Blickpunkt:Film

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Blickpunkt:Film: Was hat das Filmboard Berlin-Brandenburg in den fünf Jahren seit seiner Gründung erreicht?

Klaus Keil: Zunächst einmal war es sehr wichtig, daß die Filmboard GmbH und ihr neues Modell der Filmförderung Akzeptanz erreicht hat. Nach der Wende, nach 1990, war ein neues Denken gefordert, das programmatisch über das Intendantenmodell etabliert wurde. Daß das in dem subventionsverwöhnten Berliner Biotop angenommen wurde, ist eine der Leistungen des Filmboards, seiner Mitarbeiter und der Branche. Eine zweite Leistung ist, daß wir das Bewußtsein für Qualität in der Branche mit beflügeln konnten. Wir haben nur Projekte gefördert, bei denen wir von der Qualität des Vorhabens überzeugt waren. Der wirtschaftliche Effekt war, anders als in anderen Ländern, nicht das primäre Entscheidungskriterium. Auch das ist angenommen worden. Diese Qualitätsausrichtung hat sich mehr und mehr als richtig erwiesen, und so werden wir auch weitermachen. Außerdem gibt es eine "Preisliste", in der über 200 Preise, Nominierungen und Festivaleinladungen für 80 Filme, die wir fördern durften, aufgelistet sind. In diesem Jahr haben die drei großen A-Festivals Filme aus der Region Ber-lin-Brandenburg eingeladen und zum Teil mit hohen Ehrungen bedacht. Auch der kommerzielle, marktorientierte Aspekt ist erfreulich: Weit über 20 Mio. Zuschauer haben vom Filmboard geförderte Filme gesehen, fast bei allen großen Millionen-Erfolgen sind wir dabei gewesen.

BF: Worauf sind Sie besonders stolz?

KK: Es freut mich, daß es uns gelungen ist, aus einer Vielzahl von Produktionsanträgen solche ausgewählt zu haben, die bei Filmfestivals erfolgreich waren. "Aimee & Jaguar", "Nachtgestalten", "Wege in die Nacht", "Moloch" oder "Abendland" sind nur die jüngsten "Förder-Erfolge", die unsere Arbeit bestätigen. Nicht auf den Lorbeeren ausruhen

BF: Gibt es etwas, das Ihnen nicht so gelungen erscheint?

KK: Grundsätzlich begreifen wir uns in einem andauernden Entwicklungsprozeß. Wir müssen immer wach sein und dürfen uns nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen. Wir hatten einen schwierigen Start. Der Anspruch und die Erwartung waren hier in der Region so extrem hoch, daß man sie auf ein normales Maß senken mußte. Ob wir diesem Anspruch mit unseren Mitteln und anfänglichen Fehlern ganz genügen konnten, weiß ich nicht. Ich hätte außerdem z. B. sehr viel früher das Busineßplan-Seminar anbieten wollen, was wir erst jetzt konnten. Also das Bewußtsein neben dem inhaltlich-qualitativen Aspekt auf das unternehmerische Denken zu lenken.

BF: Haben Sie den Eindruck, die Produzenten sind in dieser Hinsicht noch naiv, gerade was den Umgang mit Banken angeht?

KK: Sie sind oft blauäugig, manchmal naiv und vor allem idealistisch. Sie wollen mit viel Herzblut und unendlicher Selbstausbeutung Einzelprojekte realisieren. Das geht heute nur noch sehr bedingt. Es ist ein essentieller Schritt für ein Unternehmen, einen Busineßplan zu erstellen. Unser Seminar war eine Initialzündung, sollte bewußtmachen, daß man Banken und Investoren als Partner verstehen muß und nicht als Gegner. Diese Erkenntnis ist von besonderer Bedeutung. Insgesamt muß die weitere Professionalisierung der Produzentenschaft vorangetrieben werden, und als Produzent muß man ein Zehnkämpfer sein. Produzenten sollten noch mehr Marktkenntnisse haben, Partnerschaften und Allianzen bilden und auch darüber nachdenken, wie sie das eine oder andere Projekt ohne Subvention herstellen können. Die Produzenten müssen sich der Fachleute bedienen. Die Idee, alles selbst zu können, ist einfach nur nett, aber nicht auf der Höhe der Zeit. Es gilt zu verstehen, und das ist der schwierigste Teil der Professionalisierung, daß Produktion ein Teil des Vertriebs ist.

BF: Gibt es noch andere Bereiche, in denen Sie die Professionalisierung der Branche vorantreiben wollen?

