Blickpunkt:Film

Kino

Die Authentizität des Films ist verblüffend. Wie haben Sie sich mit dem Bezirk und seinen Bewohnern vertraut gemacht?
Als wir uns entschlossen hatten, den Roman zu verfilmen, wusste ich, dass ich ihn an die Realität anpassen musste. Die Recherchen sorgen dafür, den Ton zu modellieren. Durch sie kommt die Realität in das Fiktionale. Der Umgangston z.B. gibt dem Film das Authentische. Den Spruch "Wenn du nicht ruhig bist, wirst du abgeschoben" habe ich im Unterricht gehört und direkt in den Film übernommen. Die Jugendlichen finden das lustig.

Das Verhalten der Jugendlichen hat erst einmal nichts mit Nationalität zu tun.
Sicher, aber wenn wir uns mit der Migrationsproblematik nicht auseinander setzen, wird das noch schwer wiegende Folgen haben. Wie will sich die Welt verstehen, wenn es nicht mal in der Stadt klappt. Mit "Knallhart" wollte ich jedoch keinen Dokumentarfilm machen. Ich wollte einen Genrefilm drehen. Wir haben uns die ersten [Scorsese](/person/martin-scorsese)-Filme angesehen, aber auch "[Wir Kinder vom Bahnhof Zoo](/movie/christiane-f-wir-kinder-vom-bahnhof-zoo)". Da spielten Drogen eine große Rolle, Gewalt aber überhaupt nicht. In der Schule, in der ich recherchiert habe, konnten die meisten kein richtig gutes Deutsch. Die Jugendlichen gehen auch anders mit Gewalt um. Als wir eine Preview in Marburg hatten, haben viele ständig gelacht. Meiner Meinung nach ist das aber auch eine Art von Verarbeitung, einerseits ist es eine Übersprungshandlung, andererseits finden sie es tatsächlich lustig. Im Making-of erklären die Jugendlichen ganz offen: "Klar ziehen wir ab! Wir werden ja auch abgezogen!" Dadurch entsteht eine Lässigkeit gegenüber der Gewalt. Die Happy-Slapping-Videos, die mit dem Handy aufgenommen werden, haben in der Szene alle. Hier gehe ich mit "Knallhart" weiter und zeige die Konsequenz von Gewalt. Die ist in der Regel der Tod. Entweder man schlägt zu fest zu oder dein größter Freund wird durch einen blöden Zufall dein größter Feind.

[David Kross](/person/david-kross) wurde nach einem aufwändigen Casting in Ihrer Heimatstadt Bargteheide gefunden. Sind Berliner Kids zu abgefuckt, um so unschuldig zu sein, wie es die Rolle des Michael Polischka erfordert?
So allgemein kann man das nicht ausdrücken, aber die aus Filmen abgeguckten Attitüden schlugen bei den meisten durch. David Kross hat sich wahnsinnig mit dem Stoff auseinander gesetzt und sich immer weiter gesteigert. Das Beste an einem Schauspieler ist, dass man seine Gedanken über sein Gesicht lesen kann. David ist ein Fühl-Schauspieler, kein Zeige-Schauspieler. Deshalb funktioniert es auch, dass der Zuschauer mit ihm durch die Geschichte geht. Zu David haben die Jugendlichen, die sich selbst spielen, gleich gesagt: "Du siehst aus wie das typische Opfer." Das gesamte Casting hat ein Jahr gedauert, und beim Hauptdarsteller ist [Astrid Rosenfeld](/person/astrid-rosenfeld) fast verzweifelt. Es war schwierig. herauszufinden, wie die jeweiligen Kandidaten ihre Figuren empfinden - und wie sie mit den anderen interagieren. Ich habe sogar [Jenny Elvers-Elbertzhagen](/person/jenny-elvers) fünfmal zum Casting kommen lassen.

