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Blickpunkt:Film: Was bedeutet "Die Farbe der Liebe"?

Claude Chabrol: Der deutsche Titel trifft den Kern. In Frankreich durften wir diesen Titel nicht benutzen, weil bereits ein Fernsehfilm so heißt. Wir entschieden uns für die Farbe Blau, weil sie nach Meinung der Psychiater Unvernunft und Wahnsinn symbolisiert. Und die Lüge entpuppt sich manchmal als Form des Wahnsinns. Die Königsfarbe entfaltet sich sehr eindrucksvoll auf der Leinwand, sie funktioniert immer und erfüllt eine ästhetische Funktion.

BF: Seit 40 Jahren drehen sich Ihre Filme um die Lüge, oft als Schutz gegen schmerzhafte Wahrheiten.

CC: Ich wehre mich zwar gegen Unwahrheiten, aber wir leben alle mit irgendeiner Form der Lüge, ohne sie wäre die Gesellschaft unerträglich, sie gehört zum menschlichen Leben. Gott sei Dank sind die meisten Lügen unwichitg. Wer von uns läßt sich nicht am Telefon schon mal verleugnen? Gefahr droht, wenn man die Welt mit ihrer Wirklichkeit verdrängt, sich selbst etwas vorlügt oder vorlügen läßt. Denken Sie an Hitler. Dessen Macht baute sich auf Propaganda auf, die Lüge wurde zur Staatsideologie.

BF: Wieder stehen weibliche Filmfiguren im Mittelpunkt.

CC: Ich liebe es, mit Frauen zu arbeiten. Bei ihnen stoße ich auf ein ganz anderes Verständnis, eine andere Sensibilität. Sie stellen sich schneller auf eine neue Situation ein und ziehen die Fäden im Hintergrund. In den vergangenen Jahren eroberten Frauen in der Gesellschaft relevantere Positionen, das greife ich auf.

BF: Sie arbeiten gerne mit den gleichen Schauspielerinnen. Dürfen die mitbestimmen?

CC: Ich lasse mir ungern ins Konzept pfuschen. Wenn jemand eine geniale Idee hat, nehme ich die selbstverständlich auf, aber das ist nicht die Regel. Ich arbeite sehr strukturiert, und das acht Stunden am Tag, kein intelligenter Mensch kann sich länger konzentrieren. Ich vermeide Überstunden, das mö-gen die Produzenten und ermöglicht mir ein kontinuierliches Arbeiten.

BF: Der Markanteil des französischen Films befindet sich im Sinken. Wie erklären Sie sich das?

CC: Die fetten Zeiten sind vorbei. Aber ich würde den Einbruch nicht überbewerten, es ist ein ewiges Auf und Ab. Die Verleiher setzen manchmal aufs falsche Pferd. Im Dezember 1998 beispielsweise starteten fast nur Filme für Erwachsene, da hätte man Animationsfilme, Kinder- und Familienfilme ins Kino bringen müssen. In puncto exakter Planung und Kommerz können wir noch einiges von den Amerikanern lernen."Marin Karmitz und ich sind ein gutes Gespann"

BF: Trotz aller Moden hat Ihre Generation immer noch Erfolg, obgleich das Publikum jünger wird.

CC: Vielleicht weil uns Moden nicht interessieren. Ich habe mich zweimal an einen Trend gehängt, 1967 mit "Zwei Freundinnen" und mit einem Film, an den ich mich kaum erinnere. Das sind dann Eintagsfliegen, die inzwischen wie Kostümfilme wirken. Daß wir heute noch Erfolge haben, mag daran liegen, daß meine Generation ihre Chancen nutzte. Keiner meiner Filme war ein totaler Reinfall. In meinem Alter hat man immer noch Lust, Filme zu machen, aber nicht, irgendeinem Produzenten hinterherzulaufen. Da sind Marin Karmitz und ich ein gutes Gespann. Er macht zwar keine "Titanic"-Umsätze, aber das Geschäft floriert.

BF: Was verbindet Sie mit dem Produzenten Marin Karmitz?

CC: Karmitz zählt zu meinen Weggefährten und läßt mir freie Hand. Wenn wir verschiedener Meinung sind, nutzt das dem Film. Beim Drehen mischt er sich nicht ein, aber bei der Wahl des Drehbuchs und beim Schnitt ist er präsent. Während ich manchmal lange an einem Problem herumlaboriere, fällt ihm schnell und spontan eine praktische Lösung ein, weil er nicht so in dem Projekt drinsteckt. Es ist wie in einer Ehe. Man versteht und vertraut sich. Man muß aber auch mal eine Auszeit nehmen. Meinen nächsten Film "Une affair d'etat" mache ich mit meinem Freund Antonio Passalia, der schon 1987 "Der Schrei der Eule" produzierte.

Claude Chabrol zu seinem Krimi 'Die Farbe der Lüge'