Blickpunkt:Film

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Blickpunkt:Film: Was bedeutet es Ihnen, das Ihr Film "Engel & Joe" das Filmfest Hamburg eröffnet?

Vanessa Jopp: Ich fühle mich geehrt und freue mich. Ich bin gespannt, ob es einen Unterschied macht, ob es der Eröffnungsfilm ist oder im normalen Festival-Programm gezeigt wird. Menschen, die länger im Geschäft sind, sagen, dass es zwar toll ist, weil der Eröffnungsfilm mehr Aufmerksamkeit bekommt - es wird aber auch kritischer geguckt.

BF: Sie waren zuvor mit "Engel & Joe" in Montreal, wo Ihr Hauptdarsteller [Robert Stadlober](/person/robert-stadlober) als bester Schauspieler ausgezeichnet wurde.

VJ: Ja, das war herrlich. Das Publikum in Montreal ist so filmbegeistert, "Engel & Joe" wurde super aufgenommen, das war ein sehr positiver Anfang.


"Viele Dialoge standen nicht im Drehbuch"


BF: Sie wollten nach "Vergiss Amerika" die Geschichte einer ersten großen Liebe erzählen. Was war so reizvoll daran?

VJ: Es war ein inneres Bedürfnis, eine extreme und bedingungslose Liebe zu erzählen. Ich habe schon immer Filme geliebt, die bedingungslose Lieben gezeigt haben - "[Wild at Heart](/movie/wild-at-heart)" ist z.B. einer meiner absoluten Lieblingsfilme. Und dann habe ich genau zu dem, was ich machen wollte, das richtige Buch bekommen. Es war ein großes Glück und quasi Schicksal, dass "Engel & Joe" das erste Buch nach "Vergiss Amerika" war, das ich in den Händen hatte.

BF: Welche Änderungen an der ersten Skriptfassung haben Sie gemeinsam mit dem Autor Kai Hermann vorgenommen?

VJ: Die erste Drehbuchfassung war viel reportagehafter, wir haben daran gearbeitet, den Film zu dramatisieren. Ich mag es sehr gern, dass der Film ab der zweiten Hälfte noch viel härter wird.

BF: Während Sie "Engel & Joe" vorbereiteten, wurde ein ähnlich gelagerter Film gedreht, "[Wie Feuer und Flamme](/movie/wie-feuer-und-flamme)". Hat Sie das in der Entwicklung beeinflusst oder kalt gelassen?

VJ: Sagen wir mal so: Ich war sehr neugierig auf den Film, denn schließlich ist er vor uns gestartet. Aber ich finde, die Filme sind so verschieden, das sie nicht miteinander verglichen werden können. Grundsätzlich versuche ich, wenn ich einen Film mache, mich nicht beeinflussen zu lassen - weder von anderen Filmen noch davon, was gerade "in" ist. Ich versuche, bei mir zu bleiben und die Geschichte so zu erzählen, wie ich es für richtig halte.

BF: Die Kamera von [Judith Kaufmann](/person/judith-kaufmann) ist bei "Engel & Joe" nah dran, oft sehr bewegt. Haben Sie auch darüber nachgedacht, auf Video zu drehen?

VJ: Ja, aber ich liebe einfach Film. Das heißt nicht, dass ich Video ablehne. Aber trotz dieser Geschichte mit dokumentarischen Anklängen war Film für mich das richtige Format.

BF: Es war Ihnen wichtig, so authentisch wie möglich zu inszenieren, deshalb haben Sie viel mit Improvisationen gearbeitet. Hat das sich das als gute Methode für diesen Stoff erwiesen?

VJ: Für diesen Film hat das sehr gut funktioniert. Viele Dialoge standen gar nicht im Drehbuch, sondern sind beim Improvisieren entstanden. Ich persönlich liebe Kleinigkeiten, auch wenn sie nicht unbedingt die Geschichte voranbringen. Solche Dialoge fliegen im Schnitt manchmal raus, aber sie bringen viel Charme und viel Spielfreude bei den Darstellern.

BF: Warum verlegten Sie die Handlung von Berlin nach Köln?

VJ: Das hatte viele Gründe. Zum einen die Konstellation: Hamburger Firma, Kölner Regisseurin - wieso nach Berlin gehen? Andererseits wollte ich nicht "Christiane Christiane F. Teil 2" machen - und für Junkies in Berlin ist der wichtigste Ort noch immer der Bahnhof Zoo. Ich habe mich auf die Kölner Szene eingelassen und war froh über die neuen Drehorte, um auch völlig von dem "Christiane F."- Vergleich wegzukommen.

BF: Ist die Musik bei diesem Film wichtiger als bei "Vergiss Amerika"?

VJ: Musik ist immer enorm wichtig. Wir haben der Musik in "Engel & Joe" mehr Raum gegeben, weil sie stärker zu dem geschilderten Lebensgefühl gehört. Wenn man auf die Domplatte geht, haben die Jugendlichen dort immer ihren Ghettoblaster dabei und es läuft Punk-Musik.


"Musik ist immer enorm wichtig"


BF: War es wichtig, auch trendige Bands zu erwischen, um die junge Zielgruppe anzusprechen?

VJ: Das ergibt sich automatisch, wenn man recherchiert, welche Musik die Jugendlichen dort hören. Wir sind in einer etwas härteren, punkigeren Richtung trendy, Placebo ist z. B. Independent- Musik. Es ist nicht kommerziell trendy, sondern entsprechend der Szene eher underground- trendy.

BF: Für "Vergiss Amerika" wurden Sie mehrfach ausgezeichnet. Werden Ihnen seitdem haufenweise Projekte angeboten?

VJ: Es ist nicht so, dass ich jede Woche ein Drehbuch bekomme, aber es kommen immer wieder Projekte für Film und Fernsehen auf mich zu, die sich interessant anhören. Ich habe aber schon ein neues Projekt, das ich mit einer Autorin und einer Schauspielerin entwickle. Es ist noch nicht spruchreif, daher kann ich noch keine Namen nennen. Aber das Thema kann ich verraten: es ist ein Gegentrend zum Schönheitswahn, in dem innere Werte nichts mehr zählen. Das ist, finde ich, eine ziemlich kranke Entwicklung.

Vanessa Jopp zum Eröffnungsfilm "Engel & Joe"