Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Wie schätzen Sie die derzeitige Diskussion über Kinotypen und Standorte ein?

Hans-Joachim Flebbe: Ich bin ein Fan der traditionellen Kinos, und es ist traurig, daß durch die Multiplexe viele der großen Paläste verloren gehen. Es gibt aber Möglichkeiten, diese Theater zu retten. Ich vermisse besonders bei Programm- und Filmkunstkinobetreibern Fantasie. Natürlich ist das Publikum heute nicht mehr so risikobereit und geht lieber in Mainstream, aber auch bei den Filmtheaterpalästen muß selbstbewußter ins Marketing gegangen werden. Man muß die Vorzüge herausstellen. Ich kann das so vollmundig sagen, weil wir Kinos betreiben, bei denen es funktioniert: Das Hochhauskino in Hannover hat durch das Cinemaxx keinen Rückgang verzeichnet, weil das Publikum Vertrauen zur Programmauswahl hat und den Rummel im Multiplex ablehnt. Außerdem sollten die Filmpalastbetreiber überlegen, ob sie die gleichen Eintrittspreise wie ein Multiplex nehmen müssen. Wir werden in Dortmund die Eintrittspreise reduzieren und die Kinos aufrüsten. Wir haben nicht so hohe Kosten wie ein Multiplex, und können uns erlauben, den Kampf aufzunehmen.

BF: Was heißt das konkret?

HJF: Die Eintrittspreise werden deutlich sinken, aber wir müssen die Gespräche mit den Verleihern abschließen, bevor ich Zahlen nennen kann. Ich gehe aber davon aus, daß die Verleiher mitziehen, denn es kann nicht ihr Wunsch sein, daß Dortmund ein Monopolplatz für ein Cinestar wird. In Göttingen gibt es neben unserem Cinemaxx ein Erstaufführungskino, das es uns vorgemacht hat. Die senken ihre Eintrittspreise, wir ärgern uns, aber sie haben Erfolg damit. Das können wir übernehmen. Ich rede damit auch gegen meine Interessen als Cinemaxx-Macher, aber mir geht es darum, daß Kinos wie die Lichtburg in Essen und das Filmcasino in Dortmund erhalten bleiben. Ich bin überzeugt, daß das Publikum in diese Kinos zurückkommt.

BF: Wie sieht aus Ihrer Sicht die Kinolandschaft der Zukunft aus?

HJF: In jeder Stadt über 100.000 Einwohner wird es ein Multiplex geben. Es wird auch Programm- und Filmkunstkinos geben, die sich aber der Öffentlichkeit anders darstellen müssen. Außerdem wird es einen oder mehrere Filmpaläste geben. Das ist meine Idealvorstellung, und wo wir können, setzen wir uns dafür ein. In Berlin haben wir die Verträge für Astor und Filmpalast verlängert, obwohl wir schon jetzt ein zurückhaltendes Interesse bemerken. Menzel und Hüster in Essen sind für mich das Musterbeispiel, wie man an der Seite eines Multiplexes wunderbares Kino machen kann. Die sind kreativ und haben Ideen. Wir arbeiten kooperativ miteinander, denn wir müssen nicht jeden Film spielen. Wenn sie sagen, das ist für uns ein Brotfilm, dann spielen wir ihn im Cinemaxx nicht. Wir haben auch nie Druck auf die Verleiher ausgeübt. Ich sehe Programmkinos nicht als Konkurrenz, sondern nur, wenn das Kino in der ganzen Vielfalt erhalten bleibt, ist es für die Gesamtbranche produktiv.

BF: Können Multiplexe Bereiche wie Arthouse- oder Programmkinos besetzen?

HJF: Das Publikum ist an verschiedenen Standorten unterschiedlich, aber ein Multiplex wird nie ein Programm- oder Filmkunstkino sein können.Wir wollen das auch nicht, solange es eine funktionierende Szene gibt. Außerdem erwartet das Publikum im Multiplex Mainstream.

BF: Welche Projekte stehen bei Ihnen in diesem Jahr an?

HJF: Wir eröffnen Ende April in Bremen, Mitte August in Berlin am Potsdamer Platz und von Oktober bis Dezember in Mannheim, Regensburg, Hamm, im Rhein-Ruhr-Zentrum, in Mühlheim, Berlin-Hohenschönhausen und Bielefeld. Im Frühjahr 1999 geht es weiter mit Hamburg-Harburg, Würzburg, Offenbach, Solingen, Ingolstadt, Augsburg, Luzern und Salzburg. Ende 1999 werden Kinos in Leipzig und Braunschweig eröffnet. Außerdem haben wir noch München, Frankfurt, Hamburg-Reeperbahn und drei weitere Standorte abgeschlossen. Bei einigen anderen stehen wir vor Vertragsabschluß.