Von der Komödie zu einem ernsten Großstadtfilm - wie groß ist der Schritt dorthin?
Eigentlich nicht sonderlich groß. Ich liebe die Filme von Martin Scorsese und wollte schon immer Großstadtfilme machen. Aber mir fehlte bisher der Stoff. Ich wollte ihn auch nicht selbst schreiben, mir etwas abringen, das womöglich nur halbgar geworden wäre. Da [Boje Buck](/company/boje-buck-produktion) auch andere Filme produziert, war die Firma auch nicht auf einen Film von mir angewiesen.

Warum haben Sie sich für Super16 Handkamera entschieden?
Wir haben uns andere Kinofilme angesehen, die auf Super16 gedreht wurden. "[Vera Drake](/movie/vera-drake)" von [Mike Leigh](/person/mike-leigh) etwa oder "[Alles auf Zucker!](/movie/alles-auf-zucker)" von [Dani Levy](/person/dani-levy). Bei "Alles auf Zucker!" konnte man sehen, dass es Super16 ist, bei "Vera Drake" nicht. Wir haben uns erkundigt, warum. Bei "Vera Drake" wurde das Negativ mit Telecine auf 2K abgetastet und nie wieder angefasst. So gab es bei der späteren Bearbeitung keinen Generationsverlust. Wir haben mit zwei Kameras gedreht, und mir war von Anfang an klar, dass wir viel Film verbrauchen würden, weil wir viele Laienschauspieler hatten. 35 Millimeter kam aus Kostengründen nicht in Frage. So sind wir unter der Bedingung auf Super 16 gegangen, dass das Ursprungsmaterial im Kino nicht zu sehen ist. Und [Pictorion - Das Werk](/company/pictorion-das-werk) hat sich sehr reingehängt, damit saubere Bilder entstehen.

Wie schwierig war es, Koproduzenten für den Film zu finden?
Es war schwierig. Der Grund ist immer derselbe: Es werden nur Erfolgsmodelle gefahren. Das ist bei den Sendern auch so. Die Angst, dass es nicht funktioniert, ist groß, und ich glaube nicht, dass sich daran etwas ändern wird. Dass der WDR es gemacht hat, ist großartig. Das hat aber auch damit zu tun, dass es ein Vertrauensverhältnis zwischen uns gibt und der [WDR](/company/westdeutscher-rundfunk-wdr) am aufgeschlossensten ist. Man muss lange für die Finanzierung kämpfen. Ein Projekt auf den Weg zu bringen, ist das Schwerste am Filmemachen überhaupt.

"Knallhart" weckt Interesse an unseren türkischen und arabischen Nachbarn. Der nächste Schritt dürfte sein, Filme zu machen, die mehr über ihre Lebenswirklichkeit erzählen als nur den Gewaltaspekt.
Ich habe da einen Stoff, der sich mit Russen beschäftigt. Da gibt es ja auch eine Parallelgesellschaft. Ich glaube schon, dass es mehr Geschichten über Menschen aus anderen Nationen, die mit uns leben, geben wird. Es gibt da unendlich viel zu erzählen, über Zwangsehe etwa oder Ehrenmorde. Der Punkt ist, dass man es nicht als fremde Welt betrachten darf, die man besucht wie einen Zoo, sondern dass die Geschichte in unsere Welt eingebettet ist. Bei "Knallhart" habe ich mich sehr bemüht zu vermeiden, dass die Leute sagen: "Das ist ja ein Gettofilm - der interessiert mich nicht." Viele Dinge sind in "Knallhart" auch nur angeschnitten, die Stellung der Frau etwa.

Was steht als Nächstes auf dem Plan?
Ein Kinderfilm für das Kino. Das Buch ist noch in der Entwicklung. Es ist nicht einfach, aber eine neue, interessante Herausforderung und ein Genre wie "Knallhart". stei

Detlev Buck über "Knallhart"

Detlev Buck mit Hauptdarsteller David Kross||Der Filmemacher und Schauspieler, Jahrgang 1962, gründete zusammen mit Claus Boje die Produktionsfirma Boje Buck. Delphi wertet die dort produzierten Projekte aus. Ihr größter Hit ist "Männerpension", der 1995 3,3 Mio. Besucher in die Kinos lockte.