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Blickpunkt:Film: Nach "Not One Less", der 1999 in Venedig den Goldenen Löwen erhielt, erzählen Sie wieder vom Leben auf dem Land und einer Dorfschule.

Zhang Yimou: Ich wollte in zwei verschiedenen Filmen zwei Techniken zum Ausdruck bringen und dachte dabei an die chinesische Malerei, die auf der einen Seite akademisch genau Wirklichkeit wiedergibt, auf der anderen Seite Gedanken und Gefühle vermittelt. Nach der harten Realität in "Not One Less" dominiert in "The Road Home" Emotionalität. Schwindendes Interesse an Problemfilmen

BF: Die politischen Hintergründe kann man nur ahnen. Warum sind Sie nicht konkreter geworden?

YZ: Es gibt drei Gründe: Von offizieller Seite sieht man diese Epoche im Film nicht gerade gern. Die jungen Leute verlangen Unterhaltung, das Interesse an politischen Geschichten und Problemfilmen schwindet. Meine Priorität als Regisseur lag bei der Lovestory und der poetischen Erzählweise, Politik dient nur als Folie. Chinesische Zuschauer erkennen die Zusammenhänge und wissen, dass die Anti-Rechts-Bewegung bis zum Ende der Kulturrevolution dauerte. Vor allem Intellektuelle "verschwanden" und manche Menschen konnten erst nach zehn oder zwanzig Jahren mit Rehabilitation rechnen. Meine Protagonistin wartet nur zwei Jahre auf die Rückkehr des Dorfschullehrers.

BF: Inwieweit gab es Einflussnahme oder Zensur?

YZ: Jeder Regisseur in China ist sich bewusst, dass er vom ersten Drehbuchentwurf bis zur fertigen Fassung ständig einer Kontrolle unterliegt.

BF: Ziehen Sie nach opulenten Filmen wie "Die rote Laterne" oder "Shanghai Serenade" jetzt kleine, persönliche Geschichten vor?

YZ: Damit kann man die Gesellschaft am besten beeinflussen. Ich verstehe meine zwei jüngsten Filme auch als Kontrapunkt gegen die Tendenz zur Kommerzialisierung im chinesischen Kino und den Einfluss Hollywoods. Das chinesische Volk befindet sich in einer schwierigen Phase, verliert Orientierung und Identität. Da möchte ich an unsere cinematografische Tradition erinnern. Meine Filme sind billig: "The Road Home" kostete zwischen 1,5 und 2 Mio. Dollar, das erleichtert die Finanzierung. Allerdings habe ich wie jeder Vollblutregisseur den Ehrgeiz, irgendwann einen Megafilm zu machen.

BF: "The Road Home" ist die zweite Koproduktion mit Columbia Pictures Film Production Asia. Geht die Zusammenarbeit weiter?

YZ: Mit Columbia verbindet mich eine lange Freundschaft. Ich genieße Narrenfreiheit, schlage meine Themen vor und bin nur für die künstlerische Ausführung zuständig. Um das Finanzielle kümmern sich die Guangxi Film Studios und eine chinesische Produktionsgesellschaft. Zur Zeit gibt es weder einen neuen Vertrag noch eine Planung. Bei Interesse an einem Drehbuch wird neu verhandelt.

"Zhang Ziyi ist sicherlich ein Talent mit Zukunft"


BF: Mit der jungen Darstellerin Zhang Ziyi gelang Ihnen ein Glücksgriff.

YZ: Sie ist sicherlich ein Talent mit Zukunft. Allerdings darf man nicht vergessen, sie ist erst 20 Jahre alt. In den Zeitungen sprach man von ihr schon als zweite Gong Li. Aber es gehört viel Zeit, Mühe, Arbeit und Glück dazu, ein Star zu werden.

BF: Eine Zeit lang stießen chinesische Filme auf große Resonanz in der westlichen Welt. Wie stellt sich die Situation heute dar?

YZ: Man kann immer noch gute Filme in China drehen, aber die Anforderungen an Regisseure sind gestiegen. In den achtziger Jahren gab es die Öffnung nach Westen, das Gefühl des Aufbruchs. Der Erfolg der Filme lag vielleicht an der damaligen Neugier auf China und auf eine bestimmte Exotik. Inzwischen ist der Appetit der westlichen Welt sehr sophisticated.

BF: Sie gehörten zur Fünften Generation, die gesellschaftliche Verantwortung spürte. Ist die Stimmung umgeschlagen?

YZ: Die Zeiten ändern sich. Jede Generation formuliert andere Ziele. Die Sechste Generation beschäftigt sich mehr mit sich selbst und den eigenen Gefühlen.

BF: Ihr früherer Weggefährte Chen Kaige dreht in den USA. Wäre das für Sie eine Alternative?

YZ: Ich würde mich dort wahrscheinlich unwohl und fremd fühlen. Meine Filme handeln von der gegenseitigen Abhängigkeit menschlicher Beziehungen, die kann ich nur in meiner Heimat realisieren.

BF: In Florenz inszenierten Sie 1997 die Puccini-Oper "Turandot" mit Zubin Mehta als Dirigent. Gibt es weitere Opern- oder Filmpläne?

YZ: Eigentlich war die Sache absurd, weil ich von Oper keine Ahnung hatte und kein Wort verstand. Doch die Arbeit mit Musik fasziniert mich. Ende des Jahres beginne ich mit den Vorbereitungen für eine Ballett-Inszenierung basierend auf "Die rote Laterne". Nach der Premiere in Peking im Februar 2001 ist eine Welttournee geplant.

Regisseur Zhang Yimou zu "The Road Home'