BF: Welche Standorte sind für Sie noch attraktiv?

HJF: München ist unterversorgt und wartet schon zu lange auf das Constantin-Kino. Es wird sicherlich noch zwei oder drei Multiplexe an den Rändern der Innenstadt geben. Multi- und Miniplexe werden bis in Städte von 50.000 bis 60.000 gebaut werden. In vielen Städten dieser Größenordnung werden die ortsansässigen Kinobetreiber selbst aktiv, und dann gehen wir dort nicht hin, wie zum Beispiel in Bayreuth.

BF: Haben Sie auch Pläne für das Ausland?

HJF: Wir haben in der Schweiz drei Standorte. In Österreich werden wir in zwei oder drei Städten Kinos eröffnen. Insgesamt haben wir Pläne für fünf Länder in Europa.

BF: Sehen Sie die Gefahr eines Overscreenings?

HJF: Overscreening ist das wichtigste Thema, über das man im Augenblick reden muß. Vor allem Australier und Amerikaner gehen mit der Sicht ihres Landes an den deutschen Markt. Da in Deutschland nur 1,7 Besuche pro Kopf verzeichnet werden, während es in Amerika und Australien über vier sind, erwarten sie, daß der Markt sich mindestens verdoppelt, wenn man nur doppelt so viele Kinos baut. Ich bin sicher, daß eine Steigerung möglich ist, setze sie aber bei 2,5 oder höchstens drei an. In Deutschland fallen viele Besucherschichten aus, obwohl gerade durch einen Film wie "Titanic" ein Publikum zurückkommt, das jahrelang nicht mehr im Kino war. Trotzdem brauchen diese Besucher mehr Anstöße als ein Heavy User, für den ein regelmäßiger Kinobesuch zum Standard gehört. Das erste Overscreening gibt es unseligerweise in Magdeburg, obwohl unsere Berechnungen aufgegangen sind und der Kinobesuch von 460.000 auf circa 1,4 Millionen gesteigert werden konnte. Doch trotz aller Marketinganstrengungen gibt es zur Zeit keine ausverkaufte Vorstellung in der Stadt, und beide Kinos machen keinen Gewinn.

BF: Wie verhalten Sie sich bei Standortkämpfen?

HJF: Unsere Firma zeichnet sich im Moment dadurch aus, daß wir uns meistens zurückhalten. Das haben wir zum Beispiel in Düsseldorf gemacht. Wir hatten eine Baugenehmigung, aber nicht den besten Standort, und haben die Finger von der Stadt gelassen. Das ist nicht edel, sondern wirtschaftlich überlegt. [Kieft](/company/blotevogel-gmbh) und Ufa-Riech müssen genauso denken, weil sie sich auch über Banken finanzieren, die nach der Wirtschaftlichkeit der Kinos fragen. Die Amerikaner und Australier können sich zur Zeit noch darüber hinwegsetzen. Deswegen sind sie unsere natürlichen Feinde. Aber auch da wird irgendwann der wirtschaftliche Verstand einsetzen. Augsburg ist der einzige Ort, in den wir gegangen sind, obwohl ein Mitbewerber dort schon tätig war. Wir waren aber zuerst aktiv und haben uns für den besten Standort entschieden, der leider eine etwas längere Vorlaufzeit benötigte.

BF: Ihr Partner [Stella AG](/company/stella-entertainment) taucht zur Zeit durch den Hauptgesellschafter Rolf Deyhle häufig in der Presse auf.

HJF: Die Stella ist ein Wirtschaftsunternehmen, das Gewinne produziert. Sie ist von den in den Medien angesprochenen Problemen, die um Rolf Deyhle entstanden sind, nicht betroffen. Das gleiche gilt auch für unsere Firma: Wir erwirtschaften soviel Cash-flow, daß wir alle unsere Projekte selbständig finanzieren können, denn im Gegensatz zu anderen investieren wir nicht in die Gebäude, sondern mieten die Kinos. Anfang Mai wird die Stella AG voraussichtlich einen neuen Gesellschafter bekommen, und dann sind diese ganzen Gerüchte erst recht hinfällig.

BF: Streben Sie weitere Partnerschaften an?

