbewusster auf und drängen mit starkem lokalem Content und universellen Stoffen in den Markt. Ich hätte auch nie zu träumen gewagt, dass die Streamingdienste den Dokumentarfilm wieder populär machen. Außerdem haben sie die Zuschauer in den USA dazu gebracht, sich Filme aus aller Welt mit Untertiteln anzusehen. Sie haben „Parasite“ oder „Im Westen nichts Neues“ oft in der Originalsprache gesehen. Beide Entwicklungen freuen mich sehr.  

**Warum haben Sie sich für die Seite hinter den Kulissen im Filmbusiness entschieden und nicht für die Karriere vor der Kamera wie ihre Geschwister [Kiefer](/person/kiefer-sutherland), [Rossif](/person/rossif-sutherland) und Angus?**
 
Ich könnte jetzt flunkern, eine Schauspielkarriere wäre nie mein Ziel gewesen. In Princeton habe ich während des Studiums auf der Bühne gestanden. Mein Vater gratulierte nach der Premiere meinen 15 Mitspielern. Mir riet er ab, Schauspieler zu werden. Das war im ersten Moment natürlich hart. Auch weil es hätte bedeuten können, dass ich nicht wie die anderen Familienmitglieder meiner Leidenschaft für den Film folgen kann. Mittlerweile bin ich froh über seinen Rat. 

**Sie sind mehrmals mit Ihrem Vater nach Zürich gekommen.**

Ich habe ihn mitgebracht, weil ich das Festival und die Stadt liebe. Das Zurich Summit ist ein kleiner, aber wichtiger Treffpunkt für viele Menschen aus der Branche geworden, um sich abseits der Hektik der großen Märkte zu treffen. Hier werden nicht nur Visitenkarten ausgetauscht. Wir haben Zeit für ausgiebige Gespräche, während der viele neue Ideen entstehen. 

**Es war für Sie immer klar, dass Sie nicht für die Studios arbeiten wollen?**

Ich wollte immer Filmemacher und ihre Projekte unterstützen, die nicht zum Mainstream gehören. Durch die fehlende staatliche Unterstützung in den USA hätten ihre Stimmen sonst keine Chance, jemals gehört zu werden. Ich will Ihnen diese Chance geben, das hat mich immer fasziniert und angetrieben. Obwohl es niemals einfach war, solche Projekte finanziell aufzustellen. Durch die Corona-Pandemie ist es nochmals schwieriger geworden. Investoren schauen genauer hin, welches Produkt sie für welches Budget erhalten und wie die Auswertungschancen sind. Der Markt balanciert sich gerade neu aus. 

**Haben Sie je überlegt, in die Auswertung einzusteigen?**

Sie ist nicht Teil unseres Geschäfts. Wir setzen auf starke, kompetente Partner für die Herausbringung von Filmen. An dieser Stelle zu sparen, ist keine gute Idee. 

**Sie haben renommierte Filmemacher wie Steve McQueen, Sam Mendes, Justine Triet und Ladj Ly, um nur einige zu nennen, unterstützt. Was muss ein Filmemacher mitbringen, um von Ihnen bei der Finanzierung und der Suche nach Vertriebspartnern unterstützt zu werden?**
 
Das kann ich nicht pauschal sagen, ich folge meinem Bauchgefühl. Von [Nadine Labakis](/person/nadine-labaki) Konzept für [„Capernaum – Stadt der Hoffnung“](/movie/capernaum-stadt-der-hoffnung) war ich zum Beispiel so angetan, dass ich mich innerhalb von drei Stunden entschieden habe, sie zu unterstützen. Andererseits mag ich verrückte, romantische Komödien. [„Vier Hochzeiten und ein Todesfall“](/movie/vier-hochzeiten-und-ein-todesfall) oder [„Harry & Sally“](/movie/harry-und-sally) habe ich dutzende Male gesehen. Wenn mir solch ein Stoff angeboten würde, wäre ich sofort dabei. Das einzige Genre, das ich nicht mag, sind Horrorfilme. Sie ängstigen mich. Daher kann ich nicht beurteilen, ob ein Projekt gut ist und funktionieren wird. 

**Letztlich sind die Geschichte und das Buch ausschlaggebend?**

Wir müssen an die Projekte glauben, gehen aber grundsätzlich nicht in die Finanzierung ohne kreative Partnerschaft. Wir arbeiten zum Beispiel mit David Taglioff von Library Pictures International an Investments in lokale Märkte, um dortige Filmemacher zu unterstützen. Wir helfen ihnen auch, gute Kameraleute oder Crews zu engagieren. An dieser Stelle sollte niemand sparen, sonst leidet die Qualität. Weil ich dort gut ausgebildete Fachkräfte finde, gehe ich gerne nach Deutschland. Mit dem mehr als 100 Millionen US-Dollar teuren „Cliffhanger 2“ waren wir in Bayern, zwei weitere Produktionen stehen in den Startlöchern. In anderen Ländern muss ich die Leute mitbringen. 

**Bei der Berlinale 2024 hieß es aus Hollywood, wir kommen zurück, wenn ein Steueranreizmodell kommt?**

Das ist kein leeres Versprechen. Wegen der Sprache ist Großbritannien die erste Adresse für amerikanische Produzenten geblieben. Deutschland wird mit einem attraktiven Anreizmodell wieder die zweite Anlaufstelle für Hollywood und unabhängige Filmemacher in Europa werden. 

**Wie sehen Sie die Zukunft der Berlinale?**

Die Festivals in Berlin und Toronto wurden am heftigsten von den Einschränkungen durch die Corona-Pandemie getroffen. Ich bin optimistisch, dass die [Berlinale](/company/berlinale) unter [Tricia Tuttle](/person/tricia-tuttle) zu alter Stärke zurückfindet und sich der Markt behauptet. Wer im Sommer drehen will, muss nach Berlin kommen und die Finanzierung schließen.  

**Sie haben [Roland Emmerich](/person/roland-emmerich) bei [„Midway“](/movie/midway-fuer-die-freiheit) unterstützt, bei dem chinesische Unternehmen dabei waren. Kommt China als Finanzierungspartner zurück?**

Der chinesische Markt ist während der Pandemie komplett zusammengebrochen. Die Grenzen waren geschlossen, Geschäfte waren nicht länger möglich. In den vergangenen Monaten haben wir bemerkt, dass die chinesischen Unternehmen wieder in die Finanzierung einsteigen. 

**Warum haben Sie sich für „[Emilia Peréz](/movie/emilia-perez)“ erstmals als Produzent engagiert?** 
Mit Jacques Audiard hatte ich bereits mehrfach zusammengearbeitet, und es war eine gute Gesamtkonzeption. [Vincent Maraval](/person/vincent-maraval), LPI und andere Firmen wollten investieren. Wir haben alle daran geglaubt, dass es ein ganz besonderer Film wird. Der Moment, in dem ein Film dann die Magie entfaltet, auf die wir alle gehofft hatten, macht für mich den besonderen Reiz an meinem Beruf aus.  


Roeg Sutherland fördert Filmrebellen und Projekte abseits des Mainstreams