Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Sie sammeln Preise wie andere Postkarten. Was bedeuten sie Ihnen?

Emir Kusturica: Ich habe mich nie nach Festivalehren gedrängt, sondern gebe mein Bestes für das Kino. Vielleicht sind mir Jurys nur wohlgesonnen, weil ich eine seltene Qualität aus der Vergangenheit in meinen Filmen spüren lasse - Würde. Aber es ist schon ein wunderbares Gefühl, zu den Gewinnern zu gehören. Wenn ich leer ausgehe, bin ich allerdings auch nicht frustriert oder wütend.

BF: Nach "Underground" wollten Sie Ihre Karriere an den Nagel hängen. Jetzt präsentieren Sie wieder kraftvolles Kino. Warum?

EK: Ich war damals erbost über die Anschuldigungen, "Underground" sei Propaganda für die Serben. Das wurmte mich und vergällte mir den Spaß am Filmemachen. Aber dann hat es mich wieder gepackt. Eigentlich wollte ich nur einen kleinen Dokumentarfilm über die Musiker aus "Underground" drehen. Doch einmal angefangen, sprudelten die Ideen nur so, fiel mir eine Szene nach der anderen ein. Ich habe mich dann mit Gordan Mihic, dem Drehbuchautor von "Time of the Gipsies", zusammengesetzt und plötzlich war ich mitten in einem Spielfilm.

BF: Sie entdecken die wunderlichsten Typen und Gesichter. Wie gefällt Ihnen der Vergleich mit Fellini?

EK: Das schmeichelt natürlich meiner Eitelkeit. Der Vergleich liegt wahrscheinlich an meinem Faible für verrückte Figuren. Aber er hinkt. Es ist so, als wolle man einen vollen und aromatischen Rotwein mit einem starken Brandy vergleichen. Geht das überhaupt? Beide beleben Sinne und Seele auf verschiedene Weise. Ich glaube, ich bin näher am Brandy.

BF: In Ihrem neuen Film fehlt die bei Ihnen sonst so starke politische Komponente.

EK: Es gibt schon Andeutungen, schließlich geht es auch darum, daß der Krieg die einen reich, die anderen arm macht. Vor allem wollte ich aber das Leben in seiner reinen Form darstellen, voller Leichtigkeit, kein politischer Hintergrund sollte davon ablenken. Dabei mußte ich aufpassen, mit der leichten Stimmung nicht ins Leere zu laufen. Bei den Dreharbeiten fühlte ich mich wie ein Zirkusdirektor.

BF: Vielleicht weil Sie größtenteils mit Laien arbeiten, die sie bei der Stange halten müssen?

EK: Es gibt nur drei Profischauspieler in "Schwarze Katze, weißer Kater". Laiendarsteller verhelfen einem Film zu größerer Dynamik, man verzweifelt zwar zwischendurch, wenn man eine Szene zwanzigmal wiederholen muß, aber es lohnt sich. Das Casting allein dauerte ein halbes Jahr. Ich habe mir 3000 Zigeuner angeschaut.

BF: Die Fantasiewelt scheint sie mehr zu faszinieren als die Realität?

EK: Im Gegenteil. Ich bin sehr angezogen von der Realität, gleichzeitig versuche ich permanent, in eine Fantasiewelt zu flüchten. Am Anfang eines Projekts stehe ich mit beiden Beinen fest auf dem Boden und dann hebe ich plötzlich ab. Wie aus einem Instinkt heraus.

BF: Was ist das Typische an Ihren Filmen?

EK: Alle meine Filme haben das gleiche Problem. Der Rhythmus ist im allgemeinen langsam,das Tempo dagegen zu schnell. In jedem Film spiegelt sich die innere Welt des Regisseurs. Meine Arbeit ist determiniert von der Kamera. Geschichten muß man nicht mit Worten erzählen, allein schon durch die Kameraposition greife ich einen Aspekt auf, definiere ich die Bedeutung des Schauspielers.

BF: "Schwarze Katze, weißer Kater" ist die zweite Zusammenarbeit mit Pandora als Coproduzent. Planen Sie weitere gemeinsame Projekte?

EK: Die vorzügliche Zusammenarbeit werden wir fortsetzen. Ich habe eine wunderbare Position, schlage ein Projekt vor und kann in Ruhe meine Vorstellungen verwirklichen, ohne daß jemand dazwischenfunkt oder daß ich mich um Geld kümmern muß.

BF: Würden Sie ein Angebot aus Hollywood annehmen?

EK: Ein Ausflug nach Amerika würde mich reizen, da bewegt sich was, gibt es viele Inspirationen. Auf der anderen Seite steht die Industrie mit ihren harten Kontrollmechanismen, eine Art ökonomischer Faschismus, aber kein Kino mehr. Ich fühle mich auch nicht dem Showbusiness zugehörig. Den Begriff verbinde ich mit Steven Spielberg, Coca Cola und Hamburger. Dennoch habe ich schon ein Projekt für Hollywood geplant, "Crime and Punishment in New York" nach Dostojewski. Irgendwann werde ich es auch realisieren.

Emir Kusturica zu 'Schwarze Katze, weißer Kater'