KK: Ja. Nachdem wir einen Bewußtseinsprozeß für Qualität und Inhalte angestoßen haben, ist jetzt unser Hauptthema, daß Produzenten sehr viel mehr über die Exportfähigkeit von Filmen nachdenken sollten. D. h., die Entwicklung Deutschlands vom Lizenznehmer- zum Lizenzgeberland. Das ist eines der Hauptziele für die nächsten fünf Jahre. Dabei geht es in erster Linie nicht mehr darum, wie eine Geschichte dramaturgisch aufbereitet wird, sondern welche Geschichte überhaupt erzählenswert ist. Das ist Thema unseres Fünf-Jahres-Hefts und ein Panel-Schwerpunkt bei der Konferenz "Babelsberg 99".

BF: Es gibt Rahmenbedingungen, die von Produzenten kritisiert werden. Da geht es um späte Rückflüsse, um Rechte, es wird z. T. gefordert, daß die Richtlinien der FFA verändert werden. Was halten Sie von diesen Diskussionspunkten ?

KK: Die großen Themen sind die Zusammenarbeit mit den TV-Sendern, der Rechterückfall nach spätestens sieben Jahren und der Zweitverwertungsmarkt für TV-Produktionen. Ich halte es für sehr wichtig, daß man darüber nachdenkt. Allerdings werden heute in Deutschland kaum noch Kinofilme ohne TV-Beteiligung produziert. Die Sender sehe ich als sehr wichtige Partner. Ich kann mich an keinen Fall erinnern, wo ein Kinofilm durch einen TV-Redakteur beschädigt worden wäre. Es ist vorstellbar, daß wie in Frankreich per Ausstrahlung bezahlt wird, und daß dann ein Sekundärmarkt entstehen könnte. Das Thema der Verleihprovision ist in der Diskussion. Die Richtlinien-Kommission der FFA tagt darüber. Ich glaube, wenn man die Produktion als Teil des Vertriebs versteht, dann werden sich neue Distributionsformen von selbst ergeben. Mehr Engangement für die Stoffentwicklung

BF: Das Filmboard hat im Bereich Stoffentwicklung viel geleistet. Haben Ihre Initiativen Früchte getragen?

KK: Die Initiativen im Bereich Drehbuchanalyse und Dramaturgie haben Früchte getragen. Das kann man aus der Branche hö- ren, und wir selbst sehen es an der Fülle der Anträge. Mehr machen kann man immer, das ist eine Frage der Mittel. Man darf vor allen Dingen nicht nachlassen. Deswegen sind wir einen Schritt weitergegangen und fragen nicht mehr nur nach der dramaturgischen Umsetzung, sondern auch danach, was erzählenswert ist.

BF: Müßten sich große Produktionsfirmen in der Stoffentwicklung mehr engagieren?

KK: Die Großen tun das ja, aber in der Breite der Produktionslandschaft müßte in dieser Richtung sehr viel mehr getan werden. Das hängt mit der unternehmerischen "Gewissensforschung" zusammen, sich nicht von einem Projekt zum anderen zu hangeln, sondern mehrere im Feuer zu haben und dann auszuwählen, welches reif ist.

BF: Wie sehen Sie die Initiativen der Investitionsbank des Landes Brandenburg, öffentliche und private Gelder zusammenzuführen und in die Produktion zu investieren? Kann das langfristig eine Alternative zur Filmförderung werden oder bleibt es eine Ergänzung?

KK: Die Initiativen der ILB sind begrüßenswert, können aber nur Ergänzung sein. Öffentliche Filmförderung hat u. a. auch die Aufgabe, gefährdete Genres, wie etwa den Dokumentarfilm, zu unterstützen, den kleinen, anspruchsvollen Film zu fördern. Wir müssen den Humus düngen und aufbereiten, aus dem dann unikate Begabungen wie Tom Tykwer oder Detlev Buck hervorwachsen. Wenn allerdings die Zeiten so schlecht würden, daß die öffentlichen Mittel noch viel knapper werden, dann kann es sein, daß Filmförderung sich auf rein kulturelle Fördermaßnahmen beschränken muß. Ob sich dann allerdings eine so breite Vielfalt weiterentwickelt wie bisher, und das ist ja eine europäische Stärke, das möchte ich sehr anzweifeln. Und: Aus welchem Reservoir wollen dann Banken und Investoren schöpfen?

BF: Wie bewerten Sie die Producers' AG?

