Blickpunkt:Film

Kino

Blickpunkt:Film: Ist "Dreizehn" eine sehr persönliche Geschichte für Sie?

Catherine Hardwicke: Ja, mehr oder weniger handelt der Film von der Krise, die [Nikki Reed](/person/nikki-reed) als 13-Jährige durchmachen musste. Ich kenne sie seit ihrem fünften Lebensjahr. Sie ist die Tochter meines ehemaligen Freundes, aber ich habe den Kontakt zu ihr nie abgebrochen. Ihr Problem war, dass sie mit 13 schon den Körper eines Supermodels hatte. Sie fühlte sich dadurch ausgeschlossen, wurde von innerer Wut bestimmt und kümmerte sich nur noch um ihre Mädchenclique in der Schule. Als ich bemerkte, was sie durchmacht, wollte ich ihr helfen, damit sie die Freude am Leben wiederfindet. Ich schlug Nikki vor, es mit Fotografie oder Malerei zu versuchen, aber das einzige, was sie interessierte, war die Schauspielerei.

BF: Davon träumt fast jedes Mädchen.

CH: Das stimmt, und mir war bei dem Gedanken auch nicht wohl zumute. Mir war klar, das man dafür wirklich taff sein muss, aber ich nahm Nikki ernst und schlug ihr vor, erst einmal ein Drehbuch für sie zu schreiben. Zuerst dachten wir an eine Teeniekomödie, aber dann kamen wir schnell darauf, dass es eine echte Geschichte über echte Probleme heutiger Teenager werden sollte. das war für Nikki wie eine Therapie: Sie erzählte plötzlich, was sie bewegt, was sie traurig und glücklich macht. Wir hatten am Ende so viel Stoff, dass die Idee, daraus einen Film zu machen, immer konkreter wurde. Für andere klang es weiterhin wie ein Witz.

"Für andere klang es wie ein Witz"

BF: Weil Nikki noch nie geschauspielert und Sie noch nie Regie geführt haben?

CH: Das war wirklich ein Problem. Die Produzenten [Jeffrey Levy-Hinte](/person/jeffrey-levy-hinte) und [Michael B. London](/person/michael-london) waren schnell gefunden, weil ich sie gut kannte. Aber das nötige Geld hatten wir dadurch noch lange nicht. Es fand sich auch kein Studio, das den Film realisieren wollte. Alle winkten ab, weil ich keine erfahrende Regisseurin bin und nur Teenager mitspielen, die keiner kennt.

BF: Wie haben Sie die Finanzierung dennoch auf die Beine gestellt?

CH: Indem ich zuerst mein Haus und mein Auto verpfändete. Ich wollte diesen Film unter allen Umständen machen, weil wir etwas zu sagen haben und sich Jugendliche, Lehrer und Eltern darüber eine Meinung bilden können. Jeffrey Levy-Hinte heulte ich zwei Stunden vor, wie ernst es mir damit ist. Er kümmerte sich um Investoren in New York, und Michael London bekam [Holly Hunter](/person/holly-hunter) für die Rolle der Mutter unter Vertrag. Drei Wochen vor Drehstart suchte ich die Produktionsfirma Working Title auf und fragte, ob sie nicht mit einer halben Million Dollar einsteigen wollen. Sie sagten sofort zu, und so hatte ich das Budget von 1,5 Mio. Dollar schließlich zusammen.

"Ich kann mein Haus also behalten"

BF: Wie viel hat der Film bisher eingespielt?

CH: In den USA knapp fünf Mio. Dollar, was nicht viel ist. "Dreizehn" lief ausschließlich in Arthouse-Kinos und wurde in nie mehr als 200 Theatern gezeigt. Dennoch bin ich zufrieden, denn jetzt wird er weltweit herausgebracht und erscheint demnächst auch auf DVD. Ich kann mein Haus also behalten.

BF:Warum spielt nicht Nikki Reed - wie geplant - Hauptfigur Tracy?

CH:So war es eigentlich abgemacht, aber als ich den Produzenten den Vorschlag machte, erklärten sie mich für verrückt. Nikki hatte zuvor noch nie geschauspielert, soll fast in jeder Szene zu sehen sein und Dinge durchleben, die bereits hinter ihr lagen? Aber das Problem löste sich durch einen anderen Umstand: Als es darum ging, die Rolle der Freundin Evie zu besetzen, die über noch mehr Sexappeal verfügt und von Tracy bewundert wird, konnten wir keine geeignete Schauspielerin finden. Ich wollte keine 18-Jährige für die Rolle einer 13-Jährigen, und schließlich bemerkte ich, dass Nikki nicht mehr über die Unschuld verfügte, die für die Rolle nötig gewesen wäre. So stießen wir auf [Evan Rachel Wood](/person/evan-rachel-wood), die perfekt war, und Nikki erklärte sich einverstanden, Evie zu verkörpern.

BF: Im Film gibt es viele heftige Szenen. Glauben Sie, dass er für 13-Jährige geeignet ist?

CH:Nicht jedes Mädchen wird sich wiederfinden, aber es gibt auch andere, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Der Film könnte ihnen helfen, sich selbst einzuschätzen. Ich habe erlebt, wie Mädchen sagten, dass Tracy hier und da zu weit geht, dass sie ein bisschen verrückt sei, und dass man manche Dinge nicht tun sollte. Ich will, dass sich Lehrer, Eltern, Therapeuten, Polizisten und Jugendliche damit auseinandersetzen. Es ist die Geschichte eines Mädchens, aber überall auf der Welt können sich Gleichaltrige damit identifizieren.

"Ich wollte schon immer Regisseurin werden"

BF: Wollen Sie nach dieser Erfahrung weiterhin als Produktionsdesignerin arbeiten?

CH: Nein, das liegt hinter mir. Ich wollte schon immer Regisseurin werden und drehte an der Filmhochschule bereits eigene Kurz- und Animationsfilme. Aber weil ich zuvor Architektur studiert hatte, kam es, dass man mich als Produktionsdesignerin engagierte. Anfangs hatte ich nichts dagegen, weil es mir Spaß machte, für "[Three Kings](/movie/three-kings)" ein ganzes irakisches Dorf zu errichten, und ich damit meinen Lebensunterhalt verdiente. Aber zwischen den Filmen schrieb ich immer an meinen Drehbüchern, um irgendwann Regie zu führen.

BF: Was sind Ihre nächsten Projekte?

CH: Ich arbeitete gerade an mehreren und hoffe, dass manche davon realisiert werden. Ganz konkret ist jetzt "Lords Of Dogtown" geworden. In der Geschichte geht es um Kinder aus sozial schwachen Familien, die in den 70ern das Skateboarding für sich entdeckten. Eine ganz neue Sportart ist dadurch entstanden. Im nächsten Jahr beginnen die Dreharbeiten, und ich bin dabei, noch ein paar weibliche Charaktere in die von Jungs bestimmten Geschichte zu schreiben.

Catherine Hardwicke zu "Dreizehn": "Ich wollte diesen Film unter allen Umständen machen"