Blickpunkt:Film

Kino

[Pamela Anderson](/person/pamela-anderson) gibt in [Gia Coppolas](/person/gia-coppola) Las-Vegas-Drama die Performance ihres Lebens und erfindet sich neu.

Ihr ganzes Leben war einem einzigen Traum gewidmet: dem, eine bewunderte Tänzerin zu werden. Am liebsten natürlich am New Yorker Broadway. Verschlagen hat es Shelly, gespielt von Pamela Anderson, schließlich in die „Razzle Dazzle Show“ nach Las Vegas. 30 Jahre lang gibt sie bei ihren täglichen Bühnenauftritten in knappen Kostümen alles. Nun droht für das erfahrene Showgirl eine Welt zusammenzubrechen. Die an der Pariser Lido-Kultur ausgerichtete Show-Nummer droht wegen zunehmend vulgärer Konkurrenz aus dem Nackt-Business eingestellt zu werden. Shelly und ihre Mitstreiterinnen Annette (Jamie Lee Curtis), Jody (Kieran Shipka) und Mary-Anne (Brenda Song) stehen vor dem finanziellen Ruin und Shelly zusätzlich vor der Ruine eines großartigen Traums. Helfen kann da auch der Company-Manager Eddie wenig, herrlich melancholisch-verzagt gespielt wird er vom Blockbustererfolg-verwöhnten Dave Bautista. Nun versucht Shelly an das zerrüttete Verhältnis zu ihrer Tochter Hannah (Billie Lourd) anzuknüpfen. Hannah hat sich für den letzten großen Showabend ihrer Mutter angekündigt. Für Shelly beginnen damit die wohl aufregendsten Tage ihres Lebens. 

In ihrem dritten Spielfilm inszeniert Regisseurin Gia Coppola ein intensives, todtrauriges und doch durchweg lebensbejahendes Show-Drama, dessen Schwerkraftzentrum die einmalige Performance von Pamela Anderson als „Last Showgirl“ ist. Anderson, die Berühmtheit durch ihre Rolle in der TV-Serie „Baywatch“ erlangte, durch die sie zum Sexsymbol avancierte, erfindet sich in Gias Coppolas Spielfilmarbeit neu, als Charakterdarstellerin einer vielschichtigen Independentfilm-Rolle. Sämtliche Figuren in Coppolas nostalgischer, auf körnigem Filmmaterial gedrehtem Las-Vegas-Drama, in dem Glanz und Glitzer sowie Abgrund und Niederlage stets ganz nah beieinander scheinen, sind Charaktere mit Ecken und Kanten. Großartig ist Jamie Lee Curtis als eine Veteranin der flirrenden Wüsten-Oase, die noch immer in Casinos Drinks als Kellnerin ausgibt und – von den Härten des Lebens gestählt – anderen Strauchelnden Lebenshilfe gibt. Pamela Andersons Rolle ist die einer Frau, die eigentlich keine Zeit zum Erwachsenwerden hatte, und es dennoch ganz schnell werden musste. An der Oberfläche scheint ihr störrisch aufrecht gehaltener Traum vom Tanzen naiv, doch Pamela Anderson verleiht der Figur eine unnachahmliche Würde, die schließlich nicht vergessen lässt, welche Opfer sie für das Festhalten an ihrem Lebenstraum gebracht hat. Ob sich das schwer beschädigte Verhältnis zu ihrer Tochter Hannah nochmal kitten lässt? 

Die große Stärke von Gia Coppolas wehmütig und nostalgisch fotografiertem „[The Last Showgirl](/person/)“ (Kamera: Autumn Durald Arkapaw) liegt darin, keine ihrer Figuren einem moralischen Urteil zu unterziehen. Das erinnert mitunter an die großen, widerspenstigen Independentfilme und Charakterstudien eines John Cassavetes. Coppolas Fokus liegt auf den weiblichen Figuren. Verletzlich und stark zugleich zeigen sie sich. Und wenn sich die beiden großen Showdamen und Weggefährtinnen durch dick und dünn, Shelly und Annette, die einander in Freundschaft wie Solidarität zugetan sind, einen Whiskey gegen all den Weltschmerz gönnen, will man als Zuschauer am Ende allzu gerne einen großen Schluck mittrinken. 

*Chris Schinke*

REVIEW KINO: „The Last Showgirl“ mit Pamela Anderson