HJF: Die Amerikaner und Australier kommen spät auf den Markt, denn der Markt ist größenteils verteilt, und deswegen gibt es viele Gespäche. Sie würden sich gern an einer Kinokette beteiligen, wie auch [Pro Sieben](/company/prosiebensat1-media-se), aber wir wollen unabhängig bleiben. Früher oder später wird es bei den Betreibern zu einer größeren Konzentration kommen. Wir haben jedoch unseren eigenen Weg vor, über den ich aber jetzt noch nicht reden möchte. Wir sind zu Partnerschaftsgespächen in jedem Bereich bereit, aber es wird keine Übernahme unserer Firma durch eine andere geben.

BF: Streben Sie bei neuen Projekten Synergien mit Entertainmentcentern, Hotels et cetera an?

HJF: In Stuttgart hätten wir normalerweise kein Kino gebaut, aber mit dem Entertainmentcenter lohnt sich das Kino. Deshalb haben wir mit der Stella AG verschiedene Projekte. Der nächste Standort ist Berlin Potsdamer Platz. Außer dem Cinemaxx mit über 3500 Pläzen und 20 Kinos wird es ein Imax geben und ein Musical-Theater, in dem wir auch Filme spielen können. Es wird wahrscheinlich außerdem eine Sensation entstehen: ein ganz neuer Kinotyp, an dem wir arbeiten, und den wir etwa im Mai der Öffentlichkeit vorstellen können. Das nächste Entertainmentcenter entsteht in Frankfurt. In Hamburg wird ebenfalls eines eröffnet werden, mit einem Multiplexkino, einem Imax-Kino und sonstigen Attraktionen. Auch da, wie in Frankfurt, wünscht sich die Stadt eine Konzentration an dieser Stelle.

BF: Welchen Stellenwert haben die Imax-Kinos?

HJF: Wir haben uns mit Dieter Buchwald zusammengeschlossen, der das Imax-Kino in München leitet, das von der Auslastung das erfolgreichste der Welt ist. Er ist die absolute Kapazität und warnt davor, Imax-Kinos überall zu bauen, denn sie benötigen einen großen Einzugsbereich und sind relativ teuer. Nur in Metropolen wie Berlin, Hamburg, dem Ruhrgebiet, München und Frankfurt macht der Bau Sinn. Wir arbeiten mit Dr. Buchwald am Potsdamer Platz, in Hamburg und in Essen zusammen.

BF: Was halten Sie von Merchandising-Läden?

HJF: Wir hatten in den ersten Cinemaxxen in Essen und Hannover Läden, in denen wir Plakate, Videokassetten, Soundtracks und so weiter verkauft haben. Wir haben sie nach einem Jahr geschlossen, weil es sich nicht rentiert hat. Mittlerweile scheint sich ein größeres Bedürfnis zu entwickeln. Wir haben in den Kinos Flächen reserviert und suchen jetzt einen Partner, mit dem man das professionell betreiben kann.

BF: Welche Wege kann die klassische Kinowerbung nach dem Verbot der Tabakwerbung gehen?

HJF: Wir werden mehr Trailer zeigen und gehen davon aus, daß die Verleiher nicht mit steigenden Leihmieten reagieren, sondern wissen, daß zusätzliche Werbung im Kino auch ihrem Film zugute kommt.

BF: Wie hat sich nach dem Weggang von Chris Koppelmeier die Umstrukturierung der Geschäftsführung bewährt?

HJF: Wir finden es schade, daß er gegangen ist, verstehen es aber auch. Das Unternehmen hat sich verändert. Aus dem alternativen Verein der Programmkinozeiten ist ein Unternehmen mit über 2000 Mitarbeitern geworden. Trotz dieser Veränderung ist die Firma noch für Neuerungen gut. In letzter Zeit liegt unser Hauptgebiet im Marketingbereich.

BF: Was haben Sie konkret vor?

HJF: Wir möchten Cinemaxx auch überregional als Marke etablieren. Wir wollen nicht nur das Marketing der Verleiher nutzen, sondern auch das Multiplex stärker profilieren. Wir haben eine der Spitzenmarketingkräfte von "West" für uns gewinnen können, der das Cinemaxx auch über Ländergrenzen hinaus als Marke etablieren wird. Außerdem wollen wir die Stars wieder ins Kino holen. In Hamburg haben wir gesehen, was es ausmacht, wenn man die Stars wieder im Kino präsentiert. Wir freuen uns über die gute Zusammenarbeit mit den Verleihern, und es wäre wunderbar, wenn es gelänge, mit den Stars Tourneen zu veranstalten.

Cinemaxx in fünf Ländern Europas