KK: Ich begrüße grundsätzlich alle diese Initiativen. Das Land Brandenburg ist nicht ohne Grund ein Vorreiter auf diesem Feld, denn die Region Berlin-Brandenburg hat eine so starke und unternehmerische Kraft in der letzten Zeit entwickelt, daß die Finanzmittel der Filmboard GmbH nicht ausreichen. Deshalb ist dieses andere Geld sehr willkommen und sehr nützlich. Allerdings verlangt dieses Geld - ich sagte es schon - fast ausschließlich Projekte, die Rückflüsse erzeugen, und diese Projekte muß man erst mal suchen, finden und entwickeln.

BF: Wie wichtig kann eine Gesellschaft wie die Producers' AG werden? Kann sie die Strukturen nachhaltig stärken?

KK: Auch das ist eine Frage des unternehmerischen Bewußtseins. Wenn Firmen, die potent oder entwicklungsfähig sind, zulassen, daß Beteiligungsgesellschaften sich an ihren Firmen beteiligen und daß im Fall der Producers' AG, wie angekündigt, auch Dienstleistungen angeboten werden, dann hat sie eine Zukunft.

BF: Dieter Kosslick sagte, daß angesichts der Börsengänge großer Firmen über bisherige Förderstatuten der Filmförderung nachgedacht werden muß. Sehen Sie das auch so?

KK: Man muß über alles Neue nachdenken. Ich glaube aber nicht, daß börsennotierte Firmen grundsätzlich von einer Förderung ausgeschlossen werden sollten. Diese Firmen streben an, wettbewerbsfähigere Filme auch für den internationalen Markt zu produzieren. Das dafür erforderliche größere Volumen kann nicht allein von den Börsengängen gedeckt werden. Aber das ist alles noch im Fluß, es gibt noch keine ausreichenden Erfahungswerte, um jetzt schon abschließend etwas zu sagen.

BF: Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den anderen Filmförderern?

KK: Sehr gut. Die Filmboard GmbH hat 1995 das informelle Treffen der Filmförderer initiiert. Die informellen Gespräche sollen mehr Transparenz erzeugen. Das hat sich bewährt. Daraus wurde z. B. ein gemeinsames, von vier oder fünf Förderern getragenes Antragsformular entwickelt. Weitere Ziele wären, ein gemeinsames Kalkulationsformular zu erarbeiten sowie die Förderrichtlinien und Vergabegrundsätze mehr zu harmonisieren. Daran arbeiten wir. Das ist auch das, was Michael Naumann mit dem "Bündnis für Film" meint, wenn er sagt, die Förderlandschaft muß gestrafft oder vereinheitlicht werden. Er meint nicht, so interpretiere ich das, daß alles zentralisiert und damit das föderative Prinzip außer Kraft gesetzt wird. Ansiedlungspolitik der Länder greift

BF: Wie schätzen Sie die derzeitige Situation des Standorts Berlin-Brandenburg ein?

KK: Sehr positiv. Diese Ballung von Kreativität, wie sie zur Zeit in Berlin und Brandenburg vorhanden ist, hat es selten gegeben. Dieser Kraft halten allerdings die Fördermittel nicht stand. Die Berliner und Brandenburger Produzenten haben jüngst eine Initiative zur Stärkung des Standorts gestartet. Sie wünschen sich eine Medienpolitik, die die Medienentwicklung in der Region weiter vorantreibt. Denn: Stehenbleiben bedeutet zurückfallen. Und das will niemand.

BF: Sehen Sie das auch so?

KK: Ja. Wobei man die bisherigen Verdienste der Politik keinesfalls zur Seite schieben kann. Die Regierungen und ihre Medienstaatssekretäre Butz und Thomas haben ganz Erhebliches getan, damit das Budget der Filmboard GmbH nicht verringert wurde, sondern der Status quo mehr oder weniger erhalten worden ist. Aber das ist für das kreative und unternehmerische Potential, das es inzwischen in der Region gibt, zuwenig. Wir sehen auf der einen Seite, daß die Filmboard-Saat endlich aufgeht und die Ansiedlungspolitik der Länder greift. Die Budgets der geplanten Projekte werden höher, um konkurrenzfähiger zu sein, aber wir haben auf der anderen Seite nicht mehr Mittel. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz: Ich sehe die Gefahr, daß die Projekte abwandern. Eine Medienregion gewinnt aber ihr Profil durch die Produkte, und wenn diese woanders hergestellt werden, entsteht dort das Know-how. Das wäre nicht gut für uns.

Filmboard-Intendant Klaus Keil zum fünfjährigen Bestehen